Mittwoch, 30. November 2011

Muss Italien umschulden?

Es wird immer deutlicher, dass Italiens Staatsschulden nicht nachhaltig sind und es einer geordneten Umstrukturierung bedarf, einen Zahlungsausfall (default) abzuwenden, schreibt Nouriel Roubini in einem lesenswerten Kommentar („Time to act – Italy must restructure its debt“) in FT.

Die Eurozone will den Privatsektor aus der Gestaltung des neuen Europäischen Stabilitätsmechanismus ausschliessen. Das ist  dickköpfig und entbehrt jeder Glaubwürdigkeit, hebt der an der Stern School of Business der New York University lehrende Wirtschaftsprofessor hervor.

Angesichts der öffentlichen Verschuldung von 120% des BIP, der Realzinsen von rund 5% und des Null-Wachstums müsste Italien einen Primärüberschuss von 5% des BIP vorlegen, um seine Schulden zu stabilisieren. Bald dürften die Realzinsen höher liegen und das Wachstum sich ins Negative drehen. Die rigorosen Sparmassnahmen (fiscal austerity), die die EZB und Deutschland Italien auferlegen, wird die Rezession in eine Depression verwandeln, ist Roubini überzeugt.

Zentralbanken kündigen koordinierte Massnahmen an

Die Bank of Canada, die Bank of England, die Bank of Japan, die EZB, die Fed und die SNB gaben heute gemeinsame Massnahmen bekannt, um dem globalen Finanzsystem Liquidität zuzuführen.

Das Ziel ist, die Anspannungen an den Finanzmärkten abzubauen und auf diese Weise die negativen Folgen auf die Kreditversorgung der Haushalte und Unternehmen zu unterbinden und das Wirtschaftswachstum zu stützen.

Die genannten Zentralbanken haben sich laut SNB geeinigt, die Zinssätze für die bestehenden, befristeten Liquiditäts-Swap-Abkommen in US-Dollar um 50 Basispunkte (d.h. 0,5%) zu senken, womit der neu geltende Zinssatz demjenigen des Overnight Index Swap (OIS) plus 50 Basispunkte entspricht.

Die Swap-Abkommen wurden bis zum 1. Februar 2013 verlängert. Die genannten Zentralbanken wollen befristete bilaterale Liquiditäts-Swap-Abkommen abschliessen, so dass in allen Währungsgebieten Liquidität in allen ihren Währungen angeboten werden kann, wie die SNB hervorhebt.


Deutsche Staatspapiere mit 1 Jahr Laufzeit: Rendite MINUS 0,07%, Graph: Reuters via FT Alphaville

Euro Pessimismus

Er hasse es, auf etwas herumzureiten, aber die Situation in Europa sei schrecklich, schreibt Tim Duy in seinem Blog. Der an der University of Oregon lehrende Wirtschaftsprofessor deutet auf zwei Aspekte hin.  (1) Karl Smith schreibt in seinem Blog, dass die EZB die Kontrolle über die Geldpolitik verliert.

„Basierend auf ganz andere Indikatoren sieht es so aus, dass die EZB begonnen hat, die Kontrolle über die Geldpolitik zu verlieren.
Am Kern des Problems scheint die Unfähigkeit zu stehen, die Unterschiede angesichts der Fehlfunktion des europäischen Repo-Marktes in Bezug auf die Refinanzierungskosten zwischen Institutionen und Ländern auszugleichen.

Diese Fehlfunktion scheint mechanischer Art zu sein, was die fristgerechte Abwicklung der Repo-Geschäfte betrifft. Sicherheiten werden nicht geliefert und unbeholfene Interventionen der lokalen Behörden vertiefen die Probleme“, so Smith.

„Das ist sehr, sehr beängstigend“, bemerkt Duy weiter und erinnert daran, dass die EZB die letzte grosse Hoffnung ist. Aber die EZB kann nicht wirksam werden, wenn das europäische Bankensystem zusammenbricht, was jeden Tag wahrscheinlicher wird. Der Run auf Cash ist ein Zeichen, dass die EZB die Ankäufe von Staatsanleihen nicht mehr ganz sterilisieren kann, erklärt Duy, wie in WSJ („What does ECB sterilization miss mean?“) und FT („SMP sterilization fail“) zu lesen ist. Selbst wenn die EZB zu QE (mengenmässige Lockerung der Geldpolitik) übergehen würde, bleibt das daraus resultierende Cash nur ungenutzt bei den Banken als Reserve. Europa steckt in der Liquiditätsfalle.

Dienstag, 29. November 2011

Wie die EZB die Euro-Zone ins Jenseits befördert

Die Entscheidung der EZB, die Zinsen im April und dann im Juli dieses Jahres zu erhöhen, war einfach wahnsinnig, schon damals. Heute sieht es sogar noch verrückter aus, weil die Euro-Zone mittlerweile in der Tat auseinanderzufallen droht.

Ryan Avent schliesst sich nun dem Chor derjenigen Ökonomen an, die die EZB wegen der Zinserhöhungen um Frühjahr stilvoll rügen.

Wie ist es aber möglich, dass zwei relativ kleine Zinsschritte einen so grossen Schaden anrichten, fügt Paul Krugman in seinem Blog hinzu. Avent sagt, dass es mit Erwartungen zu tun hat.

Eine andere Möglichkeit ist, das Ganze als einen umgekehrten Fall von FDR zu betrachten, erklärt Krugman und deutet auf eine Forschungsarbeit („Great Expectations and the End of the Depression“) von Gauti Eggertsson über den grossen wirtschaftlichen Aufschwung von 1933-37 hin.

