Donnerstag, 27. Dezember 2018

Armutsrisiko, unsichere Arbeitsplätze und Europas Wirtschaftslehre


Deutschland hat unter den grössten Volkswirtschaften der EU den höchsten Anteil an schlecht bezahlten Arbeitsplätzen. 

Dies ist auf den Prozess der Ausgliederung des Produktionsprozesses und die Schwächung der Gewerkschaftsmitgliedschaft zurückzuführen, sagt Christian Odendahl, Chefsvolkswirt von Centre for European Reform mit Sitz in Berlin.

Die aktuellen Eurostat-Daten zeigen, dass im Jahr 2017 jeder zehnte Arbeitnehmer in einem Haushalt unterhalb der Armutsgrenze gelebt hat, eine Zahl, die seit 2016 unverändert geblieben ist und den höchsten Stand markiert.

Mit dem Ausblick, dass das Wirtschaftswachstum sich im kommenden Jahr abschwächt, verschlechtern sich auch die Aussichten für besser bezahlte und stabile Stellen in der EU, berichtet FT aus London heute am Donnerstag und liefert dazu ein paar bemerkenswerte Abbildungen.

Viele Faktoren trage dazu bei, dass die Arbeitnehmer in der EU nicht in der Lage sind, ein angemessenes Familieneinkommen zu erzielen: verkürzte Arbeitszeiten, niedrige Löhne, Alleinverdiener, Sozialabbau usw.


Das Armutsrisiko ist bei den meisten Arten von Arbeitsplätzen in Deutschland gestiegen, Graph: FT, Dec 27, 2018 

Montag, 24. Dezember 2018

Prosperity


Buchbesprechung:

Colin Mayer: Prosperity – better business makes the greater good, Oxford University Press, Jan 2019


Das Gesetz gilt der Gerechtigkeit, wie die Medizin der Gesundheit, wie das Unternehmen .... Nun, ja, wie würden Sie diesen Satz vervollständigen?

Der Friedman-Doktrin nach besteht der Geschäftszweck darin, Geld zu verdienen und den Gewinn für die Aktionäre zu maximieren. 

Das ist ein Missverständnis, unterstreicht Colin Mayer. 

Der an der Oxford University lehrende Wirtschaftsprofessor für Management Studies schreibt in seinem neulich veröffentlichten Buch, dass die Friedman-Auffassung hoffnungslos naive ist. Denn sie beruht auf einer Konzeption der Welt, die einfach elegante ökonomische Modelle erzeugt, welche sich aber in der Praxis nicht bewähren.

Die „Friedman-Doktrin“ verstehe nicht, was die Menschen motiviert, was für ein gutes Geschäft sorgt und was Regulierung zustande bringen kann. Natürlich seien Geld und Gewinne wichtig. Sie sind jedoch nicht die Hauptmotivation der Menschen oder die Hauptquelle für den Erfolg von Unternehmen, argumentiert Mayer.

Sonntag, 16. Dezember 2018

Von QE zu QT: „Cash is king“ – Auch im nächsten Jahr?


Das Marktverhalten hat es derzeit in sich: Die kurzfristigen Staatspapiere (UST Bills) übertreffen in Sachen Performance die globalen Aktien, Anleihen und Rohstoffe.

Das ist ein ungewöhnliches Ereignis, sodass einige Analysten  befürchten, dass 2019 die Gemüter erneut erhitzen könnte.

Was passiert, ist klar: 

Die Ära der mengenmässigen Lockerung der Geldpolitik (QE: quantitative easing) wird ausgetauscht, durch mengenmässige Straffung (QT: quantitative tightening) der Geldpolitik. 

Das heisst, dass die US-Notenbank ihre Bilanzsumme verkleinert und die Zinsen anhebt. Im Klartext lässt der Schub für die Aktienmärkte (ausgelöst durch die expansive Geldpolitik) allmählich nach.


Die Rendite der UST-Bills mit drei Monaten Laufzeit stimmt nun mit dem Ertrag von Bloomberg Barclays Multivers Index (Anleihen Index) überein, Graph: FT, Dec 12, 2018 („Cash is back in the spotlight as global bond yields fall”) 

Freitag, 14. Dezember 2018

USA versus China: Dichotomie auf Kreditmärkten


Während sich Anzeichen besserer Handelsbeziehungen zwischen den USA und China angeblich mehren, geschieht auf der „Nebenbühne“ Anleihemärkte etwas Ungewöhnliches.

Amerika zahlt jetzt mehr, um Geld zu leihen, als China. Siehe Abbildung.

Zur Erinnerung: Die Fed hat während der GFC (Global Financial Crisis) die Zinsen auf null gesenkt hat. Und die US-Notenbank hat seit 2015 die Zinsen achtmal auf 2,25% erhöht.

