Samstag, 27. Juli 2024

Central Bank Capitalism

Buchbesprechung

Joscha Wullweber: Central Bank Capitalism - Monetary Policy in Times of Crisis, Stanford University Press, August 2024.


Das globale Finanzsystem ist ohne Zweifel inhärent instabil

Was die Bedeutung von Finanzregulierung und -aufsicht offenkundig unterstreicht, ist sicherlich nicht schwer zu erkennen: die zyklische Natur der Finanzmärkte und die Risiken, die mit Phasen übermäßigen Optimismus und überzogener Fremdkapitalisierung einhergehen.

Es ist zudem ein offenes Geheimnis, dass die Stabilität im heutigen marktliberalen Finanzsystem seit den 1980er Jahren eher die Ausnahme als die Regel ist. 

Die COVID-19-Pandemie und die globale Finanzkrise (GFC) sind keine Ereignisse, die in einem ansonsten stabilen Finanzsystem auftreten würden.

Der Begriff "Zentralbankkapitalismus" bezieht sich vor diesem Hintergrund auf einen grundlegenden Wandel, der sich im heutigen Kapitalismus vollzieht:

Gemeint ist der laufende Prozess, der während der GFC deutlich wurde: Der radikale und tiefgreifende Umbruch des Wesens der westlichen Wirtschafts- und Finanzsysteme.

Sonntag, 21. Juli 2024

Besessenheit mit Schuldenbremse: Deutschland steckt die Schweiz an

Eine unverhohlene Paranoia wegen Defizit


Die giftige Besessenheit von der Schuldenbremsedebt brake») scheint sich von Deutschland auf die Schweiz auszubreiten.

Wie Yves Wegelin in Republik Magazin ausführlich berichtet, hat das Schweizer Finanzdepartement im Frühling eine «Expertengruppe» zur «Bereinigung des Bundeshaushaltes» beauftragt.

Finanzministerin Karin Keller-Sutter (FDP) will herausfinden, wo der Staat sparen soll. Lobbyisten, angeführt von einer privaten Denkfabrik warnen vor angeblich ausufernden Staatsausgaben in der Schweiz.

Die Ausgaben des Bundes mögen zwar seit 1990 stark gestiegen sein. Aber das gilt nur in absoluten Zahlen. Denn auch die Schweizer Wirtschaft (gemessen am BIP) ist seither stark gewachsen.


Öffentliche Investitionen in der Schweiz und in Deutschland, Graph: FT, July 17, 2024.

 

Samstag, 20. Juli 2024

Money Capital

Buchbesprechung: 

Money Capital: New Monetary Principles for a More Prosperous Society. By Patrick Bolton and Haizhou Huang, July 16, 2024 (UK), Princeton University Press, London.


Wenn es um die Preisstabilität geht, geht es im Allgemeinen auch darum, zu ergründen, wie viel Papiergeld der Staat bereitstellen sollte. 

Doch die Monetaristen haben keine vollständige Antwort auf diese Frage. Das typische Argument, das angeführt wird, bezieht sich auf die «Friedman-Regel»: Die optimale Wachstumsrate der Geldmenge ist negativ.

Bemerkenswert ist, dass die Friedman-Regel u.a. auch das Denken hinter den Bemühungen zur Schaffung von Krypto-Währungen beeinflusst hat:

Das Design von Bitcoin zielt nämlich darauf ab, sein Wachstum durch «Mining» zu begrenzen, um seinen Wert zu steigern und so einen Anreiz für Investoren zu schaffen, den unverzinslichen Token zu halten.

Doch die Frage, ob die Gesamtmenge an Bitcoin ausreicht, um die Nachfrage nach Transaktionsdiensten zu decken, wird nicht wirklich beantwortet.

Zur Erinnerung: Der Grundgedanke des Monetarismus beinhaltet eine 1-zu-1-Beziehung zwischen Geldmenge- und Preisniveau-Veränderungen. 