Eggertsson argumentiert, dass es viel mit veränderten Erwartungen hinsichtlich der künftigen Geldpolitik zu tun hat. Mit der Aufgabe des Goldstandards (ein schockierender Schritt für die damalige Zeit) und dem Aufruf für eine Rückkehr der Wirtschaftsleistung auf das Vor-Depresion-Niveau hat FDR eine Erwartung in Bezug auf steigende Preise erzeugt, was eine heilsame Wirkung auf die Nachfrage ausgelöst hat.

Abkehr der EZB von der Zentralbank-Tradition

„Die Finanzkrise in Europa ist nun in eine möglicherweise katastrophale Phase eingetreten. Es gibt eine reale Möglichkeit, dass die Euro-Zone einfach auseinanderbricht, mit schrecklichen Konsequenzen nicht nur für Europa, sondern auch für den Rest von uns“, schreibt James Surowiecki in einem lesenswerten Essay („An Avoidable Crisis“) in The New Yorker.

Doch es ist leicht, zu übersehen, mitten in Marktturbulenzen und in Politik des äussersten Risikos, dass es eines der seltensten Probleme ist, dass man wirklich nur lösen kann, wenn man Geld hinlegt, schildert der Autor. Italien und Spanien haben echte Probleme: ihre Volkswirtschaften sind schwach und die Schulden sind hoch. Aber diese Probleme sind überschaubar, solange die Zinsen auf Schuldtitel verhältnissmässig gering bleiben. Im Gegensatz zu Griechenland, das keine Hoffnung hat, jemals seine Schulden zurückzuzahlen.

Surowiecki deutet darauf hin, dass Italiens fiskalische Situation nicht gut ist, aber nicht viel schlechter es als noch vor 10 Jahren war. In der Tat ist Italien eines von nur einer Handvoll von Ländern in der entwickelten Welt, das einen Primärüberschuss hat. Das heisst, berücksichtigt man die Zinszahlungen nicht, nimmt das Land mehr Geld ein, als es ausgibt. Das Problem ist also nicht die Verschuldung an sich, sondern vielmehr die steigenden Zinsen.

Breakeven-Satz für Deutschland

Während die Euro-Zone in den Abgrund blickt, werden Fragen über den Status der deutschen Bundesanleihen als sicherer Hafen aufgeworfen. Doch der Breakeven Satz für deutsche Staatsanleihen mit 5 Jahren Laufzeit fällt weiter. Was ist hier los?

Der Breakeven-Satz gibt den Unterschied zwischen der Rendite der gewöhnlichen deutschen Staatspapiere mit 5 Jahren Laufzeit und der Rendite der inflationsindexierten Staatspapiere (gemessen am harmonisierten Verbraucherpreisindex) mit vergleichbarer Laufzeit an.

Weil die eine Anleihe inflationsgeschützt ist, die andere nicht, entspricht der Breakeven-Satz einer impliziten Marktprognose über die Inflation in den nächsten Jahren.

Wenn man sich über die Art der Anpassung, die in Europa stattfinden muss, bewusst ist, merkt man, dass die Inflation besser nicht so niedrig sein soll. Mit einer Inflation von 3% in den nächsten 5 Jahren könnte die Anpassung funktionieren. Mit einer Inflation von 1% oder weniger, kann die Anpassung unmöglich erfolgen, hält Paul Krugman in seinem Blog fest.


Deutschland Breakeven-Satz (5 Jahre), Graph: Bloomberg

Montag, 28. November 2011

Bank of Israel senkt Leitzins auf 2,75%

Die Bank of Israel (BoI) hat heute den Benchmark-Zins um 0,25% auf 2,75% gesenkt.

Die BoI hatte die Zinsen im Verlauf dieses Jahres viermal erhöht. BoI-Präsident Stanley Fischer hatte jedoch vor zwei Monaten erstmals seit mehr als zwei Jahren den Benchmark-Zinssatz von 3,25% auf 3,0% reduziert.

Die Verbraucherpreise (CPI) sind im Oktober um 0,1% gestiegen, nach dem sie im Vormonat um 0,2% gefallen sind. Annualisiert beläuft sich die Inflation auf 2,7%.


Israel, Inflationserwartungen, Graph: Morgan Stanley

OECD sagt Rezession für die Eurozone voraus

Die OECD erwartet eine Rezession in der Euro-Zone. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) rechnet mit einem Wachstum von 0,2% im gesamten nächsten Jahr.


Die Krise im Euro-Raum stelle für die Weltwirtschaft derzeit das Hauptrisiko dar, schreibt die OECD in ihrer halbjährlichen Prognose und sieht ein Wirtschaftswachstum von 0,5% für Deutschland.

„Das ist alles durchaus sinnvoll. Aber wie konnten wir so soweit kommen? Zum grossen Teil, indem wir auf die Leute wie die OECD gehört haben“, bemerkt Paul Krugman in seinem Blog: Die OECD hat bereits Anfang 2010 sowohl rigorose Sparmassnahmen (fiscal austerity) als auch Zinserhöhungen gefordert. Nun sind es dieselben Personen, die die Folgen der Ausgabenkürzungen und der Zinserhöhungen befürchten.

So sieht Lender of Last Resort aus

Felix Salmon zeigt  in seinem Blog aufgrund der folgenden Abbildung, wie lender of last resort funktioniert.

Es sind insgesamt drei Linien zu betrachten:

Die schwarze Kurve zeigt die Marktkapitalisierung von Morgan Stanley. Der Börsenwert der US-Investmentbank nähert sich in Richtung 40 Mrd. $ Bereich. Aber dann kommt es zu einem Einbruch, was im November 2008 einen Wert von 9,8 Mrd. $ verzeichnet.

