Dienstag, 9. April 2019

Negativzinsen und Gesinnungswandel der EZB


Banken verlangen Abschwächung des Negativzinses, berichtet FAZ online am Montag.

Die möglichen Nebenwirkungen der langanhaltenden Tiefzinsen waren tatsächlich auch ein Thema an der jüngsten EZB-Sitzung, wie es aus dem Protokoll, das vergangene Woche veröffentlicht worden ist, des Treffens hervorgeht.

Die EZB hatte erstmals 2015 den Einlagesatz auf unter null Prozent gesenkt. Der Satz liegt gegenwärtig bei minus 0,4%. Der Leitzins der EZB liegt seit März 2016 auf 0,0%.

Die EZB denkt allem Anschein nach über einen gestaffelten Einlagesatz als eine Möglichkeit nach, um den „Druck auf die Gewinnmargen“ der Banken etwas zu erleichtern. 

Das heisst, dass die EZB möglicherweise nach dem Vorbild der Schweizer Nationalbank (SNB) Freibeträge für die Überschussliquidität der Banken einsetzen würde.


Wann wird die EZB die Zinsen erhöhen? Die Erwartungen verschieben sich immer weiter, Graph: Dhara Ranasinghe, Reuters, April 8, 2019


Was aber unbestritten ist, dass die Diskussion über „tiered rates“ latente Ängste über den weiteren Verlauf der globalen Rezession gestärkt hat, sodass die Rendite der deutschen Staatsanleihen zum ersten Mal seit 2016 unter die Null-Marke gesunken ist.


Eurozone Inflationserwartungen: 5y5y forward inflation swaps, Graph: Bloomberg, Apr 7, 2019


Nur einen Monat, nachdem Mario Draghi die Pläne zur Normalisierung der Geldpolitik gestoppt und eine Zinsanhebung bis 2020 verzögert hat, rücken Anzeichen für eine schwache Konjunktur die EZB („Whatever it takes“) wieder in den Fokus. 

Am Mittwoch, wenn sie die EZB zusammentrifft, ist aber mit keinen geldpolitischen Änderungen zu rechnen. 


Eurozone Inflation und Kerninflation, Graph: Bloomberg, Apr 7, 2019


Die EZB-Sitzung ist dennoch wichtig. Denn ob die EZB gestaffelte Zinssätze einführt, kann darauf hindeuten, dass sie sich anschickt, die Zinssätze länger als erwartet unter null Prozent zu halten.


Die Abbildung zeigt, dass die Kreditaufnahme-Kosten der europäischen Unternehmen nahe an Rekordtiefs liegen; die weisse Linie: EUR STOXX Index, die blaue Linie: EUR Agg Corporate Rendite, Graph: BloombergTV, Apr 8, 2019

Daher überrascht es nicht, dass die Geldmärkte die Erwartungen einer Zinserhöhung zurückschrauben und in diesem Jahr sogar das „Risiko einer Zinssenkung“ einkalkulieren.

Wie besorgt ist aber die EZB, dass ihre ultra-lockere Geldpolitik die Inflationserwartungen nicht erhöht hat?


Eurozone Inflation (CPI): die gelbe Kurve, die Kerninflation (core): die orange Kurve und Inflationserwartungen (gemessen an 5y5y forward inflation swaps): die blaue Kurve, und die Zielinflationsrate: die rote Linie, Graph: Dhara Ranasinghe, Reuters, April 8, 2019


Bemerkenswert ist jedenfalls, dass Draghi selbst im März 2016 ein gestaffeltes Einlagesatz-System ausgeschlossen hatte, um „genau zu signalisieren, dass wir nicht so weit gehen können, wie wir wollen“.

Und genau das macht die hohe Relevanz des jüngsten Gesinnungswandels der EZB in Sachen Zinspolitik aus. 

Wenn ein weiterer Schock zu einer länger anhaltenden Verlangsamung des Wirtschaftswachstums führen würde, könnten Zinssenkungen wieder auf die Tagesordnung zurückkommen, wie PictetWM aus Genf in einer aktuellen Analyse unterstreicht.


EZB's TLTRO-II hat die Kosten der Negativ-Zinsen um 3 Mrd. EUR verringert, Graph: PictetWM, Apr 8, 2019

Ein gestaffeltes Einlagesatz-System nach dem Vorbild der SNB würde die Menge der Bankreserven, die in der Eurozone dem negativen Einlagesatz unterliegen, von 94% auf 40% reduzieren, und damit die Banken um 4Mrd. EUR auf 3.5Mrd. EUR entlasten, rechnen die Ökonomen bei der Schweizer Privatbank in Genf aus.


In Dänemark haben sich die Sparer von Negativ-Zinsen nicht abschrecken lassen. Die Einlagen der Sparer sind trotz der Negativ-Zinsen angestiegen, Graph: Bloomberg, March 2019



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