Donnerstag, 31. Juli 2014

Inflation Vigilantes reden nun von „Deflationslüge“

Die jährliche Inflation im Euro-Raum ist im Juli 2014 auf 0,4% gesunken, wie eurostat heute mitteilt. Das bedeutet ein Rückgang gegenüber 0,5% im Juni 2013.

Die Paranoia um die Inflation ist aber weit verbreitet.Inflation Vigilantes malen seit mittlerweile sechs Jahren den Teufel an die Wand. Die Very Serious People machen uns Angst: Die Inflation ist um die Ecke.

Mainstream Makroökonomen haben von Anfang an vorausgesagt, dass

(1) das Haushaltsdefizit in einer schwer angeschlagenen Wirtschaft nicht inflationär ist, 

(2) der Anstieg der Notenbankgeldmenge (monetary base) im Fiat-Money System, wenn die Wirtschaft in einer Liquiditätsfalle steckt und die nominalen Zinsen nahe null liegen (zero lower bound), nicht zu einem Anstieg der Zinsen führt, 

(3) die Austeritätspolitik zur Schrumpfung der Wirtschaft beiträgt und 

(4) der Fiscal-Multiplikator positiv ist, wenn es infolge der Depression an Nachfrage fehlt.

In einem Meinungsartikel im WSJ wurden Mainstream Makroökonomen, die eine nachfrageorientierte Konzeption an den Tag legen, und deshalb, die Erwartung, dass die Inflation durch die Decke schiessen werde, zurückwiesen, als „fancy theorists“ abqualifiziert.

Arbeitslosigkeit und Skills-Gap Story

Die Skills Mismatch-Story über Arbeitslosigkeit ist übertrieben und nicht überzeugend, schreibt Gary Burtless in einem lesenswerten Artikel in Brookings.

Die Arbeitslosenquote ist in den USA auf 6,1% gesunken. Unternehmen beschweren sich schon über einen Fachkräftemangel (skills shortage). Für einen Ökonomen ist der zumeist zugängliche und überzeugende Beweis für einen Fachkräftemangel in den Lohn-Daten zu finden.

Wo ist der Beweis der steigenden Vergütung für Arbeitnehmer, deren Kompetenzen (skills) angeblich zu knapp bemessen sind? In den Medien lesen wir häufig anekdotische Berichte, die uns informieren wollen, dass einige Arbeitgeber Mühe hätten, für Stellenangebote (job openings) entsprechende Mitarbeiter zu finden.

Was sich in den Lohn-Daten schwer finden lässt, ist die Unterstützung für die skills-mismatch Hypothese, betont Brutless. Es gibt kaum Evidenz dafür, dass die Löhne und Vergütungen viel schneller als 2% im Jahr wachsen (d.h. mehr als die Inflation).

Obwohl die Arbeitslosigkeit gesunken ist, gibt es noch 2,5 mal so viele aktive Arbeitsuchende als Stellenangebote. Zugleich gibt es zwischen 3 und 3,5 Millionen potenzielle Arbeitnehmer ausserhalb der Arbeitskräfte, die zu Arbeitsuchenden werden würden, wenn sie glaubten, dass es einfacher sei, einen Job zu finden.




Durchschnittswochenverdienst der Arbeitskräfte (Löhne und Saläre) in den USA, Graph: Gary Burtless

Mittwoch, 30. Juli 2014

Mindestlohnerhöhung belastet Jobwachstum nicht

Das Standard-Argument gegen einen höheren Mindestlohn lautet, dass dadurch Arbeitsplätze vernichtet werden, weil Arbeitgeber nicht mehr auszahlen können und deshalb Mitarbeiter entlassen oder neue nicht anstellen.

Es ist jedoch wichtig, hervorzuheben, dass diese Behauptung von der Forschung und der empirischen Erfahrung nicht gestützt wird. Der Mindestlohn wurde schon viele Male ohne negative Auswirkungen auf die Beschäftigung erhöht.

Arbeitgeber können die höheren Kosten (a) durch reduzierte Fluktuationen (Personalwechsel), (b) durch geringere Erhöhungen weiter auf der Lohnskala und (c) durch Preiserhöhungen oder (d) andere Anpassungen ausgleichen.

Neue Beweise zeigen, dass in den US-Bundesstaaten, wo der Mindestlohn jeweils angehoben worden ist, schneller Arbeitsplätze geschaffen wurden als in den US-Bundesstaaten ohne Mindestlohnerhöhung, wie Teresa Tritch in einem lesenswerten Artikel („Higher Minimum Wage, Faster Job Creation“) in NYTimes berichtet.

Das bedeutet nicht, dass die Beschaffung von Arbeitsplätzen auf einen höheren Mindestlohn zurückgeht, wie die Autoren der Analyse von CEPR betonen. Aber die Ergebnisse deutet darauf hin, dass die Erhöhung des Mindestlohns die Beschaffung von neun Stellen nicht beeinträchtigt.

