Sonntag, 30. November 2014

Stagflation der 1970er Jahre und Nullzinsgrenze ab 2008

Die Great Depression in den 1930er Jahren hat einen Wandel im politischen Arbeitsfeld ausgelöst. In den westlichen Demokratien zeigten die Menschen immer mehr die Bereitschaft, die Rolle der öffentlichen Hand in Sachen Wirtschaftspolitik anzuerkennen.

Dazu hat John Maynard Keynes mit seiner Theorie zur Erklärung der Weltwirtschaftskrise viel beigetragen. Der britische Ökonom hat v.a. die Idee, dass das Wirtschaftssystem sich selbst reguliert, verworfen. Der keynesianische Ansatz war nach dem Zweiten Weltkrieg weitgehend akzeptiert. von 1940 bis 1970 hat die Keynesian Theorie eine Hochphase erlebt.

Der Vertrauensbruch kam in den 1970er Jahren, als die Inflationsrate 1975 zum ersten Mal nach der Great Depression auf 13% kletterte und die Arbeitslosigkeit auf 9% stieg. Der Zusammenfall von Inflation und Arbeitslosigkeit wurde als Stagflation bezeichnet.

Mit der Begründung, dass nach Keynes‘ Theorie hohe Inflation und hohe Arbeitslosigkeit nicht gleichzeitig auftreten können, gingen viele akademische Ökonomen dazu über, Keynes‘ Ansatz stehen zu lassen und die von ihm befürwortete Konzeption deficit spending abzulehnen.

Siehe da, nach dem Ausbruch der Finanzkrise von 2008 hat Keynes Theorie erneut eine Art Renaissance erlebt. Die Obama-Regierung hat ein Konjunkturpakett (fiscal stimulus) in Höhe von 800 Mrd. USD zusammengeschnürt, um die gesamtwirtschaftliche Nachfrage anzukurbeln.

Während Paul Krugman den Aufstieg des Keynesianismus in seinem Blog leidenschaftlich feiert, gibt es aber Ökonomen wie z.B. Tyler Cowen, die keynesianische Ideen wie „price and wage rigidity“ vehement zurückweisen und von der „liquidity trap“ nichts wissen wollen.

How the Economy Works

Buchbesprechung:

Roger E. A. Farmer: How the Economy Works, Oxford University Press, New York, 2014


Ökonomen verwenden Modelle, um ihre Annahmen über die Funktionsweise der Wirtschaft festzuhalten. Ein gutes Modell gilt als Synonym für eine gute Theorie.

Ein Modell ist eine mathematische Beschreibung einer Wirtschaftstheorie, schreibt Roger Farmer bereits Anfang seines Buches. Der an der UCLA, University of California Los Angeles lehrende Wirtschaftsprofessor legt in kurzen, informativen Abschnitten das Fortschreiten der wirtschaftspolitischen Gedanken von der klassischen ökonomischen Theorie bis zur keynesianischen Idee dar.

Es ist ein Hochseilakt. Und der Autor versucht, auf dem Seil zu tanzen, zwischen Hayek und Keynes, weil er eine new theory schaffen will, um zu erklären, warum es Arbeitslosigkeit gibt und wie die Zentralbank Abhilfe schaffen kann.

Fiskal- und Geldpolitik können nicht helfen, um die hohe Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Es sei denn, die Wirtschaftspolitik sorgt dafür, dass das Vertrauen am Aktienmarkt wiederhergestellt wird, hält Farmer überzeugt fest. Das ist der Dreh- und Angelpunkt des Buches. Farmer misst v.a. der Markt-Psychologie grosse Bedeutung bei.

Das weltweite Finanzsystem war 2008 nicht zahlungsunfähig; es war potenziell insolvent (überschuldet): Es war ein Problem der Markt-Psychologie, so Farmer weiter: „Freie Marktwirtschaft liefert keine Preis-Signale, weshalb es Arbeitslosigkeit gibt. Die Nachfrage nach Waren hängt vom Wohlstand (wealth) ab. Und unterschiedliche Wohlstandsniveaus führen zu unterschiedlichen Arbeitslosigkeitsraten. Wohlstand (Vermögen) hängt vom Vertrauen ab“.

Obwohl Farmer keynesianische Konzeption nicht vollständig ablehnt, sagt er, dass der Fehler des Keynesianismus an der Annahme liege, dass das Einkommen die hauptsächliche Bestimmungsgrösse des Verbrauchs sei.

Samstag, 29. November 2014

Niedrigzinsen von heute sind nicht künstlich geschaffen

Die niedrigen Zinsen sind eine Folge der Finanzkrise von 2008, nicht die Ursache. Die Anhänger der klassischen ökonomischen Theorie behaupten aber wider besseres Wissen, dass die Staatsschulden die eigentliche Ursache der Krise sei.

Tatsache ist, dass die Schulden der öffentlichen Hand erst nach dem Ausbruch der Finanzkrise und dadurch ausgelösten Rezession gestiegen sind: in Folge der Rettung der Banken.

Doch die Fiskal-Drachen erwidern weiter, dass die Niedrigzinsen bedeutungslos seien, weil die Fed im Rahmen der QE-Politik Staatsanleihen und Wertschriften, die mit Hypotheken besicherten sind, kaufe, wodurch die Zinsen nach unten gedrückt werden. Das heisst, dass die Zinssätze künstlich niedrig seien. Es gibt aber heute keine Hinweise darauf, dass die Zinsen im makroökonomischen Sinne zu niedrig sind.

Es gibt Experten wie z.B. Bill Gross (genannt, Bond-König, ehemals Pimco), die wiederholt behaupteten, dass die Zinsen durch die Decke schiessen würden, sobald die Fed mit dem Ankauf von Staatsanleihen am Markt aufhöre, weil die Zinsen eben künstlich niedrig gehalten werden.

Freitag, 28. November 2014

Historisch niedrige Rendite der Staatsanleihen im Euro-Raum

Die jährliche Inflation im Euroraum ist im November 2014 auf 0,3% (im Okt 0,4%) gesunken, wie eurostat heute meldet. Parallel dazu fallen auch die Renditen der Staatsanleihen.

