Mittwoch, 4. November 2015

Hysterese-Effekt grassiert

Es sind mittlerweile sieben Jahren nach dem Ausbruch der Krise verstrichen. Die Wirtschaft in der Eurozone ist aber noch immer nicht auf dem Vorkrisenniveau angelangt. Noch nie zuvor hat die Erholung aus einer Rezession so lange gedauert.

Die disinflationäre Wirtschaftspolitik im Euro-Raum ist so schwerwiegend, dass es naheliegt, zu fragen, ob das europäische BIP überhaupt wieder das Vorkrisenniveau erreichen wird?

Das wiederum deutet auf langfristige Schäden der globalen Rezession auf die Produktionskapazität und die Beschäftigung (Human Capital) im Allgemeinen in fast allen fortentwickelten Volkswirtschaften hin. Die Erwerbsquote ist in den USA mit 62,4% auf den tiefsten Wert seit 1977 gefallen, wie die FT heute berichtet.

Vor diesem Hintergrund befasst sich Larry Summers in einem von der EZB vorgelegten e-book mit dem Thema “Hysteresis Effects”. Der ehemalige amerikanische US-Finanzminister sagt, dass wir eine neue Keynesianische Wirtschaftspolitik brauchen, die mehr Keynesian ist aber weniger neu.
  


BIP im Vergleich: US versus Euro-Raum, Graph: Olivier Blanchard in: Inflation and Unemployment in Europe, 21-23 May 2015, Sintra, Portugal



Summers berichtet, dass rund 90% der Konferenz-Teilnehmer in Portugal erkennen liessen, dass es signifikante Hysterese-Effekte gebe.

Das bedeutet, dass es viel zu tun gibt. Doch verfielen viele Ökonomen (z.B. Eugen Fama, John Cochrane, um zwei Namen zu nennen) in Reaktion auf die Krise dem Trugschluss, dass Nachfrage-Mangel unmöglich wäre: Das Angebot würde seine Nachfrage selbst schaffen (Say’schesGesetz).



Euro-Raum Produktionslücke (output gap), Graph: Mario Draghi, EZB in: Inflation and Unemployment in Europe, 21-23 May 2015, Sintra, Portugal

Ganz im Gegenteil: Was die Erfahrung seit 2008 zeigt, ist, dass die unzulängliche Nachfrage sogar das Angebot beinträchtigt: Volkswirtschaften mit anhaltend träger Nachfrage erleiden Rückgänge des Potenzialwachstums und der aktuellen Output.

Antonio Fatas und Larry Summers untersuchen in diesem Kontext in einer gestern vorgestellten Forschungsarbeit (“The Permanent Effects of Fiscal Consolidation”) die Auswirkungen von Fiscal Austerity nicht nur auf die Produktion (output), sondern auch auf das Potenzialwachstum. Schlussfolgerung: Es gibt grosse negative Folgen.

Als Fazit lässt sich festhalten, dass die Austeritätspolitik in einer schwer angeschlagenen Wirtschaft viel mehr Schaden anrichtet als die herkömmliche Analyse bisher impliziert hat, wie Paul Krugman in seinem Blog unterstreicht.


US-Erwerbsquote (62,4%) auf dem niedrigsten Stand seit 1977, Graph: FT





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