Mittwoch, 27. November 2013

Staatsfonds für Deutschland? Keine gute Idee

Daniel Gros und Thomas Mayer schlagen in einem neulich in der FAZ veröffentlichten ordo-liberal durchtränkten Artikel („Ein Vermögensbildungsfonds für Deutschland“) vor, mit den Überschüssen aus der Leistungsbilanz einen Staatsfonds in Deutschland zu errichten.

Die Idee mag auf den ersten Blick attraktiv erscheinen. Aber sie hilft nicht, die seit langem bestehenden Ungleichgewichte im Euro-Raum zu bekämpfen, geschweige denn den gegenwärtigen Kurs der Geldpolitik der EZB zu erleichtern.

Genaugenommen stützen sich die Autoren auf das Interbankenzahlungssystem Target 2 ab, wonach Deutschland 561 Mrd. EUR an die EZB zur Weiterleitung an die Defizitländer verliehen hat. Die mit deutscher Staatsgarantie vergebenen Kredite seien der Natur nach ein Staatsfonds, behaupten die Autoren.

Das Hauptmotiv der Autoren ist jedoch, „die deutschen Sparer vor der schleichenden Enteignung durch Inflation zu schützen“, obwohl sie selber das Faktum ansprechen, dass die Deflation derzeit eine grössere Gefahr darstellt als die Inflation. Es ist also die alte Leier.

Gros und Mayer hatten bereits im Sommer 2012 in einem Artikel („Eurozone needs a German sovereign wealth fund“) in FT hervorgehoben, dass der deutsche Staatsfonds den Sparern als ein sicheres Medium einen positiven Realzins garantieren kann, mit der Möglichkeit, die Kapitalerträge wiederanzulegen.

Die EZB biete deutschen Banken einen Nominalzins von Null, was laut Autoren eine negative Rendite für deutsche Sparer bedeute. Ausserdem bietet die EZB deutschen Sparern keine langfristige Anlagemöglichkeit an, unterstreichen die Autoren mit Nachdruck, als ob die EZB allein für die niedrigen Zinsen verantwortlich wäre. 

Die zero lower bound ist mittlerweile seit beinahe fünf Jahren die Situation, in der die grössten Volkswirtschaften stecken. Die Leitzinsen der führenden Notenbanken sehen wie folgt aus. Fed: 0-0,25%, EZB: 0,25%, BoJ: 0-0,10%, SNB: 0-0,25%, BoE: 0,50%



Arbeitslosigkeit und Entlohnung in Europa, Graph: Prof. Heiner Flassbeck in flassbeckeconomics


Die Autoren erwecken unrealistisch hohe Erwartungen. Vor allem der Eindruck, den sie hinterlassen, als ob die deutschen Sparer ein Anrecht auf hohe positive Verzinsung hätten, ist absurd. Die niedrigen Zinsen sind eine Folge der ökonomischen und finanziellen Umstände bzw. eine Folge der vom Privatsektor ausgelösten schweren Finanzkrise mit fatalen Auswirkungen auf Millionen von unbeteiligten Menschen. Niemand hindert die deutschen Banken daran, für deutsche Sparer Anleihen mit hohen Zinsen zu offerieren.

Gros und Mayer deuten als Vorbild auf die Staatsfonds (SWF: Sovereign Wealth Funds) von Norwegen und Singapur hin. Der Staatsfonds Norwegens investiert aber überall auf der Welt, nur im eigenen Land nicht, um Verzerrungen in den Geld- und Kapitalmärkten im Inland vorzubeugen.

Die aus dem Aussenhandel eingenommenen Mittel soll der Fonds langfristige in Beteiligungen an Unternehmen und öffentlicher Infrastruktur im In- und Ausland anlegen, so die Autoren weiter.

Investitionen im Ausland unterliegen aber einem Wechselkursrisiko, unabhängig davon, ob Staatsanleihen, Aktien oder Immobilien gekauft werden sollen. Ausserdem müssten die Märkte, wo der deutsche Staatsfonds Investitionen tätigen will, über ausreichend hohe Liquidität verfügen.

Strategische Beteiligungen an Projekten im Ausland erfordern im Vorfeld Verhandlungen auf staatlicher Ebene. Wenn der Staatsfonds Deutschlands zugleich auch im Ausland anlegen soll, dann stellt sich unmittelbar die Frage des Interessenkonflikts. Wie kann der deutsche Staatsfonds ohne weiteres in ausländische Unternehmen investieren, die möglicherweise mit deutschen Unternehmen in direkter Konkurrenz stehen?

Der Leistungsbilanz Deutschlands belief sich 2012 auf 180 Mrd. EUR (rund 7% des BIP).  Eine störungsfreie Umschichtung solcher Beträge ist in den Märkten selten gewährleistet.

Der enorme Überschuss in der deutschen Leistungsbilanz ist der Ausdruck der makroökonomischen Ungleichgewichte in der Währungsunion, als Folge der moderaten Lohnpolitik Berlins. Die Bewirtschaftung der Devisen in einem Staatsfonds schafft daher keine Abhilfe, die Ungleichgewichte abzubauen. Die Autoren scheinen Wert darauf zu legen, mit dem Überschuss eher eine Anlagepolitik zu betreiben, was die führenden Banken erfreuen würde, die aufgrund der potenziellen Transaktionen in mehreren Millionen Höhe händeringend Courtage kassieren dürften.

Die Staatsfonds legen nicht in erster Linie die Liquidität einfach diversifiziert an, sondern sie streben eine hohe Rendite an. Der Ertrag als Kriterium der Anlagepolitik des deutschen Staatsfonds würde bedeuten, dass Deutschland mit Überschüssen aus Ungleichgewichten im Aussenhandel noch mehr Überschüsse erwirtschaftet.

Der Staatsfonds ist nicht der Weg, der konjunkturellen Entwicklung Rechnung zu tragen. Die Gründung eines Staatsfonds fördert die Geldpolitik nicht, die Folgen der Euro-Krise zu mildern. Nur die Bereitschaft der EZB, als lender of last resort zu agieren, ist entscheidend. 

Fakt ist, dass Deutschland nicht über die Qualität, sondern über den Preis konkurriert. Sonst wären die Löhne nicht so niedrig. Würden die Gehälter im öffentlichen Sektor erhöht, würde der private Konsum angekurbelt und Investitionen von Unternehmen wiederbelebt. 

Es geht beim Vorschlag von Gros und Mayer nicht darum „weniger Markt, mehr Staat“, wie das Wort „Staat“ im Vermögensbildungsfonds suggerieren mag. Ganz im Gegenteil. Die Autoren beschuldigen den öffentlichen Sektor, die Ersparnisse der Bürger nicht effizient anzulegen. Deutschland braucht Wachstumsstrategie, mit Löhnen, die nicht hinter Produktivitätszuwächsen zurückbleiben. Es besteht kein Bedarf für einen Staatsfonds.

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