Die Rendite der deutschen Staatspapiere (German Bunds) mit 10 Jahren Laufzeit ist heute bis auf 0,694% gesunken. Das ist kein Anzeichen der Stärke, sondern der Schwäche der Wirtschaft.

Die Märkte deuten angesichts des anhaltenden Nachfrageausfalls auf eine stark angeschlagene Wirtschaft im Euro-Raum mit einer sehr niedrigen Inflation für mehrere Jahre hin. Die implizierte Inflationsrate hergeleitet aus inflationsgeschützten Anleihen für 5 Jahre beläuft sich derzeit auf 0,7%.

Angesichts des in Teilen von Medien vorherrschenden France-Bashing ist es bemerkenswert, dass die Rendite der französischen Staatsanleihen mit 10 Jahren unter die 1%-Marke gefallen ist. Das ist historisch gesehen einmalig. Der Risikoaufschlag gegenüber deutschen Staatsanleihen verringert sich auch. Es ist kein Geheimnis, dass Frankreichs Wirtschaft schwächelt. Der Grund ist aber die von Brüssel und Berlin aufgezwungene Austeritätspolitik.



Verlauf der Finanzierungskosten im Euro-Raum in den vergangenen 20 Jahren gemessen an der Rendite der Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit, Graph: FT

Mittwoch, 26. November 2014

US-Wirtschaftswachstum und Produktionslücke

Das US-Bruttoinlandsprodukt (BIP) legte im dritten Quartal 2014 mit einer auf das Jahr hochgerechnete Rate von 3,9% zu. Erwartet worden war ein Wachstum von 3,5%. Die privaten Konsumausgaben sind um 2,2% gestiegen. Der private Verbrauch macht in den USA rund 70% der Wirtschaftsleistung aus.

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass die NY Fed gestützt auf die jüngsten Daten ankündigt, dass der Schuldenabbau-Prozess (deleveraging) zu Ende gegangen ist, wie Calculated Risk meldet.

Insgesamt bleibt die Verschuldung der privaten Haushalte 7,6% unter dem Höchststand von 2008 im dritten Quartal mit 12‘680 Mrd. USD.

Interessant ist auch die Frage, die Menzie Chinn in seinem Blog aufwirft: Wenn die Wirtschaft nahe Potenzial produziert, warum ist die Inflation so niedrig?

Nach Angaben des CBO (Behörde des US-Kongresses) legt das (mittels einer Produktionsfunktion) geschätzte Potenzial nahe, dass die Produktionslücke (output gap) in den USA zur Zeit minus 3,5% (logarithmisch) beträgt.

Es gibt aber auch andere Schätzmethoden wie z.B. Hodrick-Prescott-Filter und multivariater Filter.



US-Produktionslücke (output gap), Graph: Prof. Menzie Chinn in: Econbrowser

Dienstag, 25. November 2014

Wenn die Wirtschaft an die Nullzinsgrenze gerät

Vor sechs Jahren ist die US-Notenbank an die Nullzins-Grenze geraten, schreibt Paul Krugman in seiner lesenswerten Kolumne („Rock Bottom Economics“) am Montag in NYTimes.

Die Fed hat die Zinsen mehr oder weniger verzweifelt gesenkt, in einem erfolglosen Versuch, die Rezession und die Finanzkrise zu bekämpfen. Aber sie hat einen Punkt erreicht, wo es nicht mehr geht, weil die Zinsen nicht unter null fallen können.

Alles ändert sich, wenn die Wirtschaft auf dem absoluten Tiefpunkt ankommt. Aber niemand mit Autorität hätte daran denken wollen, beschreibt der am Graduierten-Zentrum der City University New York (CUNY) forschende Wirtschaftsprofessor.

Was meint Krugman aber damit, dass sich alles ändert?

Gemeint ist, dass die üblichen Regeln der Wirtschaftspolitik nicht mehr gelten, wenn die Volkswirtschaft sich nahe an der Nullgrenze (zero lower bound) befindet. Die Ausgaben des Staates konkurrieren dann nicht mit privaten Investitionen. Ganz im Gegenteil fördern sie die Unternehmensausgaben tatsächlich.

Zentral-Banken, die i.d.R. ein Bild des strengen Inflationsbekämpfers kultivieren, haben in dieser Situation genau das Gegenteil zu tun, um die Märkte zu überzeugen. Das heisst, dass sie Inflation höher treiben müssen. Struktur-Reformen, die im Grunde genommen dazu beitragen sollen, Löhne leichter zu senken, zerstören Arbeitsplätze, statt welche zu schaffen.

Das mag sich vielleicht wild und radikal anhören. Aber es ist das, was die Mainstream-Wirtschaftsanalyse uns erklärtt, was passiert, wenn die Zinsen auf der Null-Grenze aufprallen. Und es ist auch das, was die Geschichte uns erzählt: die US-Wirtschaft in den 1930er Jahren und die japanische Wirtschaft in den 1990er Jahren. Aber wie gesagt, niemand hat es glauben wollen, so Krugman weiter.

Montag, 24. November 2014

Der Referenzzinssatz der SNB sinkt auf 0,002 Prozent

Die geldpolitische Strategie der SNB besteht aus drei Elementen: (1) Definition der Preisstabilität, (2) Festlegung einer mittelfristigen Inflationsprognose und (3) Festsetzung eines Referenzzinssatzes, dem Dreimonats-Libor mit einem Zielband.

Die SNB gestaltet also ihre Geldpolitik über die Steuerung des Zinsniveaus auf dem Franken-Geldmarkt. Der Referenzzinssatz, d.h. 3-Monats-Libor ist laut Bloomberg vergangene Woche auf 0,002% gefallen. Das ist das niedrigste Niveau seit zumindest 1990.

Die SNB hat im September 2011 einen Mindestkurs von 1,20 CHF pro EUR eingeführt, um die massive Überbewertung des Frankens zu bekämpfen.

Fritz Zurbrügg hat vergangene Woche unterstrichen, dass der Mindestkurs das zentrale Instrument bleibt, um eine unerwünschte Verschärfung der monetären Rahmenbedingungen zu verhindern.


