Samstag, 23. Mai 2020

Gehen Staaten wegen COVID19-Krise pleite?


Chris Giles schreibt bei FT, dass Grossbritanniens Staatsverschuldung als Anteil am Nationaleinkommen (BIP) innerhalb eines Monats auf den höchsten Stand seit 1963 geklettert ist

Zur Erinnerung: Der Grund für den Anstieg der öffentlichen Verschuldung ist das Massnahmenpaket, das die britische Regierung geschnürt hat, um die fatalen Folgen der COVID19-Krise abzufedern, für die Menschen und die Wirtschaft.

Die Krise sei schrecklich für die Gesundheit und den Wohlstand der Nation, so Giles weiter.

Das ist aber, bei allem Respekt, furchtbar falsch. 

Denn auf der aggregierten Ebene gleichen die Ausgaben den Einnahmen, und umgekehrt.

Wenn wir die Wirtschaft in drei Sektoren aufteilen, den öffentlichen Sektor, den privaten Sektor (Unternehmen und private Haushalte) und den Aussenhandel, dann wird es klar ersichtlich, dass dem Defizit eines Sektors ein Überschuss des anderen Sektors gegenüberstehen muss. 

Das ist eine buchhalterische Identität. (*)


Staatsverschuldung Grossbritanniens im Verhältnis zum BIP, Graph: Chris Giles, FT, May 22, 2020


Ferner: Die Verbindlichkeit (liability) des öffentlichen Sektors ist das Vermögen (assets) des privaten Sektors.

Das öffentliche Defizit ist nämlich kein Selbstzweck, sondern ein Ergebnis. Haushaltsdefizite sind zu meist endogen:

Die Ursache des ansteigenden Defizits des öffentlichen Sektors ist die Konsequenz der Schwäche in der Realwirtschaft. 


Sektorale Finanzierungssalden der US-Wirtschaft, Graph: Prof. Stephanie Kelton, Stony Brook University and Autorin des bevorstehenden Buches („The Deficit Myth“)

Wir sehen in der Abbildung, dass der private Sektor einen Überschuss (blau) hat, wenn der öffentliche Sektor ein Defizit (rot) aufweist, fast spiegelbildlich. 

Während der Bill Clinton Ära hatten die USA einen Haushaltsüberschuss erwirtschaftet. Der Privatsektor hatte zudem Zeitpunkt ein Defizit im Saldo.


Was für den Wohlstand der Bürger nützlich ist, nicht ein ausgeglichener Haushalt, sondern eine ausgeglichene Wirtschaft. 

Eric Lonergan trifft auf Twitter den Nagel auf den Kopf: Die konventionelle (gemeint ist die neo-klassische) „Analyse“ der Schulden des öffentlichen Sektors schadet unserem kollektiven Vermögen weit mehr als die Schulden selbst. 



(*) Wir lassen den Aussenhandel hier einfachheitshalber unberücksichtigt. Es ändert sich aber am Ergebnis praktisch nichts. 

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