Sonntag, 22. September 2019

Bankreserven und Stress im Overnight-Repo-Geschäft


Die US-Notenbank hat am Mittwoch die Zinsen weiter gelockert. Damit liegt das Zielband nun auf 1,75% bis 2%. Das ist nach der Zinssenkung Ende Juli die zweite Zinssenkung des geldpolitischen Ausschusses (FOMC) der Fed seit 2008.

Doch es kam fast gleichzeitig zu Komplikationen am Geldmarkt. Im Overnight-Repo-Geschäft schoss der Zinssatz durch die Decke. Es hiess, Barmittel wurden am Geldmarkt knapp. 

Im Handel, wo sich Banken für kurze Zeit (z.B. über Nacht) untereinander Geld leihen, gegen Hinterlegung von US-Treasury Bonds als Sicherheiten, und mit einer gleichzeitig abgeschlossenen Rückkaufsvereinbarung, ist der Zinssatz um das Mehrfache der von der Fed festgelegten Zinsen gestiegen, konkret: bis zu 10%.

Als Auslöser nennen die Händler den gestiegenen Liquiditätsbedarf zum Quartalsende v.a. wegen der ausstehenden Steuerrechnungen, die die Unternehmen begleichen müssen.

Die Fed hat im Verlauf der Woche mit Geldspritzen als „lender of last resort“ mehrmals intervenieren müssen. Wohlgemerkt: Das ist seit der GFC von 2008 der erste Eingriff in das Geschehen im Interbankenmarkt. Die Fed hat zum Beispiel am Dienstag 53,2 Mrd. USD und am Freitag 75 Mrd. USD als liquide Mittel zur Verfügung gestellt. 


Die Kosten der Kreditaufnahme auf dem overnight Repo-Geschäft, Graph: WSJ, Sept 19, 2019 
Die roten Balken: die Überschussreserven und die schwarzen Balken: die angeforderten Reserven

Insgesamt hat die Fed den Banken in dieser Woche über 200 Mrd. USD als Übernachtgeld für das Repo-Geschäft geliehen. Am Freitag fiel der Zinssatz für overnight Repo-Geschäfte auf weniger als 2% zurück: 1,95%. In der Regel orientieren sich die Repo-Sätze an den von der Fed vorgegebenen Leitzinsen, genannt Fed Funds Rate.

Die Fed hat u.a. auch den Zinssatz für Überschussreserven (IOER: interest over excess reserves) gesenkt, damit den Banken mehr Liquidität zur Verfügung steht und damit das Leihgeschäft angekurbelt wird.

Ein Grund für die Verspannungen auf dem Geldmarkt ist sicherlich die Bemühung der Fed, ihre Bilanz-Summe als Teil der QT (quantitative tightening) zu verkleinern.


Die Reserven der Geschäftsbanken bei der Fed, Graph: Paul J. Davies, WSJ, Sept 19, 2019 
Die roten Balken: die Überschussreserven und die schwarzen Balken: die angeforderten Reserven


Hier kommt die Bedeutung des Zentralbankgeldes ins Spiel. Die Notenbankgeldmenge besteht aus Reserven der Geschäftsbanken, die sie bei der Fed parken und dem Geld, das im Umlauf ist. 

Das Zentralbankgeld, das kurz als Reserven beschrieben wird, kann nur von Banken und Regierungen verwendet werden. Die Banken und Regierungen (z.B. das Schatzamt) haben diese Gelder auf Konten bei der Zentralbank.

Zur Erinnerung: Das Geld, das der Rest von uns verwendet, ist privates Geld, und es wird von Geschäftsbanken (durch die Kreditvergabe an den Privatsektor) geschafft. 


Die Vermögenswerte (Aktivposten) der Fed sind im Prozess der Umkehrung der QE-Politik zurückgegangen, Graph: Paul J. Davies, WSJ, Sept 19, 2019 

Die hauptsächliche Funktion der Reserven besteht darin, dass die Banken Zahlungen aneinander leisten, die durch Transaktionen zwischen uns entstehen.