Die orangefarbene Kurve ist die Summe, die Morgan Stanley der US-Notenbank an einem bestimmten Tag schuldet: Ein Betrag, der Ende September 2009 auf 107 Mrd. $ geklettert ist.

Die rote Kurve zeigt das Verhältnis zwischen den beiden Werten an. Das heisst, Morgan Stanleys Schulden an die Fed als Prozentsatz der Marktkapitalisierung des Finanzunternehmens. Die Quote ist im Oktober auf einen Spitzenwert von 750% hochgeschnellt.

Wenn die EZB eine Liquiditätskrise abwenden will, liefert diese Abbildung ein ernüchterndes Indiz dafür, wie weit die EZB gehen und wie schnell sie handeln müsste, hält Felix fest.


Lender of Last Resort-Fazilität, Graph: Bloomberg via Felix Salmon

Haushaltsdefizit und Steuern

Der Superausschuss (supercommittee) war eine Superlusche. Wir sollten froh darüber sein, schreibt Paul Krugman in seiner lesenswerten Montagskolumne („Things to Tax“) in NYT. Dennoch müssen die Haushaltsdefizite irgendwann gezügelt werden. Der an der University of Princeton lehrende Wirtschaftsprofessor hat eine Idee: Wie wäre es damit, die Einnahmen zu erhöhen?

Er meine nicht eine Rückkehr zu den Steuersätzen der Clinton-Ära. Warum sollen die Steuern der 1990er Jahre als die äussere Begrenzung der Steuererhebung sein? Der langfristige Ausblick ist verdüstert, was bedeutet, dass einige schwierige Entscheidungen getroffen werden müssen. Warum sollen diese Entscheidungen nur Ausgabenkürzungen einschliessen? Warum sollen einige Steuern nicht über das Niveau in den 1990er Jahren angestossen werden?

Krugman schlägt folgende zwei Bereiche vor, wo es sinnvoll wäre, die Steuern zu erhöhen: Steuern auf sehr hohe Einkommen und Steuern auf Finanztransaktionen.

Der Träger des Wirtschaftsnobelpreises (2008) hatte bereits in seiner früheren Kolumne („We are the 99,9%“) nahegelegt, dass die sehr Reichen mehr Steuern zahlen sollen, worauf hin er nach eigenen Angaben viele Reaktionen ausgelöst habe, dass auch konfiskatorische Steuern auf die Reichen möglicherweise nicht viel Geld einsammeln könnten.

Sturheit der EZB: Die wahnsinnige Hard-Money-Politik

Die EZB hatte im Verlauf des ersten Quartals 2011 angedeutet, die Zinsen angesichts des Anstiegs der allgemeinen Inflation zu erhöhen, auch wenn der Anstieg das Ergebnis der steigenden Nahrungsmittel- und Ölpreise war, und nicht eine Folge der Geldpolitik der EZB.

Paul Krugman hatte vor diesem verhängnisvollen Vorhaben in seinem Blog mehrmals energisch gewarnt. Warum? Angenommen wir blicken auf die Löhne, die als die unnachgiebigsten (sticky wages) der Preise gelten, die von der Trägheit getrieben werden. In der Eurozone war das Lohnwachstum genau so wie in den USA angesichts der hohen Arbeitslosigkeit eingebrochen.

Was die EZB also mit der Zinserhöhung signalisieren wollte, war, dass die Nominallöhne in Europa senken müssten, was nur durch eine Erhöhung der Arbeitslosigkeit möglich wäre, um die Auswirkungen der Nahrungsmittel- und Ölpreise auf die allgemeine Inflation (headline inflation) auszugleichen. Die Reallöhne würden in jedem Fall fallen.

Die EZB ist dann tatsächlich dazu übergegangen, die Zinsen im April und im Juli zu erhöhen. Das war wahnsinnig. Rebecca Wilder bemerkt in ihrem Blog, dass es genau der Zeitpunkt (März 2011) ist, wo die Spreads der europäischen Staatsanleihen begonnen haben, zuzunehmen, was den Höhepunkt in der aktuellen Krise darstellt.


Rendite-Verlauf (10 Jahre) im Vergleich: Schweden (Krone) vs. Finnland (Euro), Graph: Prof. Paul Krugman

Sonntag, 27. November 2011

Was die Fed noch tun könnte

Brad DeLong befasst sich in seinem Blog mit dem Thema, was Fed-Chef Ben Bernanke noch tun könnte, um die Wirtschaft anzukurbeln.

Erstens hat Bernanke die Fed-Bilanzsumme nicht nur auf 2‘000 Mrd. $ gebracht, sondern bis auf 3‘000 Mrd. $.

Zweitens sei er damit einverstanden, dass die Fed-Politik (langfristige Preisstabilität als Aufgabe Nr. 1) zur Zeit absolut nichts bringt: es ist in der Tat nur ein „pushing on a string“. (*)

Die Fed dürfte aber in der Lage sein, eine reale wirtschaftliche Erholung auszulösen, indem sie

(1) ankündigt, dass sie die kurzfristigen Zinsen für die US-Treasury Bonds nicht nur, solange die Wirtschaft depressiv ist, niedrig hält, sondern auch danach, wenn die Wirtschaft sich erholt hat und wann die Fed normalerweise die Zinsen anheben würde. Die Fed soll also die kurzfristigen Zinsen niedrig halten, bis sie einen inflationären Boom erzeugt und Sie (Unternehmen) sollen jetzt besser beginnen, Kapazitäten zu bilden, um Ihre Kunden in diesem inflationären Boom zu bedienen oder Ihre Konkurrenten werden es so tun, und Ihnen Ihre Gewinne abjagen.