CHF Dreimonats-Libor: Der Referenzzinssatz der SNB, Graph: Bloomberg

Sonntag, 23. November 2014

Es gibt keinen Zusammenhang zwischen der Preisstabilität und dem Goldanteil

Thomas Jordan hat heute in einem Referat („Gutes Geld- ein Grundpfeiler unserer Gesellschaft“) in Uster, Zürich eine klare Botschaft in Sachen „Gold-Initiative“ gesendet: „Die Initiative ist unnötig und gefährlich zugleich“.

Unnötig, weil es in der bestehenden Geldordnung keinen Zusammenhang zwischen der Preisstabilität und dem Goldanteil in der Bilanz der SNB gibt. Zumal die SNB im internationalen Vergleich nach wie vor einen hohen Goldbestand hält.

Gefährlich, weil sie die SNB schwächen würde. Die von der Initiative geforderte Verbindung von Mindestanteil und Verkaufsverbot würde den geldpolitischen Handlungsspielraum in hohem Masse einengen.

Am 30. November findet in der Schweiz eine Volksabstimmung über die Initiative „Rettet unsere Schweizer Gold“ statt. Die Schweizer Regierung empfiehlt dem Volk, die sog. Gold-Initiative abzulehnen.

Der Nationalrat, die grosse Kammer des Parlaments ist mit 156 zu 22 Stimmen dagegen. Der Ständerat, die kleine Kammer (die Vertretung der Kantone) lehnt die Volksinitiative mit 43 zu 2 Stimmen ab. Beide Parlamentskammern bilden die Vereinigte Bundesversammlung mit Sitz in Bern zusammen.



Gold gehört zu den volatilsten Anlageklassen, Graph: Fritz Zurbrügg, SNB, Nov 20, 2014 in Genf

Inflationsrisiko seit der Finanzkrise

Die Wahrscheinlichkeit, dass wir Ende 2016 eine Niedriginflation haben werden, ist doppelt so hoch ist wie die Wahrscheinlichkeit, dass wir eine hohe Inflation im selben Zeitraum hätten, steht im aktuellen FRBSF Economic Letter der Fed San Francisco im November zu lesen.

Es gibt wenig Anzeichen dafür, dass die Geldpolitik eine der Hauptquellen für das Inflationsrisiko ist, unterstreicht der Verfasser der Forschungsarbeit weiter.

Es gibt aber auch Gegenmeinungen. Zum Beispiel Peter Schiff.

Der amerikanische Ökonom und Wirtschaftskommentator malt seit Jahren ununterbrochen den Teufel an die Wand: Die gegenwärtige Geldpolitik der Fed werde eine Hyperinflation auslösen. Neulich unterstrich der Präsident einer Investmentfirma in den USA wieder, dass die hohe Arbeitslosigkeit historisch mit einer höheren Inflation einhergehe und niedrige Arbeitslosigkeit mit niedrigerer Inflation korreliere. Das liege daran, dass eine Wirtschaft, die die Arbeitsressourcen voll ausnutze, produktiver sei. Mehr Produktion senke die Preise.

Seinem Weltbild nach verursache printing money Inflation (per Definition), sogar in einer schwer angeschlagenen Wirtschaft. Und eine hohe Arbeitslosigkeit treibe die Inflation nach oben, nicht nach unten.

Warum es genau geht, beschreibt Paul Krugman in seinem Blog:

Auf der einen Seite gibt es Ökonomen, die die gegenwärtige Depression als das Ergebnis einer unzureichenden Nachfrage sehen, was bedeutet, dass die Inflation fallen wird, und printing money nichts anderes als die Beschäftigung fördert.



Inflationsrisiken seit dem Ausbruch der Finanzkrise von 2008, Graph: "The Risk of Inflation Outlook" by Vasco Curdia in: FRBSF Economic Letter, Nov 2014

Samstag, 22. November 2014

Economics for the Curious

Buchbesprechung:

Robert M. Solow and Janice Murray: Economics for the Curious – Inside the Minds of 12 Nobel Laureates, palgrave macmillan, New York and London, 2014

Die Idee, so ein Buch zu präsentieren, geht auf die Initiative von Wolfgang Schürer zurück. Der Schweizer Wirtschaftsprofessor organisiert die Tagungen der Nobelpreisträger in Lindau, Deutschland.

Die wirtschaftliche Lage in Europa hat sich sechs Jahre nach dem Ausbruch der Finanzkrise immer noch nicht erholt. Die Austeritätspolitik hängt wie ein Damoklesschwert über der Eurozone. Während die Investitionsschwäche als Folge der in Europa vorherrschenden, einseitigen Angebotspolitik anhält, bleibt die Nachfrageschwäche ungelöst. Die verantwortlichen Politiker bieten für die Arbeitsmarktfrage ausser Lohnkürzungen und Sozialabbau nichts Weiteres an.

Hat die ökonomische Theorie versagt? Warum lernen wir aus den Erfahrungen der Great Depression in den 1930er Jahren nicht? Weshalb tut sich die herrschende Lehre mit Selbstkritik so schwer, dass die gesamtwirtschaftliche Nachfrage sinkt, wenn in schlechten Zeiten alle sparen, wodurch das Wirtschaftswachstum verringert wird und das Haushaltsdefizit nicht abnehmen kann.

Paul Krugman erklärt zu Beginn des Buches die depression economics, was zu tun ist, wenn die Wirtschaft unter ihrer Kapazität produziert, wo die herkömmliche Politik Vollbeschäftigung nicht wiederherstellen kann.

In einer Depression leidet die Wirtschaft unter Nachfrageausfall. Schwer angeschlagene Volkswirtschaften sind v.a. durch zwei Paradoxa gekennzeichnet: Paradox of Thrift (Sparparadoxon) und Paradox of Flexibility, legt der im Graduierten Zentrum der City University New York (CUNY) forschende Wirtschaftsprofessor dar.

Da die herkömmlichen Mittel, um Rezession zu bekämpfen, in einer Depression nicht funktionieren, bietet die Fiskalpolitik die beste Wirkung, wenn v.a. die nominalen Zinsen nahe null liegen (zero lower bound), so Krugman weiter.

Fed-Sitzungsprotokoll und US-Arbeitsmarktentwicklung

Kurz zusammengefasst gibt es im kürzlich veröffentlichten Sitzungsprotokoll (FOMC Minutes) des geldpolitischen Ausschusses der Fed vom Oktober 2014 zwei augenfällige Hinweise.