Empirisch zeigt sich jedoch, dass dies in den Daten nach 1964 weder für die USA noch für andere Länder gut zu erkennen ist. Außerdem kann der Monetarismus einige neuere Entwicklungen nicht erklären, darunter die Folgen der Finanzkrise von 2008 (GFC) und die wirtschaftliche Entwicklung Chinas.

Samstag, 13. Juli 2024

Währungssouveränität, hohe Defizite und finanzpolitische Falken

US-Dollar und seine Stabilität als globale Währung


China spielt in den globalen Produktionsketten nach wie vor eine herausragende Rolle. Wenn Chinas Exportpreise sinken, werden seine Exporte wettbewerbsfähiger, was sich auf die lokale Industrie in den Ländern auswirkt, die chinesische Waren importieren.

Ein wichtiger Faktor zudem ist, dass in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften in den letzten Jahren eine Politik des "de-risking" und "on-shoring" gefördert wird.

Und zwar in Form von erstens Bildung von Handelsblöcken und zweitens der Diversifizierung der Zentralbank-Reserven weg vom US-Dollar.

Mit anderen Worten nehmen Bemühungen um sog. «Entdollarisierung» («dedollarization») derzeit zu, während nach wie vor rund 60% aller Devisenreserven in der US-Währung gehalten werden. 


Der Wert des Dollars wird durch relative Zins- und Wachstumsunterschiede zwischen den USA und dem Rest der Welt beeinflusst, Graph: Morgan Stanley, July 09, 2024.


Dienstag, 9. Juli 2024

Euro: Eine Währung ohne Land

Frankreich und EZB: “Lender of Last Resort” versus Vormachtstellung der Finanzmärkten


Bundesfinanzminister Christian Lindner hat bei einer Veranstaltung des Ifo-Instituts in München gesagt, dass er ein mögliches Eingreifen der Europäischen Zentralbank (EZB) rechtlich prüfen lassen würde, sollte der Ausgang der französischen Parlamentswahlen einen massiven Ausverkauf von Staatsanleihen des Landes auslösen.

Zur Erinnerung: Die überraschende Entscheidung von Präsident Emmanuel Macron vom 9. Juni, in Frankreich Neuwahlen einzuberufen, hat die Anleiheinvestoren verunsichert und dazu beigetragen, dass der Rendite-Aufschlagspread») der französischen Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit gegenüber deutschen Bundesanleihen kräftig gestiegen ist.


Euro-Renditespreads Frankreich - Deutschland: Der "Chuck-Norris-Effekt" der Geldpolitik bedeutet, dass eine Zentralbank kein Geld drucken muss, um den geldpolitischen Kurs zu lockern, wenn es sich um eine glaubwürdige Zentralbank mit einem glaubwürdigen Ziel handelt, Graph: John Authers, Bloomberg July 2024.

Dienstag, 2. Juli 2024

Wirtschaftspolitik: USA ("go big, go early") vs. EU ("depression nap")

Eine Hochdruck-Wirtschaft - keine Überhitzung


Joe Biden (82) hat im CNN-Fernsehstudio in Atlanta ohne Zweifel enttäuscht. Doch sein Herausforderer war auch nicht besser. 

Donald Trump (78) schreckt davor nicht zurück, Unsinn zu behaupten und Unwahrheiten zu verbreiten. Eindämmung von Migration ist ohne Zweifel der Schwerpunkt der Wahl-Kampagne von Trump. 

Die «Gefahr der Überfremdung» ist praktisch das zentrale Thema aller rechtspopulistischen Strömungen auch in Europa. Aus Zuwanderung werden alle aktuellen wirtschafts- und sozialpolitisch begründeten Probleme abgeleitet.

Mit keinem Thema betreiben die Republikaner so lustvoll Polemik wie mit der Behauptung, dass Biden Amerika "zerstöre", indem er eine "Invasion" von Migranten zulasse, so die Zeit aus Hamburg.


Die Produktivität in den USA nach der Pandemie übertrifft die der anderen Länder, Graph: FT, June 28, 2024