Wenn eine Person (1) Geld an eine andere Person (2) überweist, geschieht es zwischen Banken per Tastenanschlag am Computer. Die Bank reduziert der Person (1) den Betrag auf dem Girokonto der Person (1). Und anschliessend sendet sie (die Bank) den entsprechenden Betrag an Reserven der Bank der Person (2). Diese Bank schuldet nun der Person (2) mehr Geld und erhöht daher den Wert der Einlagen der Person (2) mit privatem Geld. 


Die Bilanz-Summe der Fed ist nach dem Ausbruch der GFC von 2008 steil angestiegen und mit dem Ende der QE-Politik wieder gesunken, Graph: Nick Timiraos, WSJ, Sept 20, 2019 

Ein Weg, wie Reserven in das Bankensystem gelangen, ist, wenn eine Regierung Geld ausgibt, z.B. dadurch, dass sie die Löhne der Beamten zahlt. Die Regierung sendet dafür Reserven von ihrem Zentralbankkonto auf das Zentralbankkonto der Geschäftsbank, die von der betreffenden Person verwendet wird, die das Geld erhält. Und diese Bank erhöht den Wert der Einlagen auf dem Konto dieser Person.

Der springende Punkt der QE (quantitative easing) bestand darin, den Schmerz der Finanzkrise zu lindern, indem das Finanzsystem mit Geld zu überschwemmt wurde, wodurch alle Arten von Krediten erheblich billiger würden. 

Die Zentralbanken schufen dazu Reserven in Höhe von Billionen Dollar, um Staatsanleihen von privaten Anlegern über Banken zurückzukaufen. Die Notenbank hat dabei Banken enorme Reserven gutgeschrieben. Und die Banken haben im Gegenzug denjenigen, die die Anleihen an die Banken verkauften, die entsprechenden Beträge gutgeschrieben, damit das Privatgeld in die Wirtschaft zurück fliesst und für den Kauf von riskanteren Vermögenswerten eingesetzt wird. 

Die Reserven verlassen das Bankensystem, wenn die Regierung via Schatzamt neue Staatsanleihen an private Investoren verkauft oder Steuern erhebt.

Die Reserven sind heute geschrumpft, u.a. aufgrund der Umkehrung der QE. Die Fed hat ja, wie gesagt, die QT gestartet. Die Fed hat inzwischen angedeutet, dass sie nicht sicher ist, wie viel Reserven Banken heute zutage benötigen.

Wenn Banken ihre eigenen Reserven nicht für den Kauf von Staatsanleihen ausgeben möchten, müssen sie diese Reserven von einer anderen Stelle ausleihen. Sie können dies direkt in speziellen Bankenmärkten tun, oder sie können versuchen, privates Geld in Übernachtkreditmärkten (repo markets) zu leihen, wo die Zinsen diese Woche stiegen.

Aus diesem Grund hat die Fed nun kurzfristig angeboten, einige US-Treasury Bonds gegen neue Reserven einzutauschen.

Der Vorsitzende der Fed, Jerome Powell sagte am Mittwoch auf einer Pressekonferenz, dass es sicher möglich sei, dass „wir das organische Wachstum der Bilanz früher als gedacht wieder aufnehmen müssen“. 

Dies würde eine Rückkehr zur normalen Vor-Krisen-Praxis markieren, die es der Fed ermöglicht, ihre Bilanz im Einklang mit der Gesamtwirtschaft zu vergrössern.

Zur Erinnerung: Die Fed hat 2014 aufgehört, Anleihen zu kaufen, um die Wirtschaft anzukurbeln, und begann 2017 langsam, die Bestände zu verkleinern, um den Stimulus zu verringern, der die Reserven aus dem System drückte. 

Die Reserven sind von einem Höchststand von 2‘800 Mrd. USD im Jahr 2014 auf weniger als 1‘400 Mrd. USD gefallen.

Im normalen Geschäftsverlauf sollte die Bilanz der Fed wachsen, um mit der Nachfrage nach den Verbindlichkeiten der Fed Schritt zu halten. Dazu gehören der Bargeldumlauf und das Finanzierungskonto des Finanzministeriums. 




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