Erstens stellen die amerikanischen Währungshüter Überlegungen an, ein neues Werkzeug zu verwenden, wenn es Zeit ist, anzufangen, die kurzfristigen Zinsen zu erhöhen.

In der Vergangenheit hat die Fed die notwendigen Anpassungen durch die Erhöhung oder die Senkung des sog. Federal Funds Rate, des wichtigen Tagesgeldsatzes für Interbankenkredite über Nacht, vorgenommen.

Das mag heute angesichts der Billionen Dollar Liquidität-Injektionen in das System nicht ganz wirksam funktionieren, sodass die FOMC-Mitglieder nun nebst reverse repo und term deposits mit einem neuen Instrument experimentieren wollen: Die Banken sollen die Mittel auf einem gesonderten Konto (dem sog. Segregated Cash Account) bei der Fed für Kreditgeschäfte mit den privaten Gläubigern verpfänden können.

Zweitens sagen die FOMC-Teilnehmer, dass sie weiterhin den Labor Market Conditions Index (LMCI) beobachten: Der LMCI legt nahe, dass die Unterauslastung des Arbeitsmarktes sich weiter verringert, obwohl ein paar Teilnehmer damit nicht ganz einverstanden sind.



LMCI-Messwerte via FOMC und Kansas City Fed, Graph: Morgan Stanley

Donnerstag, 20. November 2014

Strukturreformen gegen Rückenschmerzen und Mundgeruch

Mittlerweile kann man sich des Eindrucks nicht mehr erwehren, als ob die Strukturreform ein Universalelixier wäre. Ununterbrochen preisen die Very Serious People (VSP) Strukturreformen an: unabhängig davon, ob damit Inflation bekämpft oder Deflation abgewehrt werden soll.

Man könnte meinen: Strukturreformen tun auch gegen Rückenschmerzen und Mundgeruch gut. Quacksalberprodukt.

Paul Krugman erklärt in seinem Blog, dass die Strukturreform traditionell als Antwort auf das Problem der Stagflation angeboten wurde. Wenn eine Volkswirtschaft sich anschickt, zu überhitzen, während sich die Inflation beschleunigt, wurde trotz einer recht hohen Arbeitslosigkeit eine Strukturreform empfohlen. Die Argumentation lautete, dass man mit Rigiditäten auf dem Arbeitsmarkt zu tun hätte.

Im Grunde genommen war es (ist es eigenlich immer noch) ein Euphemismus für ein System, wo es einfacher ist, Leute zu feuern und Löhne zu senken. Der Einsatz der Strukturreform wurde um einer besseren Performance willen als gerechtfertigt verkauft, um den Arbeitsmarkt flexibler zu gestalten, sprich brutaler zu machen, weil man sonst keine Performance erzielen könne.

Es gab immer einen Grund zu der Annahme, dass viel „strukturelle“ Arbeitslosigkeit das Ergebnis der Hysterese war, d.h. der bleibende Schaden einer längeren Rezession. Doch es war zumindest eine kohärente Argumentation, so Krugman weiter.

Dienstag, 18. November 2014

Inflation unter dem Ziel der Preisstabilität der Zentralbanken

Das ist eine interessante Abbildung, die Morgan Stanley am Montag geliefert hat. Im Viereck unten links sehen wir die Länder, wo die Ziel-Inflationsrate unterlaufen wird. Das bedeutet, dass die Zentralbanken unter Druck stehen, etwas mehr gegen die Deflationsrisiken zu unternehmen.

Die Zielinflation wird vor allem in der Eurozone, der Schweiz, in Schweden, Israel,  Zentral- und Ost-Europa unterboten. In Gefahr sind daher die Währungen wie z.B. EUR, CHF, SEK, ILS, PLN und GBP.

Die Inflationserwartungen deuten auf eine auch im kommenden Jahr unter dem Zielwert verlaufende Inflation hin.

Der globale Disinflation-Trend hat aber auch eine dynamische Auswirkung auf die Länder, die Netto-Oil-Importeure sind wie z.B. die Türkei, Indien und Südafrika.



Inflation unter dem Ziel der Preisstabilität, Graph: Morgan Stanley

Der deutsche makroökonomische Sonderweg und die Eurozone

Es ist ein offenes Geheimnis, dass die wirtschaftliche Erholung Europas wegen der restriktiven Fiskalpolitik nicht vorankommt. Und während die Inflationsrate unter dem Ziel der Preisstabilität liegt, zeichnet sich inzwischen immer mehr die Gefahr einer Deflation ab.

Die EZB hat zwar ein festes Inflationsziel. Aber sie unterläuft die in der EWU gemeinsam festgelegte Ziel-Inflationsrate seit geraumer Zeit. Obendrauf prognostiziert die EZB selbst, dass die Inflationsrate auf absehbare Zeit unter der Zielinflation verlaufen wird. Trotzdem halten die europäischen Währungshüter am gegenwärtigen Kurs der Geldpolitik fest, sodass die Unterbietung der Ziel-Inflationsrate bestehen bleibt.

Ist das nicht bizarr? Das ist eigentlich eine lausige Geldpolitik, wie Brad DeLong in seinem Blog beschreibt.

Jens Weidmann, Bundesbankpräsident sagt, dass die Staatsanleihenkäufe durch die EZB erhebliche Fehlanreize bergen.

Was sind aber die Risiken dafür, dass die EZB mit der QE-Politik ihre Bilanz ausweitet, solange die Ziel-Inflationsrate unterboten wird?


Inflationserwartungen in der Eurozone fallen wie Survey of Professional Forecasters nahelegt, Graph: ZKB

Die Wahrscheinlichkeit, dass die Inflation unter 1% bleibt, beträgt 53% in Jahr 2015 und 28% im Jahr 2016

Montag, 17. November 2014

Der eindrückliche Anstieg der Wahrscheinlichkeit für Deflation in der Eurozone

Auch wenn die BIP-Zahlen zum dritten Quartal 2014 die Erwartungen in der Eurozone mögen übertroffen haben, gibt es keinen Anlass zur Entwarnung.