Im gleichen Zeitraum ist Chinas Referenz-Zinssatz für einjährige Kreditzinsen von 5,31% auf 4,35% gesunken, wie es aus Daten von Bloomberg hervorgeht.


Die Rendite der 12-monatigen Staatspapiere der USA liegen höher als die Rendite der 12-monatigen Staatspapiere Chinas, Graph: Bloomberg, Dec 12, 2018 

Mittwoch, 12. Dezember 2018

Handel: frei und fair?


Die Ökonomen, die sich am Lehrbuch halten, haben von Anfang an gesagt, dass die Tarife von US-Präsident Donald Trump eine schlechte Idee sind.

Zugegeben war die Ausgangslage knifflig. Der Handel mag per se frei sein. Aber der Handel zwischen Volkswirtschaften war nicht ganz fair. Hier ist Deutschland, das grösste Überschussland der Welt. Dort die USA, das grösste Defizitland der Welt. 

Dass die Amerikaner dabei Unfairness empfinden, kann daher nicht überraschen. Ob die Strafzölle aber das angemessene Mittel sind, um die Ungleichgewichte zu beseitigen bzw. Handelskonflikte zu lösen, möchte man dahingestellt sein lassen. 

Der Ball liegt im Grunde genommen bei internationalen Organisationen, die beratend herausfinden müssen, wie die Überschüsse abgebaut werden können. (*)

Jedenfalls war der Oktober der erste vollständige Monat, in dem die US-Zölle gegen volle 250 Mrd. USD aus China eingeführt wurden.

Trotz der Zölle hat das US-Handelsdefizit im Oktober den höchsten Stand seit zehn Jahren erreicht, wie aus den von WSJ neulich vorgelegten Abbildungen hervorgeht.


Das Handelsdefizit (Güter & Dienstleistungen) der USA hat einen neuen Rekordstand erreicht, trotz der kürzlich eingeführten Zölle, Graph: WSJ, Dec 7, 2018 

Sonntag, 9. Dezember 2018

Märkte signalisieren erste Zinssenkung der Fed


Ist die Katze aus dem Haus, tanzen die Mäuse auf dem Tisch.

Das Sprichwort hat insofern mit Finanzmärkten zu tun hat, als dass mit der Umkehrung der US-Ertragskurve (inverse yield curve) die Future Märkte nun auf eine erste Zinssenkung durch die Fed im Jahr 2020 hindeuten.

Bemerkenswert ist, dass der US-Dollar am Ende einer turbulenten Woche für die Finanzmärkte relativ unversehrt dasteht, auch wenn der weltweite Aktienverkauf die Erwartungen hinsichtlich weiterer Zinserhöhung der US-Notenbank beeinträchtigt hat.

Die Widerstandsfähigkeit des USD-Index ist auffällig, wie Bloomberg berichtet. Die US-Zinsstruktur-Kurve wurde invers. Die Futures an den Zinsmärkten signalisieren die erste Zinssenkung. Aber der US-Dollar hat die Woche trotzdem mit einem knappen Minus 0,4% abgeschlossen.

Das heisst, dass der US-Dollar eine wichtige Wertanlage bleibt. Der Greenback wird von vielen Investoren immer noch als „ein sicherer Hafen“ wahrgenommen.


Futures Märkte preisen die erste Zinssenkung durch die Fed im Jahr 2020, gemessen an Eurodollar Kontrakts, Graph: Bloomberg, Dec 7, 2018 

Samstag, 8. Dezember 2018

The Lies We Were Told


Buchbesprechung:

Simon Wren-Lewis: The Lies We Were Told – Politics, Economics, Austerity and Brexit, Bristol University Press, UK, October 2018.

Der schlechte Standard der öffentlichen Debatte über die Sparpolitik (fiscal austerity) war ein Hauptmotiv, weshalb Simon Wren-Lewis Ende 2011 angefangen hat, zu bloggen, wie er selbst erklärt.

Was er damit meint, ist die einseitige und unausgewogene Berichterstattung in den Mainstream-Medien über fundamentale makroökonomische Zusammenhänge.

Dafür prägt der britische Ökonom den Begriff „Mediamacro“. Die „Mediamacro“ spricht beispielsweise von einer „boomenden Wirtschaft“, während die Wirtschaft im historischen Vergleich eine ausserordentlich schwache Phase durchläuft. 

Ferner stellt die „Mediamacro“ Haushaltsdefizite stets in den Mittelpunkt, anstelle von Lebensstandards von Menschen. Die Frage zum Beispiel, warum Haushaltsdefizite ein wichtigeres Problem darstellen sollen als Massenarbeitslosigkeit, bleibt unbeantwortet.

Die Mediamacro war beispielsweise der entscheidende Faktor hinter dem Erfolg der konservativen Partei in Grossbritannien, v.a. was die Wahl von 2015 betrifft.

