Donnerstag, 26. Dezember 2019

Spoiler Alert: 2020 ist keine Zinserhöhung zu erwarten

Die „Schwarze Null“ ist nicht mal für Deutschland gut; sie verhindert Investitionen in die Zukunft, sagt Paul Krugman in einem aktuellen Interview mit der Tagesschau von ARD.

Gemeint sind vor allem Investitionen in die Infrastruktur, Bildung und Ernährung von Kindern.

Und wie sollen wir das bezahlen? Die Antwort lautet: gar nicht. Es ist in Ordnung, Schulden aufzunehmen, wenn es der Gesellschaft in der Zukunft grosse Gewinne bringt, erklärt der 2008 mit dem Wirtschaftsnobelpreis ausgezeichnete Wirtschaftsprofessor aus den USA.

Es ist ein der Tat in offenes Geheimnis, dass die öffentliche Hand zu wenig investiert. 

Deutschland kann grosse Schulden haben, ohne in finanzielle Probleme zu bekommen, betont der im Graduate Center der City University von New York forschende Ökonom weiter.

Verantwortlich dafür ist die Politik der Fiscal Austerity im Euroraum, die von Berlin und Brüssel angeordnet (*) wurde.


Finanzierungssalden der Wirtschaftssektoren in Deutschland. Nur der Sektor Ausland verschuldet sich, um deutsche Güter zu kaufen. Sonst sparen in Deutschland alle Sektoren: private Haushalte, Unternehmen und die öffentliche Hand, Graph: Heiner Flassbeck, Makroskop, 2019


Die deutschen Unternehmen (netto-Sparer) schliessen die Nachfragelücke, die von Ersparnissen Jahr für Jahr geschaffen wird, seit fast zwei Jahrzehnten nicht mehr, hebt Heiner Flassbeck in einem lesenswerten Beitrag im Blog Makroskop hervor.

Und Wolfgang Münchau unterstreicht in seiner Kolumne bei FT, dass das, was das Bild des Niedergangs des politischen Zentrums in Europe zeichnet, nicht der Anstieg des Populismus ist, sondern die Austeritätspolitik.




Die US-Notenbank will die Zinsen im Jahr 2020 unverändert halten. Die Fed bemüht sich, weiterhin Liquidität in den Markt zu pumpen, zuletzt via Repo-Geschäfte, sodass die Bilanzsumme der amerikanischen Zentralbank in den vergangenen 13 Wochen um 400Mrd. USD angeschwollen ist, Graph: Morgan Stanley, Dec 16, 2019

Nach Daten von Bloomberg Economics ist auch im nächsten Jahr keine Zinserhöhung durch die führenden Zentralbanken zu erwarten.

Das heisst, dass die gesamte entwickelte Welt weiterhin zu geringen (zum Teil negativen) Zinsen Geld leihen kann.


Anleihe-Traders wetten darauf, dass die niedrige Inflation auch im Jahr 2020 bestehen bleibt, Graph: LJKawa Bloomberg, Dec 20, 2019


Dass die EZB ständig zum Sündenbock gemacht wird, ist inzwischen bekannt. Doch JP Morgan hat neulich vor diesem Hintergrund das Argument verworfen, dass ohne die niedrigen Zinsen zahlreiche Unternehmen in der Eurozone schon pleite gegangen wären.

Es gibt heute keine Anzeichen dafür, dass die Menschen auf Bargeld umsteigen oder die Sparquote signifikant ansteigt, was darauf hindeuten würde, dass die Massnahme ins Hintertreffen gerät.

Die geringere Rentabilitätszahlen der Banken oder „Zombie-Unternehmen“ können nicht einfach auf Nullsätze zurückgeführt werden, erklärt Greg Fuzesi von JPMorgan.


Bloomberg Economics überprüft vierteljährlich 23 der wichtigsten Zentralbanken, die die Geldpolitik für fast 90% der Weltwirtschaft zusammenlegen, Graph: Bloomberg, Dec 23, 2019 


Wenn die Wirtschaft an die Vollbeschäftigung näher herankäme, müssten wir ein schnelleres Wachstum bei den Löhnen beobachten, ohne nachteilige Konsequenzen. Die Arbeitslosigkeit kann uns daher weiter nach unten überraschen. Zur Erinnerung: Es geht um anständige Jobs, die gut bezahlt sind. 




(*) Einige der austeritätspolitischen Massnahmen, die von den einzelnen Mitgliedsländern in der Eurozone in Angriff genommen wurden, aufgelistet von Wolfgang Münchau:

2009: Peer Steinbrück hat in Deutschland die Schuldenbremse im Grundgesetz verankert.

2012: Italien hat inmitten einer Rezession eine pro-zyklische Sparpolitik verhängt.

2014: François Hollande, der frühere französische Präsident hat das Say’sche Gesetz in die Fahne geschrieben, wonach das Angebot die Nachfrage schaffe.

2015: Grossbritannien vor dem bevorstehenden Brexit-Referendum. Argumente der pro-Stay Anhänger.

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