Die EZB hat ein festes Inflationsziel (2%). Und die EZB weicht von der Zielinflation seit geraumer Zeit nach unten ab. Das Land, das am meisten gegen die gemeinsam festgelegte Ziel-Inflationsrate verstossen hat, war Deutschland, und zwar durch seine Lohndumping-Politik, wie Heiner Flassbeck in einem lesenswerten Interview in Der Standard heute unterstreicht.

Die Teuerung verharrt im Oktober bei 0,4% im Euro-Raum. Die Deflationsgefahr zeichnet sich ab: Die Markterwartungen gehen weiter von steigenden Deflationsrisiken aus, wie die von der ZKB heute vorgelegte Abbildung deutlich zeigt.



Inflationserwartungen in der Eurozone sinken weiter, Graph: ZKB

Sonntag, 16. November 2014

10y20y Euro Swaps implizieren „Japanisierung“ der Eurozone

Wie die folgende, von Morgan Stanley gelieferte Abbildung deutlich zeigt, laufen die 10y20y Swaps in Euro und Yen zusammen.

Die 10y20y Real-Renditen sind sogar inzwischen negativ geworden. Das bedeutet, dass die Märkte davon ausgehen, wie wenn die EZB die Geldpolitik in absehbarer Zeit nicht normalisieren würde.

Das ist ein Beleg dafür, wie dramatisch die wirtschaftliche Situation in der Eurozone zur Zeit ist.




Konvergierende Swaps in Euro und Yen, Graph: Morgan Stanley

Samstag, 15. November 2014

Inflationserwartungen in der Eurozone fallen weiter

Die von der EZB regelmässig befragten Ökonomen haben ihre Inflationsprognosen für die kommenden Jahre weiter gesenkt. Wie die Ergebnisse der im Oktober durchgeführten Survey of Professional Forecasters (SPF) zeigen, werden die Inflationserwartungen erneut nach unten korrigiert.

Die Umfrageteilnehmer geben folgende Faktoren aus ausschlaggebend für die aktuelle Niedriginflation an:

Rückgang der Ölpreise,
Schwache Importpreise,
Verzögerte Auswirkungen der zurückliegenden EUR-Aufwertung,
Überschusskapazitäten.

Schön und gut, aber wenn man Nägel mit Köpfen machen will, muss man sagen, dass die Niedriginflation (lowflation) eine unvorteilhafte Folge des Nachfrageausfalls ist, bedingt durch die Austeritätspolitik. 

Wenn in einer schwer angeschlagenen Wirtschaft alle sparen, sinkt die gesamtwirtschaftliche Nachfrage, wodurch sich auch das Wirtschaftswachstum verringert.


Langfristige Inflationserwartungen in der Eurozone fallen, Graph: ZKB

Preisstabilität ist nicht gleich null

Die aktuelle Inflation liegt in allen G10 Staaten (die einzige Ausnahme ist Kanada) unter dem Ziel der Preisstabilität der jeweiligen Zentralbank.

Am grössten ist der Abstand in Schweden, gefolgt von der Schweiz, wie in der von Morgan Stanley kürzlich vorgelegten Abbildung zu sehen ist.

Im Gegensatz zu allen anderen G10-Ländern ist Kanada derzeit nicht gezwungen, Deflation zu bekämpfen. Das hat damit zu tun, dass ein Dreiviertel der kanadischen Ausfuhren in die USA gehen, die grösste Volkswirtschaft der Welt, die wieder wächst.



Wie G10-Länder von der Zielinflation nach unten abgewichen sind, Graph: Morgan Stanley

FDIC schliesst eine kleine Bank in Kalifornien

Die FDIC (Einlagensicherungsbehörde) hat am Freitag eine kleine Bank in Palm Desert, California (CA) geschlossen.

Damit sind in diesem Jahr 17 Banken verstaatlicht worden, nachdem im Vorjahr insgesamt 24 Banken gescheitert waren.

Die Zahl der Bankschliessungen markiert 2013 einen deutlichen Rückgang aus den beiden Vorjahren. Dennoch ist die Zahl ungewöhnlich hoch, da in einer wachsenden Wirtschaft jährlich i.d.R. nur vier oder fünf Banken im Durchschnitt geschlossen werden.

Die gestern verstaatlichte Bank verfügt über ein Anlagevermögen (assets) von insgesamt 86,4 Mio. $ und Einlagen (deposits) von 82,1 Mio. $. Die Kosten der geschlossenen Bank betragen für die öffentliche Hand  schätzungsweise 4,7 Mio. $.

Bankpleiten:

2014: 17
2013: 24
2012: 51
2011: 92
2010: 157
2009: 140
2008: 25
2007: 3

Freitag, 14. November 2014

Warum Keynes heute wichtig ist

Wenn die nominalen Zinsen nahe null liegen (zero lower bound), verliert die herkömmliche Geldpolitik an Wirksamkeit, weil die Zinsen nicht unter null gesenkt werden können, um die Wirtschaft anzukurbeln.

Gemäss der Standard-Lehrbücher der Wirtschaftswissenschaft erzielt bei Zinsen nahe null die Fiskalpolitik die beste Hebelwirkung, wie Jean-Pierre Danthine, Vizepräsident des Direktoriums der SNB einst unterstrichen hat.

Leider sehen sich die meisten Regierungen angesichts der politischen Realitäten ausser Stande, expansive Fiskalpolitik einzusetzen, um die gesamtwirtschaftliche Nachfrage anzuregen, während das Wirtschaftswachstum weiterhin schwach bleibt und die Arbeitslosigkeit auf hohem Niveau verharrt.

Die Gegenwehr gegen Fiscal Stimulus à la Keynes basiert i.d.R. auf der Theorie der Ricardianischen Äquivalenz, wonach eine vorübergehende Steuersenkung die Ausgaben nicht stimulieren kann, weil die Menschen denken, dass die gegenwärtige Ausbeute durch Steuererhöhungen in Zukunft wieder wettgemacht würden.

Peter Temin und David Vines erklären in einem lesenswerten Artikel („Why Keynes is important today?“) in voxeu, warum der Ricardianische Ansatz nichts taugt.

