Donnerwetter!
Siemens Chef kritisiert Merkels Mantra des ausgeglichenen Haushaltes (genannt „schwarze Null“).
Das berichtet Financial Times (FT) aus London am Montag: Joe Kaeser plädiert für Investitionen in Infrastruktur.
Der CEO des deutschen Technologiekonzerns sagt laut FT, dass die Regierung den historisch niedrigen Zinssatz nutzen sollte, um stark in Infrastruktur zu investieren.
Es sei eine berechtigte Frage, warum der deutsche Staat nicht investiere, zu einer Zeit, in der man dafür bezahlt werde, mehr Kapital aufzunehmen.
Das ist monumental.
Denn die EZB trifft sich am Donnerstag zusammen. Erwartet wird, dass die EZB das QE-Programm (Anleihekäufe am offenen Markt) wiederbelebt, den Zinssatz für Einlagen-Fazilitäten um 10 Basispunkte senkt und gleichzeitig ein (deposit tiering system) einführt, um die Folgen der Negativzinsen für Banken abzumildern.
Die Zentralbanken haben in diesem Jahr weltweit 32 Zinssenkungen durchgeführt, Graph: Bloomberg, Sept 05, 2019
Nicht ausgeschlossen ist, dass EZB-Präsident Mario Draghi auch den geldpolitischen Ausblick (forward guidance) verändert, d.h. die Tür für weitere Lockerung der Geldpolitik offen lässt.
Die Zentralbanken haben in diesem Jahr weltweit 32 Zinssenkungen durchgeführt, da die sich verschlechternden Handelsspannungen in China das globale Wirtschaftswachstum bremsen, Löhne stagnieren und die Nachfrage mangelhaft ist.
Die geldpolitischen Entscheidungsträger haben die Leitzinsen um kumulative 13,85% gesenkt.
Was das deutsche Unternehmen mit über 80 Mrd. EUR Jahresumsatz signalisiert, ist, dass weitere Zinssenkungen keinen Anreiz liefern, Investitionen zu erhöhen, solange es an Nachfrage mangelt, zumal die konventionelle Geldpolitik an der Nullzins-Grenze an Zugkraft verliert.
Es ist einfacher, eine Expansion zu stoppen als eine schwere Kontraktion zu unterbinden. Deshalb ist die Bemühung der EZB, die Zinsen weiter ins Negative zu senken, nichts anders als „pushing on a string“.
10y GER Bund yield, Graph: Bloomberg TV, Sept 10, 2019
Jakob von Weizsäcker, der vom deutschen Finanzminister Olaf Scholz zum Chefvolkswirt des Bundesministeriums der Finanzen ernannt wurde, sieht seine Hauptaufgabe, das Bewusstsein für eine neue Realität zu schärfen, in der die Zinssätze für lange Zeit extrem niedrig bleiben und möglicherweise zuvor unattraktive Investitionen möglich machen.
„Wir sind geistig schlecht vorbereitet auf eine Welt, in der Sparen und Kapital viel weniger erschwert sind als in der Vergangenheit“, sagte der deutsche Ökonom, der davor von 2014 bis 2019 Mitglied des Europäischen Parlaments war.
Viele öffentliche und private Investitionen könnten sich auszahlen, was früher nicht der Fall war, so Weizsäcker weiter.
Fest steht, dass die Verehrung der Haushaltsdisziplin in Deutschland heute durch eine drohende Rezession und unverschämt billige Kredite zunehmend in Frage gestellt wird. Ist im deutschen Finanzministerium eine stille Revolution im Gange, um ein deutsches Wirtschaftsdogma zu verwerfen?
Das Fehlen von Kreditnehmern und das ständige Drängen für Haushaltskonsolidierung in einem schwer angeschlagenen Umfeld der Wirtschaft („balance sheet recession“) erschweren die Erholung der Konjunktur, notiert Richard Koo heute in einem Meinungsartikel in FT.
Der Chefvolkswirt von Nomura Research Institute vertritt die Ansicht, dass der Staat als „borrower of last resort“ agieren muss, um „Japanisation“ zu bewältigen, bis der Privatsektor beginnt, Kredit aufzunehmen.
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