Mittwoch, 5. Dezember 2018

Rezession oder andere Risiken am Horizont


Es wurde längst erwartet. Nun ist sie eingetroffen. Die US-Ertragskurve (yield curve) wurde invers, und zwar am kurzen Ende: Der Rendite-Abstand (spread) zwischen drei- und fünfjährigen Anleihen ist unter null gefallen. Das heisst, dass die zweijährige Rendite über der fünfjährigen liegt.

Es ist erstaunlich, dass diese Situation, die Investoren als Vorbote einer Rezession betrachten, wenn sie v.a. den Rendite-Abstand zwischen zwei- und zehnjährigen Anleihen betrifft, zu einem denkbar „günstigen“ Zeitpunkt entstanden ist.

Die US-Administration hat gerade jetzt mit Stolz einen „Waffenstillstand“ im Handelsstreit mit China angekündigt. Die Wirtschaft wächst. Die Inflation gilt per Definition am Ziel angekommen. Und die Arbeitslosigkeit ist niedrig.

Doch die Weltwirtschaft scheint im Moment irgendwie risikobehaftet.

Und die Umkehrung der Rendite-Kurve gehört zu den Gefahren, die von Zentralbanken genau überwacht werden. 

Droht eine Abkühlung der US-Wirtschaft?

Eine inverse Zinsstruktur-Kurve deutet i.d.R. auf eine schwächere Wirtschaft hin. Wenn die Zinsen am kurzen Ende steigen und am langen Ende sinken oder stagnieren, signalisieren die Anleihemärkte, dass die Geldpolitik zu straff ist.


Rendite-Spread für US-Staatsanleihen mit 3 und 5 Jahren Laufzeit, Graph: BloombergTV, Dec 5, 2018 


Montag, 3. Dezember 2018

Prognostiziert die Renditekurve wirklich eine Rezession?


Es ist allgemein bekannt, dass Rezessionen in den USA häufig eine Umkehr der Zinsstrukturkurve (inversion of yield curve) vorausgegangen ist.

Die Frage ist, ob es ökonomische Gründe dafür gibt.

Die meisten Renditekurve-Analysen beziehen sich auf Nominalzinsen. Die Wirtschaftstheorie betont jedoch die Relevanz der realen (inflationsbereinigten) Zinssätze, schreiben David Andolfatto und Andrew Spewak in einem aktuellen Blog-Eintrag bei der St. Louis Fed.

Gemäss der Standard-Asset-Pricing Theorie misst der Realzinssatz die Rate, mit der der Konsum voraussichtlich über einen bestimmten Zeithorizont ansteigen wird.

Eine hohe Rendite von einem Jahr signalisiert ein über einen Zeitraum von einem Jahr erwartetes hohes Wachstum.

Eine hohe 10-jährige Rendite signalisiert ein voraussichtlich hohes Wachstum über einen Zeitraum von 10 Jahren. 

Wenn die Differenz zwischen der 10-jährigen und der 1-jährigen Rendite positiv ist, wird erwartet, dass sich das Wachstum beschleunigt.

Wenn die Differenz negativ ist, das heisst, wenn die reale Renditekurve invertiert, wird erwartet, dass sich das Wachstum verlangsamt.


Der reale Rendite-Spread zwischen UST mit 10y und 1y Laufzeit, Graph: David Andolfatto and Andrew Spewak, FRED Blog, Nov 2018


Die Abbildung zeigt die Spanne der Realrendite zwischen 10 und 1 Jahr sowie die Wachstumsrate des realen Pro-Kopf-Verbrauchs (ohne Gebrauchsgüter) gegenüber dem Vorjahr.

Wie aus der Abbildung hervorgeht, wurde die reale Renditekurve vor jeder der drei letzten Rezessionen (1985-86, 1988-89 und 2006-07) abgeflacht und invertiert.

Sonntag, 2. Dezember 2018

Löhne, Inflation und Wettbewerbsfähigkeit im Euroraum


Morgan Stanley liefert im „2019 European Economic Outlook” ein paar sensationell schöne Abbildungen.

Die eine davon zeigt, wie sich die Löhne entwickeln. 

Was wir sehen, ist etwas Lohnwachstum. Und dies könnte sich als unterstützend für den privaten Konsum erweisen.

Aber auch die Lohnstückkosten, d.h. um die Produktivität angepasste Löhne, steigen. Und das kann natürlich auch eine treibende Kraft für eine höhere Inflation sein, wie Morgan Stanley mit Recht hervorhebt.

Warum ist diese Entwicklung wichtig?

Weil wir damit die makroökonomischen Ungleichgewichte im Euroraum besser und nüchtern angehen können.


Das Lohnwachstum beginnt, vom Boden aufzuheben, Graph: Morgan Stanley, Nov 28, 2018