(2) nicht nur ankündigt, sondern die Steuerzahler in den USA tatsächlich als risikotragende Partner der US-Finanzinstitute rettet (bail-in). Die Finanzinstitute, die zuvor angezapft waren, was ihre Risikotragfähigkeit in Bezug auf die Kapazitäten betrifft,  hätten jetzt die Möglichkeit und den Anreiz, mehr Kredite zu günstigeren Bedingungen an potenziell expandierende Unternehmen zu vergeben.


Verhältnis der Beschäftigten (USA) zur Bevölkerung im erwerbstätigen Alter, Graph: FRED, Fed St. Louis

EZB: Was ist der Plan?

Die Europäische Zentralbank (EZB) weigert sich weiterhin, als Zentralbank zu agieren. „Für manche Leute scheint die EZB wie eine Feuerwehr, die das Haus niederbrennen lässt, um die Kinder zu lehren, nicht mit Streichhölzern zu spielen“, beschreibt ein Artikel ("As Crisis Mounts, Europe's Central Bank Stands Back") in NYT.

„Die EZB hat einen Feuerwehrschlauch, d.h. ihre Fähigkeit, Geld zu drucken. Aber die Notenbank weigert sich vehement, sie in Bezug auf die Eurozone-Krise einzusetzen“, schildert der Artikel weiter. Die Flammen stiegen am Freitag höher, nach dem das italienische Finanzministerium einen Zinssatz von 6,5% für eine neue Ausgabe von Staatspapieren mit 6 Monaten Laufzeit zahlen musste, mehr als 3 Prozentpunkte höher als vergleichbare Papiere am 26. Oktober. Es war laut Bloomberg der höchste Zinssatz, den Italien je hat zahlen müssen, um solche Anleihen seit August 2007 erneut zu verkaufen.

Es gibt aber keine Anzeichen, dass die EZB einen Plan hätte, darauf zu antworten, indem sie zum Beispiel grosse Mengen an Staatsanleihen des betreffenden Landes aufkauft, um die Finanzierungskosten zu senken. Die EZB werde nicht als lender of last resort wirken, lautet der Standardsatz der Euro Hardliner wie z.B. von Jens Weidmann, dem Chef der Bundesbank. Nein heisst Nein für die EZB.


Leistungsbilanz-Ungleichgewichte in der Eurozone: Überschuss (Kern) versus Defizit (Peripherie), Graph: Prof. Paul Krugman

Samstag, 26. November 2011

Wo das Geld ist

Paul Krugman bemerkt in seinem Blog, dass er vorhersehbare hysterische Reaktionen auf eine Kolumne vom Freitag in NYT bekommt.

Aber eine Sache, auf die Krugman eine Antwort geben will, ist die Behauptung, die ständig aufgestellt wird, dass das alles eine Ablenkung sei, dass es, selbst wenn wir alles Geld des obersten 0,1% beschlagnahmen würden, keinen Unterschied in Bezug auf die finanzpolitischen Perspektiven in den USA machen würde. Doch man soll vorerst auf die Zahlen einen Blick werfen, bevor man sich auf solche Aussagen einlässt:

Was die IRS-Daten (US-Steuerbehörde) besagen, ist, dass im Jahr 2007, d.h. bevor die Great Recession das Einkommen aller gedrückt hat, das oberste 0,1% rund 1‘000 Mrd. $ steuerpflichtiges Einkommen hatte. Nun würde sogar die Konfiszierung der ganzen Summe das gegenwärtige Defizit nicht eliminieren, zumal insbesondere das oberste 0,1% bereits etwa ein Drittel dieser Summe an Steuern bezahlt hat. Aber dann könnte keine einzige Massnahme das derzeitige Haushaltsdefizit schliessen, auch nicht die vollständige Beseitigung von Social Security oder Medicare, erklärt der an der University of Princeton lehrende Wirtschaftsprofessor.

Was daher zu fragen ist, um wie viel höhere Besteuerung der Super-Elite zur Reduzierung des Budgetdefizits beitragen würde, im Vergleich mit den möglichen Massnahmen, die die Politiker vorschlagen.

Fiskaldisziplin mit Peitsche

Martin Wolf erklärt an einem praktischen Beispiel in einem lesenswerten Meinungsartikel („Why cutting fiscal deficit is an assault on profits“) in FT, was unter Sparparadoxon („paradox of thrift“, vgl. auch hier) zu verstehen ist.

Der britische Premierminister David Cameron hat in einer Rede am Montag gesagt, dass die Reduzierung der Staatsverschuldung sich härter als irgendjemand sich vorgestellt hat, erwiesen habe. Cameron hat zugegeben, dass ein hohes Niveau an öffentlichen und privaten Schulden sich als Hemmschuh für das Wirtschaftswachstum erweist, was es wiederum schwierig mache, mit diesen Schulden umzugehen.

„Doch wenn Cameron es hätte so machen wollen, hätte er viele „irgendjemanden“ treffen können, die ihm davor gewarnt hätten, was er gerade auf Kosten des Landes erlebt hat“, hebt Martin hervor. Wenn der private Sektor sich um einen Abbau der Schulden bemüht, ist es für die Regierung schwer, gleichzeitig auch Schulden abzubauen, weil nicht jeder weniger ausgeben kann als sein Einkommen. Das ist das Sparparadoxon, erläutert der Chefökonom der britischen Wirtschaftszeitung. Es ist keine neue Idee.

Wenn die Regierung das Haushaltsdefizit kürzen will, müssen andere Sektoren weniger sparen. Die Fragen sind hier, welche und wie. Was die britische Regierung nicht zugibt, ist, dass die einzigen Akteure, die in der Lage sind, weniger zu sparen, die Unternehmen sind.  Die Politik der Regierung zerstört aber die Unternehmensgewinne.


