Donnerstag, 25. Februar 2021

Warnung vor Inflation und mehr

Die FAZ warnt vor der Gefahr der Inflation. In der Tat ist die Geldwertstabilität wieder zu einem Thema geworden. 

Auslöser ist die expansive Fiskalpolitik, die im Angesicht einer heftigen Pandemie auf beiden Seiten des Atlantiks abwechslungsreich an den Tag gelegt wird.

Als «Schwarzmaler» fallen auf: Larry Summers, der ehemalige US-Finanzminister, Olivier Blanchard, der ehemalige Chefökonom von IWF und Martin Wolf, Chefkommentator für Wirtschaft bei der Financial Times, um einige prominente Persönlichkeiten zu nennen. 

Bemerkenswert ist aber, dass es sich dabei nicht um gewöhnliche „deficit-hawks“ handelt. Die erwähnten Herrschaften mit Hang zu wirtschaftspolitischen Massnahmen a la Keynes unterstützen sonst i.d.R. Stimulus-Pakete. Aber sie vertreten heute die Ansicht, dass aufgrund der Grössenordnung der geplanten Aktionen eine Überhitzung der Wirtschaft drohe. Und damit ein Anstieg der Inflation.

Zur Erinnerung: In den USA stellt die neue Joe Biden Administration Hilfen im Umfang von 1‘900 Mrd. USD in Aussicht, was 9% des BIP entspricht. Die entsprechende Summe in der Eurozone beläuft sich auf 420 Mrd. EUR, wenn wir die automatic stabilizers nicht mitrechnen.



US-Arbeitslosenquote und Erwerbsquote, Graph: Lael Brainard, seit 2014 Federal Reserve Board Mitglied, Febr 24, 2021


Fed-Vorsitzende Jerome Powell hat am Mittwoch vor dem Bankenausschuss des amerikanischen Senats gesagt, dass die von der Fed prognostizierte Inflation bis 2023 bei oder unter dem 2%-Ziel bleiben werde.

Damit hat der Chef der US-Notenbank versucht, die Inflationssorgen zu zerstreuen.



COVID-19 wirtschaftspolitische Unterstützung im grossen Umfang half, die Beschäftigungsverluste zu reduzieren, Graph: Kristalina Georgieva, IMF, Febr 25, 2021 


In der Tat sind Angebotsunterbrechungen («cost-push» Inflation) größtenteils eine Folge der Pandemie und dürften nur ein vorübergehendes Phänomen sein. 

Die Produktionslückenoutput-gap») werden vorerst negativ bleiben, insbesondere im Dienstleistungssektor, und begrenzen daher den Spielraum für eine nachfragegetriebene Inflation («demand-pull» Inflation).

Die Zentralbanker sind deswegen weniger besorgt über die angebotsseitig getriebene Inflation, als wenn sie eine Erholung der Gesamtnachfrage widerspiegeln würde.



Beschäftigungskostenindex (ECI) für die Gesamtvergütung der Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft, Graph: Lael Brainard, Fed, Febr 24, 2021


Kristalina Georgieva unterstreicht inzwischen in einem lesenswerten Beitrag auf dem IWF-Blog die Vorzüge eines möglichst umfangreichen Konjunkturpakets. 

Die Vorsitzende und geschäftsführende Direktorin des Internationalen Währungsfonds (IWF) sagt, dass die Industrieländer 2020 im Durchschnitt 24% des BIP für fiskalische Maßnahmen einsetzen, verglichen mit nur 6% in den Schwellenländern und weniger als 2% in Ländern mit niedrigem Einkommen. 

Und die Zahlen zeigen, wie eine größere Krisenunterstützung oft mit einem geringeren Verlust an Beschäftigung einhergegangen ist.



US-Teilzeitbeschäftigung, Graph: Lael Brainard, Fed, Febr 24, 2021


Auf der anderen Seite hat Lael Brainard, Federal Reserve Board Mitglied, am Dienstag im Rahmen eines Vortrags an der Harvard University betont, dass die US-Arbeitsmarktflaute noch anhält. Tatsächlich beträgt die Unterbeschäftigung in den USA zurzeit sage und schreibe 11,6%

Der Teilzeit-Indikator ist ein wichtiges Maß für die Arbeitsmarktengpässe. Heute arbeiten 6 Mio. Menschen in Teilzeit in den USA, die eine Vollzeitbeschäftigung bevorzugen würden. Das ist ein Anstieg um 1,6 Mio. im Vergleich zum Niveau vor der Zeit von COVID-19.


Produktionslücke (output gap) im Vergleich: US vs Eurozone, Graph: Bloomberg Quint, Febr 26, 2021


Die einflussreiche Fed-Direktorin hat zudem darauf hingewiesen, dass die Wachstumsrate des ECI (Beschäftigungskostenindex) das Niveau von vor 2008 noch nicht erreicht hat. Die Rede ist im Grunde genommen von einem gedrückten Lohnniveau, mit negativen Auswirkungen auf das Konsumverhalten der privaten Haushalte.

Fazit: Die Kosten der hohen Arbeitslosigkeit sind sicherlich größer als die Kosten der Inflation. Die Unsicherheit über die Produktionslücke («output gap») sollte daher nicht als Rechtfertigung für ein zaghaft gestaltetes Konjunkturpaket während einer schweren Pandemie verwendet werden.

Das Gebot der Stunde ist: groß handeln (go big), reale Ressourcen kaufen und Vollbeschäftigung fördern. Die Situation kann mit einem überschießenden Paket ohne Zweifel besser angegangen werden als sonst.

Die sogenannte Produktionslücke (output gap) mag der Schlüsselindikator für das Problem sein. Dieses Maß für das ungenutzte Wirtschaftspotenzial ist aber schwer genau zu messen. 

Dennoch wird allgemein angenommen, dass es in der EU derzeit größer ist als in den USA. Das bedeutet, dass Europa mehr, nicht weniger, tun sollte, um seine Wirtschaft anzukurbeln. Der Internationale Währungsfonds schätzt die Produktionslücke in den USA auf 3,2% des Bruttoinlandsprodukts im Jahr 2020, in der Eurozone auf 5,1%.

Warnungen vor Inflation in einer schwer angeschlagenen Wirtschaft sind daher nicht vorteilhaft. Der merkwürdige Konsens unter der herrschenden Wirtschaftstheorie, das Haushaltsdefizit als ein viel wichtigeres Problem als die Massenarbeitslosigkeit zu betrachten, gehört einfach abgeschafft.



Produktionslücke vs. Stimulus-Pakets im Vergleich USA und Eurozone, Graph: Erik Fossing Nielsen, Uni Credit, Februar 2021



Keine Kommentare: