Donnerstag, 8. Oktober 2020

COVID-19: Haushaltsdefizit ist ein Ergebnis, kein Selbstzweck

Die Alarmglocken läuten: Die Verschuldung steigt an. 

Warum? Weil der öffentliche Sektor Kredit aufnimmt, um die Krise, die durch die Coronavirus Pandemie ausgelöst wurde, zu bekämpfen.

Es ist im Grunde genommen eine „monetäre Brücke“ über den Corona-Abgrund, die vom Staat gebaut wird, wie Friederike Spiecker im Blog Makroskop beschreibt. 

Doch die FAZ-Wirtschaft schert sich nicht darum, dass sie mit absoluten Zahlen zu Staatsverschuldung die Leserschaft verwirrt.

Die Ausgaben des öffentlichen stiegen im 1. Halbjahr 2020 um 8,6 % gegenüber dem 1. Halbjahr 2019 auf 797,8 Milliarden EUR, meldet Destatis.

Die Einnahmen gingen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum erstmals seit 2012 zurück, und zwar um 4,8 % auf 709,4 Milliarden EUR. 

Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) weiter mitteilt, errechnet sich hieraus für das 1. Halbjahr 2020 ein kassenmäßiges Finanzierungsdefizit – in Abgrenzung der Finanzstatistiken – von 89,8 Milliarden Euro.




Finanzierungssalden nach Ebenen; öffentlicher Gesamthaushalt in Mrd. EUR, Graph: Destatis, Oct 07, 2020 


Donnerstag, 1. Oktober 2020

COVID-19 Stress: Yen und Carry-Trades

Einer Studie von Nordea nach ging seit 1997 ein Rückgang des S&P 500 Index um 5% in 76% der Fälle mit einer Aufwertung der japanischen Landeswährung (JPY) einher.

Und dieser Trend hält seit mehr als zwei Jahrzehnten an.

Wir können daher davon ausgehen, dass es eine inverse (90-Tage) Korrelation zwischen dem Yen und dem S&P 500 Index gibt. Fällt der Index, steigt der JPY, und umgekehrt.

Der Yen gehört zu den Währungen (wie CHF, EUR und USD) an, die in Stress-Situationen an den Finanzmärkten am meisten gefragt sind.

Doch seitdem Pandemie-Schock (Mitte März 2020) scheint die Korrelation des Yen mit den Aktien nicht mehr zu halten.

Das Ansehen des Yen rührt von Japans Auslandsvermögen her, das mit 3,5 Billionen USD die weltweit grösste internationale Investitionsposition darstellt, wie Reuters unterstreicht. 



Das spekulative Carry-Trade Geschäft mit Yen nimmt seit dem Ausbruch der Coronavirus-Pandemie ab, Graph: Reuters, Sept 29, 2020


Sonntag, 27. September 2020

Europas Problem mit Inflation und Ursachen

Die Mainstream-Ökonomen, treu der Fiscal-Austerity Doktrin, warnen seit den turbulenten Zeiten der GFC, globalen Finanzkrise von 2008-2009 unumwunden vor einer ausufernden Inflation

Obwohl sie damit völlig falsch liegen, malen sie weiter den Teufel an die Wand, dass die Inflation durch die Decke schiesst. Die aktuelle Begründung: Die Staaten geben nun mit dem Ausbruch der Corona-Virus Krise von März 2020 viel Geld aus, um der Wirtschaft auf die Beine zu helfen.

Je lauter der Ruf nach Inflation wird, desto tiefer fällt aber die Inflation.

Die Eurozone ist im vergangenen Monat zum ersten Mal seit vier Jahren in die Deflation, mit einem unter den Erwartungen liegenden Wert von minus 0,2% gerutscht.

Wenn das alte Muster zwischen Lohnwachstum und Inflation bestehen bleibt, könnte die EZB Anfang 2021 eine harte Zeit vor sich haben. Es ist möglich, eine Last von Schulden zu bewältigen, aber nicht in einem gänzlich deflationären Umfeld, bemerkt das Team Nordea Research am Wochenende. Völlig richtig.


Die Eurozone in einem deflationären Umfeld, Graph: Nordea Research, Sept 25, 2020

Mittwoch, 16. September 2020

Deflation als Vermächtnis der Sparpolitik der Eurozone

Das neue Inflation-Konzept, kurz AIT (average inflation targeting), der Fed ist in aller Munde. Manche Volkswirte bezeichnen es „vage“, während andere Marktbeobachter vorerst etwas abwarten wollen, bis die Fed weitere Einzelheiten vorlegt.

Was die US-Notenbank damit anstrebt, ist klar; Inflation, und zwar mehr Inflation, höher als 2 Prozent.

Niemand aber scheint zu glauben, dass eine Rückkehr der Inflation unmittelbar bevorsteht. 

Die Inflationserwartungen, gemessen an Breakeven-Sätzen, sind zwar seit dem starken Einbruch zu Beginn der Covid-19-Krise wieder angestiegen. Aber die Fed verfehlt das eigene Ziel seit 2008. Der Zielwert wird deutlich unterboten, was im Grunde genommen auch im Euroraum der Fall ist. Die EZB unterläuft das von ihr anvisierte Inflationsziel seit mehreren Jahren.

Deutschland beispielsweise wird nach wie vor als deflationsgefährdet angesehen, wie John Authers in seiner Kolumne bei Bloomberg hervorhebt.