CDS-Prämien für Deutschland (blau), Grossbritannien (braun) und die USA (grün), Graph: Laurence Mutkin, Morgan Stanley

Freitag, 25. November 2011

Warum die unvollständig gezeichnete Auktion gut sein kann

Deutschland hat am vergangenen Mittwoch Bundesanleihen mit 10 Jahren Laufzeit versteigert. Die Auktion ist auf eine geringe Nachfrage gestossen. Wie besorgniserregend ist aber das schwache Ergebnis?

Die Rendite der sog. Bubills (Schatzanweisungen des Bundes) lag gestern im roten Bereich. Auch heute morgen wiesen die kurzfristigen deutschen Staatspapiere eine negative Rendite auf. Wenn Investoren bereit sind, dem deutschen Staat zu negativen Zinsen Geld zu leihen, dann ist es möglicherweise schwer, von einem allgemeinen Vertrauensverlust gegenüber Deutschland zu reden. Die deutschen Staatsanleihen verbuchen laut Bloomberg seit Jahresbeginn einen Ertrag von insgesamt 6,9%.

Nick Rowe erklärt in seinem Blog, warum die als misslungen empfundene Anleiheauktion der Finanzagentur des Bundes für den Euro gut sein kann.


Deutschland: einbehaltene Summe bei Anleiheversteigerungen (rechte Skala) und Bietungsquote, Graph: Laurence Mutkin, Morgan Stanley

Wir sind das 99,9 Prozent

„Wir sind das 99,9 Prozent“ ist ein grossartiges Motto. Es definiert das Problem richtig: Mittelschicht gegen Elite (im Gegensatz zu Mittelschicht versus Arme). Und es kommt auch gegen die allgemeine, aber falsche Vorstellung weiter, dass die zunehmende Ungleichheit in erster Linie damit zu tun habe, dass die gut ausgebildeten es besser hätten als die weniger gut ausgebildeten. Die grossen Gewinner in diesem Gilded Age (Vergoldetes Zeitalter) sind eine handvoll sehr reiche Leute, nicht Uni-Absolventen im Allgemeinen, schreibt Paul Krugman in seiner lesenswerten Freitagskolumne („We are the 99,9%“)  in NYT.

Wenn überhaupt, der 99%-Slogan zielt zu niedrig. Ein grosser Teil der Gewinne des obersten 1% ging sogar tatsächlich zu Gunsten des obersten 0,1%: das reichste Tausendstel der Bevölkerung.

Und während die Demokraten im Grossen und Ganzen anstreben, dass die Super-Elite zumindest einen Beitrag zum Abbau des langfristigen Haushaltsdefizits leistet, wollen die Republikaner die Steuern für die Super-Elite senken, auch wenn dabei die Social Security, Medicare (staatlicher Gesundheitsdienst für Rentner über 65) und Medicaid (staatlicher Gesundheitsdienst für arme Leute) im Namen des Fiskaldisziplins gekürzt werden sollen, erklärt der an der University of Princeton lehrende Wirtschaftsprofessor.

Warum befürworten die Republikaner weitere Steuersenkungen für die Reichen, während sie vor Haushaltsdefizit warnen und drastische Kürzungen der Sozialversicherungsprogramme verlangen?

Nun, abgesehen vom Ruf des „Klassenkampfes“, wenn immer auch solche Fragen aufgeworfen werden, ist die übliche Antwort, dass die Super-Elite Arbeitsplätze schafft. Das ist aber eine schlechte Wirtschaftspolitik.

Staatsverschuldung im Verhältnis zum BIP

Eine Möglichkeit, um die Fähigkeit des Schuldendienstes zu messen, ist die Berechnung des Verhältnisses der Verschuldung im Vergleich zum Einkommen (debt-to-income-ratio), schreibt David Andolfatto in seinem Blog.

Wenn Sie z.B. über ein Einkommen von 50‘000$ pro Jahr verfügen und Ihr Haus 200‘000$ Wert ist und Sie einen Hypothek ihn Höhe von 150‘000$ haben, ist Ihr debt-to-income ratio 150/50=3 oder 300%.

Die Staatsquote (Verschuldung im Vergleich zum BIP) ist ebenso eine Möglichkeit, um die Fähigkeit eines Landes zum Schuldendienst zu messen. Das Verhältnis der US-Verschuldung zum BIP (debt-to-GDP) beträgt heute rund 100%.

Natürlich sind viele Menschen nicht wegen der Höhe der Verschuldung, sondern des Verlaufs besorgt. Der Schuldenstand im Verhältnis zum BIP kann nicht ewig steigen.

Auf der anderen Seite gibt es einige Hinweise darauf, dass die Quote praktisch viel höher steigen kann. Doch bevor Andolfatto weiter argumentiert, möchte er eine fehlgeleitete Analogie klarstellen. Die irreführende Analogie ist so, dass der Staat Schulden anhäufe, wie ein Haushalt Kreditkarten-Schulden anhäufe.


Staatsverschuldung und TIPS (inflationsindexierte US-Staatsanleihen), Graph: Prof. David Andolfatto

Donnerstag, 24. November 2011

Stress mit Refinanzierung steigt in der Eurozone

Herkömmliche Stress-Indikatoren zeigen steigende Werte in der Eurozone an. Die EURIBOR-EONIA-Spreads (das ist das Pendant zu LIBOR-OIS) sind auf Höchststände seit Anfang des Jahres 2009 geklettert.