Dienstag, 29. Juli 2014

Rendite der deutschen Bundesanleihen mit neuen historischen Tiefständen

Wenn es infolge einer schweren Rezession an Nachfrage fehlt, die Arbeitslosigkeit auf hohem Niveau verharrt, und die Einkommenssituation der privaten Haushalte wegen der Lohnmoderation sich nicht verbessert, bleiben die Zinsen niedrig.

Die im Sog der Finanzkrise von 2008 weltweit wachsende Nachfrage nach liquiden, sicheren und hochwertigen Staatspapieren hat zudem die Renditen insbesondere in den USA und in Deutschland besonders stark gedämpft.

Es ist daher lachhaft, zu behaupten, wie der Versicherungskonzern Allianz es tut, dass die EZB die Zinsen auf nahe null gesenkt habe, um die von der Krise stark betroffenen Staaten im Euro-Raum zu helfen, wodurch deutschen Anlegern Einnahmen entgingen.


Die Rendite der Bundesanleihen erreicht neue historische Tiefstände – Die Realrendite ist negativ, Graph: Morgan Stanley

Montag, 28. Juli 2014

Zentralbanken fordern Lohnwachstum

Die führenden Zentralbanken fordern plötzlich höhere Löhne. Was ist los?

Zunächst war es die Fed: Janet Yellen, die Präsidentin der US-Notenbank hat im Ende März 2014 gesagt, dass die niedrige Wachstumsrate der Löhne weiteres Zeichen dafür sei, dass die Arbeit der Fed nicht fertig ist.

Das heisst, bevor die Fed die Zinsen erhöht, will sie Lohnwachstum sehen. Das wiederum bedeutet, dass die Fed mit aller Deutlichkeit auf den Zusammenhang zwischen Löhnen (Lohnstückkosten) und Preisen (Inflationsrate) hinweist.

Dann kam die Bundesbank: Laut Jens Ulbrich, Chefökonom der Bundesbank sieht die Deutsche Bundesbank Spielraum für höhere Lohnabschlüsse in Deutschland, wie Spiegel-Online berichtet.

Am Wochenende hat sich die EZB zu Wort gemeldet: Peter Praet, Chefvolkswirt der europäischen Notenbank sagt, dass höhere Löhne in Deutschland angemessen seien, angesichts der niedrigen Inflation und des sich in guter Verfassung befindenden Arbeitsmarktes.


Der enge Zusammenhang zwischen Inflation und Lohnstückkosten (unit labor costs), Graph: Prof. Heiner Flassbeck

Unternehmen: Listige Schlitzohre und Steuerumgehung

Paul Krugman vertritt in seiner lesenswerten Kolumne („Corporate Artful Dodgers“) am Montag in NYTimes die Meinung, dass der US-Kongress gegen die „mehr denn je aggressive Steuervermeidung“ der Unternehmen etwas unternehmen soll.

Der im in New York angesiedelten Luxembourg Income Study Center forschende Wirtschaftsprofessor nimmt dazu das aktuelle Urteil des Obersten Gerichtshofs der Vereinigten Staaten (Supreme Court) zum Anlass, wonach Unternehmen Menschen seien, mit allen damit verbundenen Rechten.

Es gibt aber einen grossen Unterschied, zwischen juristischen Personen und Personen wie Ihnen und mir, so Krugman: Der aktuelle Trend läuft auf eine Welt hinaus, wo nur menschliche Wesen Steuern zahlen.

Wir sind noch nicht so weit: Die US-Regierung bekommt ein Zehntel der Steuereinnahmen aus der Besteuerung der Unternehmensgewinne. Die Quote lag aber in der Vergangenheit viel höher. Ein Drittel der Einnahmen stammten in den früheren 1950er Jahren aus Gewinnsteuern.

Ein Teil des Rückgangs ist auf den Rückgang der Steuerquote zurückzuführen. Hauptsächlich reflektiert die Entwicklung aber die „mehr denn je aggressive Steuervermeidung“: Steuerumgehung, wogegen die Politik so gut wie nichts unternommen hat, erklärt der am Graudierten Zentraum der City University of New York (CUNY) lehrende Ökonom.



Steuereinnahmen der öffentlichen Hand aus Unternehmen in den USA, Graph: Danielle Kurtzleben, July 25, 2014 in „Corporations used to pay almost one-third of federal taxes. Now it’s one-tenth” via vox.

Sonntag, 27. Juli 2014

Warum sind Mächtige gleichgültig und hartherzig?

Vor dem Hintergrund der sich verschärfenden Vermögenskonzentration und des Anstiegs des Einkommensanteils des reichsten Zehntels in den grossen Volkswirtschaften der Welt stellt sich u.a. auch die Frage, ob der Geldadel und die mächtigen Menschen so hartherzig und gleichgültig gegenüber Problemen der weniger wohlhabenden Menschen sind.