Die Theorie der Ricardianischen Äquivalenz, die die derzeitige ökonomische Diskussion dominiert, beruht auf zwei wichtige Annahmen: (1) die Verbraucher sind „vorausschauend“ (forward looking) und (2) die Preise sind flexibel.

Bloomberg’s vierteljährliche Umfrage verheisst nichts Gutes für Europa

Die Weltwirtschaft befindet sich in ihrer schlimmsten Form seit zwei Jahren, während im Euro-Raum die Situation sich verschlechtert und die Gefahr einer Deflation steigt.

Das ist das Ergebnis einer von Bloomberg vierteljährlich weltweit erhobenen Umfrage, die heute vorliegt.

Eine Mehrheit von 38% der Befragten bezeichnet die Weltwirtschaft als „verschlechtert“, mehr als doppelt so viel wie in der Umfrage im Juli 2012, als die Eurozone von einer schweren Rezession geplagt war.

Das Ansehen von Angela Merkel, der deutschen Bundeskanzlerin sinkt in den Umfragen weiter, von zuletzt 72% im Juli auf nun 45%. Das ist die niedrigste Bewertung seit fast drei Jahren.



Abnehmende Popularität der Kanzlerin Merkel, Graph: Global Quarterly Poll, Nov 2014

Was ist die richtige Bilanzgrösse einer Zentralbank?

Die Bilanzsumme der Fed ist im Sog der unkonventionellen Geldpolitik von weniger als 1‘000 Mrd. USD im Jahr 2007 auf 4‘500 Mrd. USD heute gestiegen.

Auch die EZB stellt derzeit Überlegungen an, ein Anleihekaufprogramm à la Fed in Angriff zu nehmen. Die EZB-Bilanz dürfte dabeit um 1‘000 Mrd. EUR anschwellen, wie Mario Draghi neulich hat andeuten lassen. Jens Weidmann, Bundesbank-Präsident stemmt sich weiter gegen Staatsanleihekäufe durch die EZB.

Aber auch Hans-Werner Sinn ist ein prominenter Gegner der QE-Politik durch die EZB. Die Argumente lauten „Staatsfinanzierung mit der Notenpresse“ oder „Zentralbank wird zur Geissel der Politik“ usw.

Was ist aber die richtige Grösse einer Zentralbank-Bilanz?

Cecchetti und Schoenholtz liefern in einem lesenswerten Blog-Eintrag eine Antwort darauf.

Die Antwort hängt von den politischen Zielen der betreffenden Notenbank und der Art des Finanzsystems ab. Im Fall der Fed ist zu erwarten, dass die US-Notenbank ihre langfristigen Ziele auch mit weniger als die Hälfte der gegenwärtigen Aktiva erreichen kann.


Vermögenswerte der weltweiten Zentralbanken (Entwicklungsländer + fortgeschrittene Industrieländer), Graph: Cecchetti und Schoenholtz in: How big should central bank balance sheets be?, Oct 2014

Dienstag, 11. November 2014

Das Deutschland-Argument in der Eurozone

Die Eurozone steckt in einer verlängerten nachfrage-defizitären Rezession. Deutschland hingegen erzielt Überschüsse in den öffentlichen Haushalten und reduziert seine Schuldenlast und gewinnt Exportmärkte dazu. Die Krisenländer sollen Strukturreformen umsetzen und mehr Flexibilität in den Märkten zulassen und damit ihre Wettbewerbsfähigkeit selbst erhöhen.

Solche Argumente tragen vor allem Hardliner der von der deutschen Regierung auf den Rest der Eurozone aufgezwungenen Austeritätspolitik öfters vor. Neuerdings hat auch Otmar Issing in einem wunderlichen Artikel („Blame Germany for bad policies, not its reluctance to spend more“) in FT einen identischen Standpunkt vorgestellt. Seine Argumentation ist aber irrelevant, wenn v.a. die Inflationsrate in der EWU unter dem Ziel der EZB verläuft und die Zielinflation der EZB von Deutschland seit Jahren unterboten wird.

Allerdings sollte man auch nicht mit den folgenden Argumenten dagegenhalten, die auf die falsche Richtung hindeuten, schreibt Simon Wren-Lewis in seinem Blog: (1) Deutschland brauche eine expansive Fiskalpolitik und (2) Deutschland müsse seinen Nachbarn in der Eurozone helfen.

Das erste Argument ist problematisch, weil es die restriktive Fiskalpolitik (fiscal rules) legitimisiert, die eigentlich den Ursprung der gegenwärtigen ökonomischen Widrigkeiten in der Eurozone ausmacht. Steckt die Wirtschaft in einer Liquiditätsfalle, ist ein Konjunkturprogramm (fiscal stimulus) notwendig, da die herkömmliche Geldpolitik zu kurz greift, während die nominalen Zinsen nahe null liegen (zero lower bound).

Auch das zweite Argument ist heikel, weil es einerseits mit dem populistischen Sentiment in Deutschland auf einer Wellenlänge liegt, wonach Deutschland immer angefragt werde, die Krisenländer zu retten (bail-out), die haushaltspolitisch unverantwortlich verschwenderisch handeln. 

Und weil es andererseits impliziert, dass Deutschland mit seiner gegenwärtigen makroökonomischen Politik Recht hätte. Ganz im Gegenteil muss Deutschland von dieser Position (Austerität mitten in einer schwer angeschlagenen Wirtschaft) wegkommen.



Deutschlands Leistungsbilanzüberschuss im Verhältnis zum BIP, Graph: FRED, Fed St. Louis

Sonntag, 9. November 2014

Wie symmetrisch ist das Ziel der Preisstabilität der EZB?

Quantitative Easing und Forward Guidance sind die zwei auffälligsten Instrumente der unkonventionellen Geldpolitik, die die US-Notenbank im Sog des makroökonomischen Schocks von 2008 (Great Recession) eingesetzt hat.

Wenn die nominalen Zinsen nahe null liegen (zero lower bound) und die Wirtschaft unter ihrem Potenzialwachstum produziert (output gap), wird der Einsatz von unkonventionellen Massnahmen unumgänglich. Weil es an Nachfrage fehlt und die herkömmliche Geldpolitik zu kurz greift. Die richtige Antwort darauf ist im Grunde genommen eine expansive Fiskalpolitik (deficit spending). Die politischen Realitäten stehen aber im Weg.