Auch die Refinanzierungskosten in US-Dollar für europäische Institutionen steigen stark. Die EURO-USD 3 Monate Cross-Currency Basis, welche die zusätzlichen Kosten für den Erhalt von US-Dollar im FX Swap-Market zeigt, hat sich ausgeweitet und beläuft sich derzeit auf Minus 140 Basispunkte.

Doch im Gegensatz zu der Krise im Jahr 2008 ist der Refinanzierungsdruck eine Folge, nicht eine Ursache der jüngsten Anspannungen im Finanzsystem, heben Calvin Tse und Laurence Mutkin, Morgan Stanley in ihrer heute vorgelegten Forschungsarbeit hervor.

Die aktuellen Turbulenzen an den Finanzmärkten werden v.a. von Problemen in Bezug auf die Staatsanleihen und den Fragen in Bezug auf die Zahlungsfähigkeit getrieben.


EURIBOR-EONIA, Graph: Calvin Tse und Laurence Mutkin, Morgan Stanley

Thanksgiving in den USA – Apokalypse Trading in Europa

Während der Widerstand gegen Eurobonds in der Eurozone vor dem geplanten EU-Gipfel nachlässt, ist die Rendite der deutschen Bundesanleihen mit 10 Jahren Laufzeit heute auf 2,21% gestiegen.

Nachdem die gestrige Anleiheauktion für deutsche Staatspapiere mit 10 Jahren Laufzeit unter den Marktteilnehmern als „misslungen“ wahrgenommen wurde, nennt die britische Wirtschaftszeitung FT heute das Geschehen am Anleihemarkt „apocalypse trade“.

„Die Rendite der deutschen Bundesanleihen mit 2,21% ist im historischen Vergleich noch immer sehr niedrig. Aber sie liegt über der Rendite der britischen Staatsanleihen (2,17%) mit vergleichbarer Laufzeit“, bemerkt Paul Krugman in seinem Blog, obwohl er heute wegen Thanksgiving vorgehabt habe, keinen Blog-Eintrag zu machen. Aber was sich gerade in Europa abspiele, sei es wert, erwähnt zu werden.

Der Markt preise in der Tat eine reale Möglichkeit des Zusammenbruchs der Eurozone ein, hält der Träger des Wirtschaftsnobelpreises fest.


Deutschland, Breakeven-Satz (5 Jahre), Graph: Bloomberg

Die deutsche Anleiheauktion vom Mittwoch

Die Finanzagentur des Bundes hat gestern neue Papiere mit 10 Jahren Laufzeit im Wert von 6 Mrd. Euro versteigern wollen. Die Anleger haben 3,9 Mrd. Euro geboten. Das heisst, dass die Nachfrage 35% kurz ausgefallen ist.

Was ist nun daraus zu schliessen? Kann Deutschland sich am Kapitalmarkt nicht ausreichend Geld beschaffen? Verlieren Investoren den Appetit auf deutsche Bundesanleihen? Wie besorgniserregend ist die geringe Nachfrage nach deutschen Staatsanleihen? Niemand weiss es genau. Aber die Mehrzahl der Marktbeobachter haben den Hang, sofort den Teufel an die Wand zu malen.


Es gilt daher, in Erinnerung zu rufen, dass es auch in der Vergangenheit Auktionen gegeben hat, die nicht vollständig gezeichnet waren.

Ferner sind folgende Aspekte erwähnenswert:

Mit 1,98% war die Rendite der deutschen Bundesanleihen mit 10 Jahren Laufzeit so niedrig wie nie zuvor. Vielleicht mit der Ausnahme der Erstemission.

Die Bestände der Banken, die ja in erster Linie an der Versteigerung teilnehmen und die Anleihen an andere Anleger weiterverkaufen, sind offenbar „voll“, zumal einige Banken seit geraumer Zeit gezwungen sind, ihre Bilanzsumme zu reduzieren.

Der Bund, der bei der Auktion 3,6 Mrd. Euro eingenommen hat, kann den Rest am Sekundärmarkt absetzen.


EONIA (3 Monat) versus General Collateral, Graph: FT Alphaville

Warum gibt es keinen Superausschuss für Beschäftigung?

Der überparteiliche Superausschuss (Super Committee) des US-Kongresses ist beim Versuch, einen politisch akzeptablen Weg zum Abbau des Haushaltsdefizits zu finden, super gescheitert. Paul Krugman hatte damit gerechnet.

Einer der grossen Gründe scheint die Uneinigkeit über die Verlängerung der Bush Steuersenkungen für Haushalte mit hohem Einkommen zu sein, bemerkt Mark Thoma in einem lesenswerten Essay („Where is the Super Committee for Job Creation?“) in The Fiscal Times.

Die Republikaner argumentieren, dass die Erhöhung der Steuern für die Reichen den Anreiz der Reichen, sich für produktive Tätigkeiten zu engagieren, sinken und die Erholung der Wirtschaft beeinträchtigen würde.

Die Demokraten argumentieren, dass es kaum Anzeichen dafür gibt, dass die Bush Steuersenkungen das Wirtschaftswachstum ankurbeln. Die Aufhebung der Steuersenkungen würde daher der Wirtschaft nicht schaden.

Die gegenwärtige Steuerstruktur verschafft zu wenig Belastung für die Reichen und zu viel für die mittleren und unteren Klassen. Und der Verfall der Bush Steuersenkungen für Haushalte mit hohem Einkommen würde daher die Steuern progressiver und gerechter gestalten, ohne die Erholung der Wirtschaft zu gefährden. Der Verfall der Steuersenkungen würde in den nächsten 10 Jahren 800 Mrd. $ in die Staatskassen spülen und helfen, wichtige soziale Programme zu erhalten.