Michael Inzlicht und Sukhvinder Obhi befassen sich in einem lesenswerten Artikel („Powerful and Coldhearted“) in NYTimes genau mit dem Thema, ob Menschen in hohen Positionen der Macht – z.B. Präsidenten, Bosse, Berühmtheiten, auch dominante Ehepartner – mit denjenigen unter ihnen leicht mitfühlen können?

Psychologische Forschung legt nahe, dass die Antwort nein ist.

Warum lässt die Macht aber Menschen scheinbar kaltherzig zurück?

Einige wie die Psychologin Susan Fiske von der Princeton University sagen, dass mächtige Menschen sich um die Menschen herum nicht kümmern, weil sie sie nicht brauchen, um auf wichtige Ressourcen zurückzugreifen. Als Menschen mit Macht verfügen sie bereits reichlich über Quellen.

Die Autoren der Analyse deuten auf einen anderen, wenn auch ergänzenden Grund aus der kognitiven Neurowissenschaften hin. Auf der Basis einer in Zusammenarbeit mit Jeremy Hogeveen veröffentlichten Studie im Journal of Experimental Psychology vertreten sie die Ansicht, dass das Gehirn der Menschen, die Macht erlangen, sich grundlegend verändert, wie empfindlich sie Aktionen der anderen Menschen gegenüber werden.

Samstag, 26. Juli 2014

Wie die neoklassische Arbeitsmarkttheorie im Euro-Raum scheitert

Die Euro-Krise ist nicht durch unverantwortliche Haushaltsführung zustande gekommen. Mit dem Ausbruch der Finanzkrise von 2008 wurde deutlich vor Augen geführt, dass das eigentliche Problem der EU-Peripherie darin bestand, Kosten und Preise nach unten anzupassen (wegen des deutschen Unterschiessens der Lohnstückkosten).

Während die Löhne an der Peripherie kräftig zulegten, stagnierten sie im Kern. Die Lohnstückkosten sind folglich dramatisch auseinander gelaufen. Südeuropa verlor an Wettbewerbsfähigkeit. Insbesondere hat Deutschland sich damit einen Wettbewerbsvorsprung verschafft.

Da die Schuldner-Länder keine eigene Währung haben, hat die EU-Kommission zur Senkung der Kosten internal devaluation (interne Abwertung) verordnet.

Die Austeritätspolitik würde nach der angebotsorientierten Konzeption der EU-Behörden die gesamtwirtschaftliche Nachfrage reduzieren und die Arbeitslosigkeit erhöhen. Die höhere Arbeitslosigkeit würde im Gegenzug die Lohnforderungen mässigen und zu einer Verringerung des Wachstums der Nominallöhne führen.


Inflation und Geldmenge M3 in der Euro-Zone, Graph: Morgan Stanley
Die Inflation dürfte demnächst im Juli 2014 mit 0,3% (im Juni 0,5%) einen neuen Tiefstand erreichen.

FDIC schliesst eine kleine Bank in Illinois

Die FDIC (Einlagensicherungsbehörde) hat am Freitag eine kleine Bank in Chicago, Illinois (IL) geschlossen.

Damit sind in diesem Jahr 14 Banken verstaatlicht worden, nachdem im Vorjahr insgesamt 24 Banken gescheitert waren.

Die Zahl der Bankschliessungen markiert 2013 einen deutlichen Rückgang aus den beiden Vorjahren. Dennoch ist die Zahl ungewöhnlich hoch, da in einer wachsenden Wirtschaft jährlich i.d.R. nur vier oder fünf Banken im Durchschnitt geschlossen werden.

Die gestern verstaatlichte Bank verfügt über ein Anlagevermögen (assets) von insgesamt 72,9 Mio. $ und Einlagen (deposits) von 71 Mio. $. Die Kosten der geschlossenen Bank betragen für die öffentliche Hand  schätzungsweise 14,2 Mio. $.

Bankpleiten:

2014: 14
2013: 24
2012: 51
2011: 92
2010: 157
2009: 140
2008: 25
2007: 3

Freitag, 25. Juli 2014

Geldmenge, Notenbankgeldmenge und Inflation

Die SNB hat zuletzt im Rahmen der geldpolitischen Lagebeurteilung von 19. Juni 2014 erklärt, dass für die Schweiz auf absehbare Zeit weiterhin keine Inflationsrisiken bestehen.

Die SNB hat sogar die neue Prognose für 2015 und 2016 mit 0,3% und 0,9% um jeweils 0,1% Prozentpunkte tiefer gesetzt als bei der letzten Lagebeurteilung.

