Donnerstag, 27. November 2025

Deutschlands Sparfalle – und das stillschweigende Eingeständnis des IWF

Die jüngste Erklärung des IWF zu Deutschland gemäß Artikel IV ist ungewöhnlich unverblümt. 

Nach einem Jahrzehnt höflicher Umschweife spricht der Fonds nun offen aus, was bisher unausgesprochen blieb: Die deutsche Wirtschaft stagniert, weil das Produktivitätswachstum schwach ist, Strukturreformen ins Stocken geraten sind und die Exportmärkte die Überschussproduktion Deutschlands nicht mehr aufnehmen können. 

Hinter dieser diplomatischen Sprache verbirgt sich eine tiefere Wahrheit – eine, zu deren Institutionalisierung der IWF selbst beigetragen hat –, nämlich dass Deutschland nun den Preis für seine eigene langjährige Sparpolitik (austerity) zahlt.

Die Symptome sind bekannt: 

steigende Arbeitslosigkeit, ein schwächer werdender Arbeitsmarkt, ein Anstieg der unfreiwilligen Teilzeitarbeit (Unterbeschäftigung) und eine Wirtschaft, die in einer Zeit, in der der Welthandel fragmentiert ist, übermäßig von der Auslandsnachfrage abhängig ist. Die Inflation ist einfach deshalb gesunken, weil die Binnennachfrage eingebrochen ist. Das ist kein Erfolg der Politik, sondern ein Warnsignal.


German industrial output, Graph: FT, Nov 11, 2025.


Mittwoch, 12. November 2025

Der Pyrrhussieg der EZB

Warum die Freude über eine Inflation von 2 % das eigentliche Problem verkennt


Laut Destatis lag die Verbraucherpreisinflation in Deutschland im Oktober bei 2,3 % im Vergleich zum Vorjahr – ein leichter Rückgang gegenüber 2,4 % im September. 

Für die Europäische Zentralbank ist dies ein Grund zur Freude: 

Die Gesamtinflation hat endlich ihr lang ersehntes Ziel von 2 % erreicht. Doch hinter den Kulissen sieht es weit weniger erfreulich aus.

Die Großhandels- und Erzeugerpreise zeichnen ein anderes Bild. Im Oktober lagen die deutschen Erzeugerpreise nur um 1,1 % über dem Vorjahresniveau, und in den letzten 32 Monaten sind sie nur zweimal gestiegen. In jedem zweiten Monat sind sie gefallen. 

Diese anhaltende Schwäche der vorgelagerten Preise deutet auf eine Wirtschaft hin, in der die Nachfrage schwach ist, die Margen unter Druck stehen und die Investitionen zurückhaltend sind.

Leitzins der Zentralbanken, Graph: Morgan Stanley, Nov 10, 2025