Im Gegensatz zu der Fed tut sich die EZB auf dieser Seite des Atlantiks immer noch schwer, einen grossanlegten Kauf von langfristigen Wertpapieren in Angriff zu nehmen. Die EZB kann sich aber auch nicht mit einer Verpflichtung, kurzfristige Zinssätze über einen bestimmten Zeitraum tief zu halten, so sehr anfreunden.

Inzwischen kann das Risiko einer deflationären Entwicklung in der Eurozone nicht von der Hand gewiesen werden. Die Inflation verharrt seit geraumer Zeit unter dem Ziel der Preisstabilität der EZB. Die EZB verfehlt also das Mandat der Preisstabilität.

Obwohl die EZB die Preisstabilität als „symmetrischdefiniert, hapert es mit der Kommunikation in der Öffentlichkeit.

Die Fed hingegen hat im Januar 2012 in einem „framework statement“ in Bezug auf die Entwicklung der Kommunikation einen Meilenstein gesetzt: Das 2-Prozent-Ziel wurde als explizit erklärt. Die Übernahme des 2%-Ziels wurde im Januar 2013 und dann im Januar 2014 in weiteren „framework statements“ nochmals wiederholt.



Implizierte Wahrscheinlichkeit der Deflation in der Eurozone, Graph: Morgan Stanley

Samstag, 8. November 2014

Die Deutschland-Illusion

Buchbesprechung:

Marcel Fratzscher: Die Deutschland-Illusion. Warum wir unsere Wirtschaft überschätzen und Europa brauchen. Hanser Verlag, München, 2014


Bereits im Vorwort steht zu lesen, dass das Ziel des Buches ist, „die deutsche Perspektive mit der unserer europäischen Nachbarn zusammenzubringen, Unterscheide und Gemeinsamkeiten zu beleuchten und Lösungswege aufzuzeigen“.

Marcel Fratzscher betrachtet Deutschland als „Pol der Stabilität während der europäischen Krise“ und unterstreicht in den ersten 100 Seiten des Buches unermüdlich die nachhaltige Haushaltskonsolidierung und das „Beschäftigungswunder“, welches v.a. dem verantwortungsvollen Verhalten aller Sozial- und Tarifpartner in Deutschland zu verdanken sei, als ob es eine Tugend wäre, mitten in einer schweren Depression Ausgaben (bzw. Löhne) zu kürzen.

Gestützt auf die neoklassische Arbeitsmarkttheorie vertritt der Präsident des deutschen Institutes für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) die Meinung, dass die Lohnentwicklung die Produktivität der Arbeitnehmer nicht übersteigen darf. Sonst bestehe die Gefahr, dass Unternehmen die Beschäftigung reduzieren.

Vor diesem Hintergrund ist der Autor natürlich kein Befürworter des Mindestlohns. Wenn aber der Lohn eines Arbeitnehmers eng an seine Produktivität gebunden sein sollte, so die Vorstellung von Fratzscher, dürften Lehrer, Krankenschwester und Polizisten niemals mehr Lohn bekommen. Die Idee ist wahrscheinlich von einem anderen Stern.

Fratzscher unterrichtet zwar Makroökonomie an der Humbort-Universität, aber er ist auf das einzelwirtschaftliche Denken versessen. Dass das einzelwirtschaftliche Denken für die Gesamtheit falsch sein kann, lässt er unbeachtet.

Freitag, 7. November 2014

Das neue Bilanzziel der EZB

Die EZB hat am Donnerstag mitgeteilt, den Zinssatz für die Hauptrefinanzierungsgeschäfte (0.05%) sowie die Zinssätze für die Spitzenrefinanzierungsfazilität (0,30%) und die Einlagefazilität (-0,20%) unverändert zu belassen.

Mario Draghi hat auf der Pressekonferenz daran erinnert, was er im Europäischen Parlament gesagt hatte: Die Bilanzsumme der EZB soll in Richtung der Dimension von Anfang 2012 bewegt werden.

Damals belief sich die Bilanzsumme der EZB auf rund 3‘000 Mrd. Euro. Da die gegenwärtige Bilanzsumme rund 2‘000 Mrd. Euro beträgt, heisst das, dass die EZB im Rahmen der jüngst angekündigten Massnahmen Wertpapiere in Höhe von rund 1‘000 Mrd. Euro im Markt kaufen will.

Hier ist eine schöne Abbildung, die die ZKB heute geliefert hat:


EZB Bilanzsumme: Aktuell: EUR 2‘000 Mrd., Ziel: EUR 3‘000 Mrd., Graph: ZKB in DMO

Donnerstag, 6. November 2014

Sondersteuer für Deutschland wegen Unterbietung der Inflationsrate

Es ist Italien gelungen, zwischen 2007 und 2014 den um konjunkturelle Effekte bereinigte Haushaltssaldo (cyclically-adjusted balance) unter Kontrolle zu bringen. Auch in der gesamten Eurozone sieht das sog. strukturelle Defizit gar nicht schlecht aus.

Die Schuldenstandsquote (debt-to-GDP), d.h. Staatsschulden im Verhältnis zum BIP ist aber in den meisten Ländern in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Der Grund ist das schwache Wirtschaftswachstum und v.a. die enge Haushaltsdisziplin. Die restriktive Fiskalpolitik hat in Europa in der Tat viel Wachstum zerstört.

Italien braucht also Wirtschaftswachstum, um die Schuldenlast abzumildern. Und wenn Deutschland Italiens Austritt aus dem Euro nicht will, muss es helfen, schreibt Jim O’Neill in einem lesenswerten Artikel in bruegel blog. Und zwar so, dass die aktuelle Inflation wieder auf 2%, die Ziel-Inflationsrate der EZB steigt.

Wenn Deutschland es nicht will, ist es für den Rest der Eurozone unmöglich, die Inflation wieder auf den Pfad der Ziel-Inflationsrate zurückzubringen, so O’Neill. Der ehemalige Chefvolkswirt bei Goldman Sachs ist überzeugt, dass Deutschland niemals zulassen würde, dass Italien so etwas widerfährt wie Griechenland im Jahr 2010.