Die Spatzen pfeifen es von den Dächern: Die deflationäre Verzerrung in der Eurozone ist ein Ergebnis der lang-anhaltenden doktrinären Sparpolitik (fiscal austerity) inklusive Lohnzurückhaltung.

Die Umsetzung von Sparmaßnahmen in geschwächten Volkswirtschaften, wenn der Privatsektor nicht willens (oder nicht in der Lage ist), die Nettoersparnisse zu reduzieren, wirkt sich unweigerlich auf das Wirtschaftswachstum aus.


Der von der Fed bevorzugte Mass für die Inflation; der PCE-Kerndeflator, Graph: John Authers, Bloomberg, Sept 15, 2020.

Sonntag, 13. September 2020

Staatsausgaben erhöhen Staatseinnahmen

Die europäische Wirtschaft leidet im Grunde genommen heute noch an den Folgen der GFC (Global Financial Crisis) von 2008-2009. 

Denn das wirtschaftliche Umfeld der Eurozone wird weiterhin durch das träge Wachstum, die unerträgliche Unterbeschäftigung und hohe Einkommensverluste gekennzeichnet. 

Die europäische Krise, die durch eine übermässige Verschuldung und wilde Spekulationen im privaten Sektor ausgelöst wurde, wurde von den EU-Behörden als Staatsschuldenkrise umgedeutet und von den Mainstream-Medien sorglos begleitet. 

Die Tatsache ist, dass die Staaten die privaten Schuldner gerettet (bail-out) haben. Auch heute sind die Staaten auf den Plan gerufen. 

Doch das Narrative, das die Staatsausgaben mit „Sozialismus“ gleichsetzt, ist so überwältigend, dass die Regierungen es vorziehen, die Wirtschaft in Form von Zuschüssen (cash grants) an Privatpersonen anzukurbeln, anstatt durch direkte Staatsausgaben.

Wenn Menschen zögern, das Geld auszugeben, helfen Steuersenkungen kaum, die Beschäftigung zu stützen. Selbst negative Zinsen können Unternehmen nicht animieren, Kredit aufzunehmen, wenn die Absatzaussichten schwach sind. 


Der US-Notenbank gelingt es seit 2008 nicht, das eigene Inflationsziel zu erfüllen, Graph: Bloomberg, Sept 13, 2020 

Donnerstag, 3. September 2020

Fed’s neue Rahmenhandlung und Arbeitsmarkt

Es ist derzeit schwer, sich der aktuellen Debatte über Fed’s neue Rahmenhandlung zu entziehen.

Schliesslich handelt es sich dabei um den Beginn einer neuen Ära der Geldpolitik der amerikanischen Notenbank.

Mit dem neuen Ansatz „average inflation targeting“ (AIT) unterstreicht die Fed die Bereitschaft, zuzulassen, dass die Inflation das angepeilte Ziel von 2% einige Jahre überschiessen kann, falls die Teuerungsrate davor unterhalb des Zielwertes verlief.  

Es ist unter Ökonomen mittlerweile vorwiegend unumstritten, dass das Verfehlen des Inflationsziels ein Problem ist. Alle wissen, dass die Inflation in den letzten Jahren weitgehend unter dem 2%-Ziel lag. Und die Fed kündigt jetzt an, dass sie heftigere Inflationsphasen tolerieren will.

Mit dem neuen Ansatz bemüht sich die Fed, Fehler zu vermeiden, vor allem was die Auswirkungen in Bezug auf den Arbeitsmarkt betrifft.

Zur Erinnerung: Die Fed hat die Leitzinsen zwischen 2015 (17. Dezember) und 2018 (20. Dezember) insgesamt 8x angehoben.

Die Folge der Zinserhöhungen war, dass die Erholung des Arbeitsmarktes gedrosselt wurde. Die Notenbank wollte eine Inflation unterbinden, die gar nicht existiert hat.



Fed’s Inflationsziel (rote Linie) und die tatsächliche Inflation (blaue Balken), Graph: Bloomberg, Aug 2020

Dienstag, 1. September 2020

Der begrenzte Planet

Buchbesprechung:

Heiner Flassbeck: Der begrenzte Planet und die unbegrenzte Wirtschaft – Lassen sich Ökonomie und Ökologie versöhnen, Westend Verlag, Frankfurt, August 2020

Es ist ein offenes Geheimnis, dass die gegenwärtige Art des Wirtschaftens so viele natürliche Ressourcen verbraucht, dass sie das Überleben der Menschheit infrage stellt.

Die fossilen Rohstoffe sind in realer Rechnung so billig (zum Vergleich: wie Anfang der 1970er Jahre), dass sie weiterhin gefördert werden. Und solange die Regierungen glauben, dadurch die wirtschaftlichen Möglichkeiten ausloten zu können, werden weiterhin Öl, Kohle und Gas aus der Erde geholt.

Es ist daher die grosse Aufgabe, eine ganz andere Wirtschaftsordnung zu entwerfen, die funktionsfähig und für die Umwelt weniger schädlich ist.

Die Welt, d.h. die Staatengemeinschaft braucht eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik, um die wirtschaftliche Entwicklung und CO2-Emissionen zu entknüpfen, erklärt Heiner Flassbeck in seinem neuen Buch.

Und das bedeutet Strukturwandel.

Der Strukturwandel ist aber von der Bevölkerung nur akzeptiert, wenn er 1) nicht zu schnell verläuft, 2) wirklich gewährleistet ist und 3) die finanziellen Kosten gerecht verteilt werden.