Dienstag, 25. Dezember 2012

Bond Vigilantes: Fallbeispiel


Es besteht kein Zweifel daran, dass die beliebte Geschichte darüber, wie ein Angriff von Bond Vigilantes einen starken Zinsanstieg verursachen und Amerika zu Griechenland machen würde, vollkommen unschlüssig ist, wie Paul Krugman in seinem Blog in den vergangenen Monaten mehrfach unterstrichen hat.

Es geht nicht nur darum, dass es bisher keine Anzeichen für die Existenz von Bond Vigilantes gegeben hat, sondern auch darum, dass es schwer nachvollzuziehen ist, selbst wenn die Bond Vigilantes einen Angriff starten würden, wie sie eine Rezession in einem Land, welches über seine eigene Währung verfügt und kaum grosse Menge an Schulden in Fremdwährung hat, auslösen können.

Alan Greenspan, der ehemalige Fed-Präsident hat im Juni 2010 in einem Artikel („US Debt and the Greece Analogy“) in WSJ es für „bedauerlich“ erklärt, dass die Bond Vigilantes noch nicht angegriffen hätten. Aber Greenspan hat widerwillig eingeräumt, dass die niedrigen Zinsen „bis ins nächste Jahr“ anhalten dürften. Gemeint war das Jahr 2011. So, was hat Greenspan aus seiner gescheiterten Prophezeiung inzwischen gelernt? Natürlich nichts, wie der an der University of Princeton lehrende Wirtschaftsprofessor betont.

Vor diesem Hintergrund unternimmt Krugman in seinem Blog einen weiteren Versuch, der Leserschaft zu helfen, die Schwankungen der Zinsen zu verstehen, und zwar anhand des Beispiels einer vereinfachten Welt, wo es drei Arten von Vermögenswerten gibt: (1) kurzfristige Wertpapiere, (2) langfristige Staatsanleihen und (3) ausländische Anleihen.

Eine vereinfachte Welt mit drei Arten von Vermögenswerten, Graph: Prof. Paul Krugman

Einzelne Investoren können nun mit diesen drei Anlagen ihre Portfolios umschichten. Die Preise von Anlagen fallen und steigen, wie Angebot und Nachfrage sich für die einzelnen Anlagen entwickeln. Was sind diese Anlagepreise? Es gibt drei Preise, die in Frage kommen: (a) kurzfristige Zinsen, (b) langfristige Zinsen und (c) der Wechselkurs. Zu einem bestimmten Zeitpunkt ist einer davon fest. Und die anderen zwei schwanken frei. Welche zwei? Es hängt von der Geldpolitik ab.

Die USA haben eine unabhängige Geldpolitik und der Wechselkurs schwankt frei. Die Fed setzt gestützt auf ihre Unabhängigkeit die kurzfristigen Zinsen, die heute im Grunde genommen auf der Null-Grenze liegen. Das heisst, dass die langfristigen Zinsen und der Wechselkurs sich anpassen können.

Nun, es gab in den vergangenen Jahren einige beträchtliche Schwankungen, was die langfristigen Zinsen betrifft. Und jedes Mal, als die Zinsen stiegen, gab es Berichte über die angebliche Angst vor Verschuldung. In Wirklichkeit ist es jedoch ganz klar, dass die treibende Kraft hinter dem Anstieg der Zinsen der schwankende Optimismus in Bezug auf die Aussichten für die Erholung der Wirtschaft ist, was zugleich einen eventuellen Anstieg der kurzfristigen Zinsen erklärt, hält Krugman fest.

Wenn man davon ausgeht, dass die kurzfristigen Zinsen steigen, dann würden die Anleihen, wenn alles andere gleich bleibt, weniger attraktiv. Es wäre daher besser, das Geld zu parken und zuzuwarten, bis die Renditen wieder attraktiv werden. Die Umschichtung des Portfolios würde wie folgt aussehen:


Eine vereinfachte Welt mit drei Arten von Vermögenswerten, Graph: Prof. Paul Krugman

In einem solchen Fall steigen die langfristigen Zinsen, aber weil der Anstieg durch den wachsenden Optimismus im Hinblick auf die Zukunft angetrieben wird, ist es schwer, zu sehen, wie es eine kontraproduktive Auswirkung auf die Wirtschaft entfalten kann.

Im Übrigen scheint die Argumentation von Krugman mit der von Brad DeLong im Widerspruch zu stehen. DeLong hat nämlich kürzlich in seinem Blog argumentiert, dass der grosse Abstand zwischen den kurz- und langfristigen Zinssätzen in den frühen 1990er Jahren die Markterwartungen widerspiegelten, dass das Haushaltsdefizit höhere Inflation zur Folge hätte, was wiederum die Fed veranlassen würde, die Zinsen zu erhöhen. Das mag schon zutreffen, bemerkt Krugman dazu. Sollen aber solche Erwartungen einen Hemmschuh für die Wirtschaft darstellen? Die nominalen Zinsen würden höher tendieren als sonst. Aber die realen Zinsen würden tiefer liegen. Es ist deshalb nicht einfach, eine eindeutige Geschichte zu erzählen, wo die Auswirkungen eines in Zukunft erwarteten Haushaltsdefizits auf die Zinsen von heute kontraktiv sein sollen.

Die Angst ist aber heute ganz anders geprägt: Die Bond Vigilantes würden wegen der Gefahr der Zahlungsunfähigkeit (default) angreifen. Es käme zu einer allgemeinen Flucht aus Staatsanleihen wie in der Abbildung dargestellt wird:

Eine vereinfachte Welt mit drei Arten von Vermögenswerten, Graph: Prof. Paul Krugman


Wie kommt es zum Tragen?

Zum Beispiel im Fall von Griechenland, wo der Wechselkurs fest ist oder nicht existiert, weil man nicht über die eigene Währung verfügt. Was dann passiert, ist, dass sowohl die kurz- als auch die langfristigen Zinsen steigen. Wie können aber die kurzfristigen Zinsen kräftig zulegen, wenn es eine Beziehung zwischen dem Geldangebot und den kurzfristigen Zinsen gibt? Das ist der Grund, warum die Zentralbanken die kurzfristigen Zinsen festlegen. Die Antwort ist, dass das Geldangebot zusammenbricht, weil das Geld das Land fluchtartig verlässt. So sieht die M1 (Geldaggregat) Griechenlands aus:


Griechenland M1, Graph: Prof. Paul Krugman Daten: Bank of Greece

Das kann aber in den USA nicht passieren, wo die Fed das Geldangebot und die kurzfristigen Zinsen unter Kontrolle hält. Was würde aber stattdessen geschehen? Der Wechselkurs würde kräftig abstürzen. Und das hätte, wie Krugman zu Recht hervorhebt, eine expansive Wirkung auf die US-Wirtschaft.

Fazit: Die Analogie mit Griechenland versagt einfach kläglich. Der Unterschied ist, dass es, auch wenn die Bond Vigilantes angreifen würden, die Wirtschaft auf kurze Sicht wahrscheinlich ankurbeln würde.

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