Mittwoch, 23. November 2011

Straffe Geldpolitik und Risikoaufschläge in der Eurozone

Woran lässt sich erkennen, dass die Eurozone-Krise sich in den vergangenen Wochen verschärft hat? Ein Indikator ist der Risikoaufschlag, d.h. die Spreads zwischen den deutschen Bundesanleihen und den Anleihen anderer Mitgliedsländer der Eurozone. Die Renditeabstände haben sich in letzter Zeit erheblich ausgeweitet. Das heisst, dass die Krise sich verschlimmert.

Eine grosse Differenz zwischen Markt-Monetaristen und Keynesianern (Makrökonomen) ist, wie sie die Verbindung zwischen der Geldpolitik und den Zinssätzen betrachten, bemerkt Nick Rowe in seinem Blog.

Die Keynesianer neigen dazu, zu denken, dass die Geldpolitik durch ihre Auswirkungen auf die realen Zinssätze funktioniert. Hohe Realzinsen sind ein Zeichen des knappen Geldes und niedrige Realzinsen sind ein Zeichen der lockeren Geldpolitik.

Die Monetaristen neigen dazu, zu denken, dass die Geldpolitik, ob sie straff oder locker ist, von den Erwartungen in Bezug auf das nominelle BIP abhängt. Wenn eine straffe Geldpolitik ein Rückgang des erwarteten künftigen nominellen BIP (NGDP) bedeutet, dann dürften die geplanten Investitionen abnehmen und die geplanten Ersparnisse zunehmen. Und die Zinssätze, nominell oder real, dürften fallen, erklärt der an der Carleton University, Kanada lehrende Wirtschaftsprofessor.


Deutsche Bundesanleihen (10Jahre) Rendite, Graph: Bloomberg

Politik teilt mit der Finanzbranche dieselbe Ideologie

Die Euro-Krise ist nicht eine Staatsschuldenkrise. Die Eurozone-Krise ist eine Folge der globalen Finanzkrise (2008). Es ist die Finanzindustrie, die dem Fiskus in die Tasche gegriffen hat.

„Die Steuerprivilegien, die Subventionen und die Rettungsschirme für die Spekulanten in den Finanzcasinos haben die Staatsschuldenstände bei uns und anderswo in die Höhe getrieben. Die Folgen nennen die PR-Strategen „Staatsschuldenkrise“. Das ist nach dem Sprachtrick mit der „Systemrelevanz“ aller Banken der zweite Coup der Strategen der Finanzindustrie und der mit ihnen verbundenen Politik und Medien“, schreibt Albrecht Müller in einem lesenswerten Essay („Die Lüge von der Systemrelevanz“) in FAZ.

Der ehemalige Leiter des Planungsstabs unter den Kanzlern Brandt und Schmidt spricht sich für eine schärfere Regulierung der Banken aus und plädiert dafür, viele Transaktionen zu verbieten, die nichts mehr mit realen Geschäften zu tun haben. „Doch die Politik wagt es nicht, die Ausweitung des Kapitalmarktes zum Finanzcasino und die Vorherrschaft der Investmentbanker und Spekulaten in Frage zu stellen“.

"Lobbyisten gab es immer, aber ihr Einfluss ist rasant gewachsen und treibt exotische Blüten“, hebt Müller hervor.

Dienstag, 22. November 2011

Neo-Calvinisten und Euro-Krise

Ambrose Evans-Pritchard deutet in einem lesenswerten Artikel („Self-serving myths of Europe’s neo-Calvinists“) in The Telegraph auf einen sehr guten Aufsatz („Why stricter rules threaten the eurozone“) von Centre for European Reform hin, wo vor den Folgen der Interpretation der Eurozone-Krise durch Nord-Europa gewarnt wird:

"Die Nord-Europa-Interpretation sieht die Krise im Wesentlichen als eine moralische Geschichte an, wobei diejenigen, die gesündigt haben (Länder mit Schulden), gegen diejenigen, die dem Pfad der Tugend folgen, gegenübergestellt werden. Die grossen Sünden der Peripherie sind die Geldverschwendungen durch die Regierung und der Verlust der Wettbewerbsfähigkeit. Der Weg aus der Krise ist einfach: dem tugendhaften Kern folgen, der die öffentliche Finanzen konsolidiert und die Wettbewerbsfähigkeit verbessert (durch die Steigerung der Produktivität, der Senkung der Löhne oder beides). Wenn die Peripherie dies erreichen kann, dann kann die Eurozone die Schuldenkrise lösen, ohne institutionelle Hilfe auf dem Sprung nach vorne zu einer Fiskalunion".

Regelmässige Leser wissen, dass dieses Thema mit der selben Argumentation seit geraumer Zeit von Paul Krugman in seinem Blog leidenschaftlich behandelt wird. Hier ist aus didaktischen Gründen eine Bekräftigung:


Leistungsbilanzdefizite (Peripherie) versus Leistungsbilanzüberschüsse (Kern), Graph: Prof. Paul Krugman

Schattenbanken System und „Global Banking Glut“

Das US-Schattenbanken System besteht laut Hyun Song Shin zu einem grossen Teil aus europäischen Banken, was nahelegt, dass die Schaffung von Euro sogar in den US-Kapitalmärkten grosse Auswirkungen hat. Es bedeutet, dass die finanziellen Folgen des Schlamassels in der Eurozone auch in den USA sehr gross sein könnten.

Shin betont in einer aktuellen Forschungsarbeit („Global Banking Glut and Loan Risk Premium“), wie wichtig die Aktivitäten der europäischen Grossbanken in Sachen US-Dollar-Finanzierung ist, v.a was die Auswirkungen in Bezug auf die Kreditbedingungen in den USA angeht.