Der um konjunkturelle Effekte bereinigte Haushaltssaldo in der Eurozone, Graph: DG ECFIN

Mittwoch, 5. November 2014

Wer ist für die Niedrigzinsen verantwortlich?

Die EZB kontrolliert die kurzfristigen Zinsen. Die langfristigen Zinsen bilden sich am Markt aufgrund der Erwartungen der kurzfristigen Zinsen plus einer Laufzeitprämie (term premium).

Die langfristigen Zinsen sind niedrig, weil die wirtschaftliche Leistung in der Eurozone schwach ist. Die Volkswirtschaften der Eurozone produzieren unter dem Potenzial. Die anhaltende Produktionslücke (output gap) signalisiert deutlich die Gefahr einer Deflation. Die Angst vor der Inflation ist daher unbegründet.

Vor diesem Hintergrund bedarf es geldpolitischer und vor allem fiskalpolitischer Impulse, weil die nominalen Zinsen bereits nahe null liegen (zero lower bound) und die herkömmliche Geldpolitik zu kurz greift. Zumal die Inflationsrate ohnehin seit geraumer Zeit unter dem Ziel der Preisstabilität der EZB verläuft.

Während die Zinsen, wie in der folgenden Abbildung deutlich zu sehen ist, Warnungen vor Depression und Deflation signalisieren, lässt die politische Realität Fiscal Stimulus nicht zu. Leider.


German Bund Term Premium: auf 10 Jahre negativ, Graph: Morgan Stanley

Dienstag, 4. November 2014

Korrelation zwischen Lohnstückkosten und Inflation

Die folgende bemerkenswerte Abbildung zeigt, warum in der Euro-Zone eine Deflationsfalle (deflationary trap) à la Japan droht. Und warum die EZB eine Niedrigzinspolitik verfolgen muss.

Wird die Ziel-Inflationsrate der EZB unterlaufen, hat die EZB keine andere Wahl als die Geldpolitik zu lockern.



Entwicklung der Lohnsstückkosten und der Preise (gemessen am BIP Deflator) in Deutschland, Graph: Prof. Heiner Flassbeck

Einzelwirtschaftliches Denken versus gesamtwirtschaftliches Denken

Paul Krugman, der sich gerade in Japan befindet, analysiert in seiner lesenswerten Kolumne („Business vs. Economics“) am Montag in NYTimes die jüngsten Aktionen der japanischen Notenbank (BoJ: Bank of Japan) zur Bekämpfung der Deflation, die das Land eigentlich seit fast zwei Jahrzehnten heimsucht.

Der Nobelpreisträger der Wirtschaftswissenschaften zeigt damit im Grunde genommen den Unterschied zwischen dem einzelwirtschaftlichen und dem gesamtwirtschaftlichen Denken auf.

Zunächst schienen die Bemühungen der BoJ aufzugehen, was Gelddrucken und v.a. das Versprechen, solange Geld zu drucken, bis die Inflation auf 2% steigt. In jüngster Zeit hat die japanische Wirtschaft  jedoch an Dynamik verloren. Die BoJ hat deshalb vergangene Woche angekündigt, noch aggressivere geldpolitische Massnahmen zu treffen.

Während die Notenbank das Richtige tut, die neuen Stimulus-Massnahmen werden von nur fünf der neun Mitglieder des geldpolitischen Ausschusses der BoJ unterstützt, sind die Geschäftsleute dagegen.

Worauf der am Graduierten Zentrum der City University of New York (CUNY) lehrende Wirtschaftsprofessor diesmal hinauf deuten will, ist die fehlende wirtschaftliche Weisheit der Führungskräfte.

Montag, 3. November 2014

Beggar-my-neigbour-Politik in der Eurozone

Heiner Flassbeck zeigt anhand einer paar bemerkenswerten Abbildungen auf, warum die Löhne um die Produktivität plus die Ziel-Inflationsrate der Notenbanken wachsen müssen.

Ist das nicht der Fall, können die Preise nicht um etwa 2% zulegen. Es entstehen dann disinflationäre Kräfte. Denn es sind schliesslich die Lohnstückkosten, die die Inflationsrate bestimmen.

Lohnmoderation mündet in Depression. Der private Verbrauch stockt. Die Unternehmen investieren nicht. Ohne Investitionen gibt es keine Arbeitsplätze.

Es ist bizarr, wenn die grösste Volkswirtschaft in der Eurozone die Ziel-Inflationsrate unterbietet und gleichzeitig der EZB vorwirft, zu lange am lockeren Kurs der Geldpolitik festzuhalten.

Die EZB muss Niedrigzinspolitik verfolgen, weil das Lohnwachstum unter 2 Prozent zurück bleibt und daher mit der Ziel-Inflationsrate nicht vereinbar ist. Reagiert die EZB nicht, sieht sie einer langjährigen Deflation gegenüber.



Druck auf Löhne erzeugt Deflation, Graph: Prof. Heiner Flassbeck in: Vortrag in Erfurt, Oct  28, 2014

Sonntag, 2. November 2014

Wer Inflation unterbietet, zwingt lockere Geldpolitik

Die amerikanische Inflationsrate läuft den 29. Monat in Folge unter dem Zielwert der US-Notenbank, wie das WSJ mit der folgenden Abbildung berichtet.

Die Fed hat zwar am 29. Oktober in ihrer Stellungnahme beteuert, dass die Inflation in absehbarer Zeit auf den Pfad der Zielinflationsrate zurückkehren werde. Aber Narayana Kocherlakota vertritt eine andere Meinung.

Der Fed-Präsident Minneapolis sagt, dass die Inflationsaussichten seit Dezember auf mittlere Frist auf keine Anzeichen einer allgemeinen Verbesserung hindeuten. Wenn die Fed daran scheitert, auf die gedämpften Inflationsaussichten zu antworten, erhöht sich das Abwärtsrisiko für die Glaubwürdigkeit der von der Fed verfolgten Ziel-Inflationsrate von 2 Prozent, so Kocherlakota.

Ein Schwenk auf diese Seite des Atlantiks hilft einen Überblick über den gesamten Zusammenhang zu verschaffen.



Inflation in den USA unterbietet die Ziel-Inflationsrate der Fed seit 29 Monaten in Folge, Graph: WSJ