Die Leistungsbilanzungleichgewichte reflektieren nicht unbedingt den Einfluss der Brutto-Kapitalströme auf die Kreditmarktbedingungen in den USA, schreibt der an der University of Princeton lehrende Wirtschaftsprofessor.

Die auf den US-Dollar lautenden Vermögenswerte von Banken ausserhalb der USA sind in der Grösse vergleichbar mit der Bilanzsumme des amerikanischen Geschäftsbanken-Sektors. Die grossen grenzüberschreitenden Positionen werden durch die Verrechnung (netting out) von Aktiven und Passiven verdeckt, argumentiert Shin.


Globale europäische Banken ergänzen die Intermediation-Kapazität für US-Sparer und Kreditnehmer, Graph: Prof. Hyun Song Shin

Die einfache Frage in Finanzregulierung

Viele Fragen in Sachen Regulierung der Finanzmärkte sind schwer zu beantworten, schreibt Jeff Frankel in seinem Blog.

Würde die Trennung von Geschäftsbanken (commercial banking) und Investmentbanken (investment banking) Krise verhindern? Inwieweit sollen Verbraucher gegen sinnlose Kreditaufnahme geschützt werden? Sollen CDS (credit default swaps) abgeschafft werden?

Was sollen die Regulierungbehörden in Bezug auf die hohe Vergütung von Führungskräften, die mit Belohnung einer Leistung nichts zu tun haben, unternehmen?

Er habe Ansichten, was diese Fragen betrifft. Aber er sehe in diesen Fällen die Argumente auf beiden Seiten, hebt der an der Harvard University lehrende Wirtschaftsprofessor hervor.

Die Frage der Finanzierung der US-Aufsichtsbehörden, der SEC (US-Börsenaufsicht) oder CFTC (Commodity Futures Trading Commission) ist einfach zu beantworten. Er verstehe die Argumente für die Kürzung der Finanzierung von SEC und CFTC aber nicht oder die andere Weise, wie die Republikaner im Kongress versuchen, die Arbeit von Behörden zu erschweren. Die Republikaner behindern die Einrichtung der zwei neuen Agenturen absichtlich, die als Antwort auf die Finanzkrise von 2008 aufgebaut werden: Consumer Financial Protection Bureau (unter dem Dach der US-Notenbank) und Office of Financial Research (unter dem Dach des US-Finanzministeriums).

Risikoaufschläge und fiskalpolitische Rechtschaffenheit

Es sind nicht nur italienische und französische Staatsanleihen, die am Markt derzeit als unattraktives Investment wahrgenommen werden, sondern auch österreichische Staatspapiere geraten zunehmend unter Druck.

Die Ratingagentur Moody’s will die Bonitätseinschätzung französischer Anleihen überprüfen. Die Spreads für französischen Staatspapiere mit 10 Jahren Laufzeit (156 Basispunkte) gegenüber deutschen Bundesanleihen weiten sich wesentlich aus. Und Frankreich reagiert darauf mit einem Sparpaket (fiscal austerity). Geht es aber um eine fiskalische Angelegenheit? Oder anders formuliert, ist es etwas, was mit rigorosen Sparmassnahmen angegangen werden könnte?

Man möchte bitte Österreich betrachten. Österreich hat im Vergleich eine sehr erfolgreiche Wirtschaft, mit geringer Arbeitslosigkeit und einem Leistungsbilanzüberschuss. Österreichs finanzpolitische Perspektiven sind etwas besser als die von Deutschland, wenn man IWF-Prognosen zugrunde legt, bemerkt Paul Krugman in seinem Blog.

Österreich erlebt aber genau dieselbe Entwicklung in Sachen Renditeverlauf wie Frankreich. Im Juni lag die Rendite der Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit in Österreich und Frankreich mit 3,43% 44 Basispunkte über der Rendite (2,89%) der deutschen Bundesanleihen mit vergleichbarer Laufzeit.


Risikoaufschlag Staatsanleihen (10 Jahre) Österreich vs Deutschland, Graph: Bloomberg

Montag, 21. November 2011

Die Schweiz hat wieder eine negative Kerninflation

Es ist der Schweizerischen Nationalbank (SNB) gelungen, eine anhaltende Aufwertung des Frankens zu verhindern.

Die SNB hatte am 6. September angekündigt, eine deutliche und dauerhafte Abschwächung des Frankens anzustreben. Da die SNB als eine glaubwürdige Zentralbank mit einer glaubwürdigen Zielsetzung gilt, ist der Euro-Franken Wechselkurs seither nicht mehr unter 1,20 pro Euro gefallen.

Wie dem heute vorgelegten Monatsheft (Nov. 2011) der SNB zu entnehmen ist, hat die Kerninflation im vergangenen Monat einen negativen Wert von 0,5% verzeichnet. Die Schätzungen der Kerninflation sind nützlich, weil die am Konsumentenpreisindex (CPI) gemessene Teuerung kurzfristigen Schwankungen unterliegt.


Ferner ist der getrimmte Mittelwert (TM15), der wie die Kerninflation ein geeigneteres Bild der Entwicklung der allgemeinen Inflation liefert, im vergangenen Monat um 0,3% gestiegen, nachdem dieser Wert in den 5 Monaten davor um 0,6% zugelegt hatte.



Schweiz: Kerninflation und der getrimmte Mittelwert, Graph: ACEMAXX ANALYTICS

PS: Der vorübergehende Anstieg der Teuerung im März 2011 ist im Wesentlichen auf einen Sondereffekt aufgrund eines höheren Erhebungsrhythmus der Preise für Bekleidung und Schuhe zurückzuführen.