Trotz des kräftigen Geldmengenwachstums gibt es also in der Schweiz keine Inflation. Wer daran geglaubt hat, dass die Wirtschaft durch das Angebot eingeschränkt war, hat einen starken Anstieg der Inflation vorausgesagt.

Wer eine nachfrageorientierte Konzeption an den Tag gelegt und die Auswirkungen der Nullgrenze für nominale Zinsen (zero lower bound) mitberücksichtigt hat, hat einen Anstieg der Inflation von Anfang an kategorisch ausgeschlossen. Zumal die Notenbank nicht die Geldmenge kontrolliert, sondern nur die Notenbankgeldmenge (Geldbasis).

Die folgende Abbildung der ZKB bietet dazu ein reichliches Anschauungsmaterial: Ein Chart zum Einrahmen lassen.



Schweizer Geldpolitik im Sog der Finanzkrise von 2008: Geldmengenwachstum versus Inflation, Graph: ZKB in DMO

Donnerstag, 24. Juli 2014

Sparpolitik führt zu höheren Schulden im Euro-Raum

Der öffentliche Schuldenstand im Euro-Raum ist im ersten Quartal 2014 auf 93,9% des BIP gestiegen, gegenüber 92,7% am Ende des vierten Quartals 2013.

Bemerkenswert ist, die höchsten Verschuldungsquoten von Griechenland (174,1%), Italien (135,6%) und Portugal (132,9%) verzeichnet wurden. Es handelt sich dabei um die Länder, die von Brüssel und Berlin angehalten worden sind, trotz hoher Arbeitslosigkeit einer harschen Sparpolitik zu folgen.

Das zeigt, dass es so etwas wie eine „expansive Fiskalkontraktion“ nicht gibt. Die illusionäre Austeritätspolitik der EU-Kommission ist damit endgültig gescheitert, was von Anfang an klar war.

Spart Südeuropa, kann der Rest im Euro-Raum nicht wachsen (fallacy of composition). Die Ausgaben des einen sind die Einnahmen des anderen. Wenn eine Regierung versucht, in einer schwer angeschlagenen Wirtschaft das Haushaltsdefizit zu senken, schrumpft das gesamte Volkseinkommen, weil gleichzeitig die Einnahmen der öffentlichen Hand zurückgehen, weil private Haushalte und Unternehmen sich mit Ausgaben zurückhalten. Das Haushaltsdefizit nimmt am Schluss nicht ab.

Schuldnerländer melden zwar sechs Jahre nach dem Ausbruch der Krise Verbesserungen in Bezug auf ihre Wettbewerbsfähigkeit. Aber die jüngsten Verbesserungen in Südeuropa gehen mit einem Rückgang der Binnennachfrage und dem Rückgang der Beschäftigung einher, begleitet von sinkenden Lohnstückkosten.



Der öffentliche Schuldenstand im Euroraum im ersten Quartal 2014, Graph: eurostat in: euroindikatoren

Mittwoch, 23. Juli 2014

Expansive Fiskalkontraktion gibt es nicht

In Deutschland sind die Löhne und Gehälter in den zehn Jahren vor dem Ausbruch der Eurokrise kaum stärker gestiegen als die Produktivität. Südeuropa war daher 2008 gezwungen, die Kosten und Preise nach unten anzupassen.

Es ist ein offenes Geheimnis, dass das deutsche neo-klassische Wirtschaftsmodell für das Auseinanderlaufen der Wettbewerbsfähigkeit in der Eurozone verantwortlich ist. Deutschland hat den Rest der EU mit Lohndumping an die Wand gedrückt.

Die EU-Kommission hat als Abhilfe Austeritätspolitik verordnet, um das Scheitern der EWU zu verhindern. Da die Schuldnerstaaten über keine eigene Währung verfügen, müssen sie die Kosten via „interne Abwertung“ senken, was eine lange Phase der Massenarbeitslosigkeit bedeutet.

Die sinkenden Lohnstückkosten sollen Schuldnerstaaten helfen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu steigern und ihre Leistungsbilanz zu fördern. IMF-Ökonomen halten in einem gestern veröffentlichten Beitrag im iMFdirect fest, dass die neulich gewonnene Wettbewerbsfähigkeit dem Rückgang der Lohnstückkosten zu verdanken ist.

In Griechenland und Irland fielen die Lohnstückkosten v.a. durch eine etwa gleich grosse Mischung von Löhnen und Beschäftigung, während in Spanien der Rückgang Lohnstückkosten aufgrund der rückläufigen Beschäftigung zustande kam.



Entwicklung der Lohnstückkosten in der Eurozone im Einzelnen, Graph: IMF Blog  iMFdirect

Dienstag, 22. Juli 2014

Austeritätspolitik auf Kosten von Menschen

Die Austeritätspolitik der EU hat von Anfang an auch Ausgabenkürzungen für Bildungswesen und Kultur mitgebracht. Spanien beispielsweise hatte bereits vor zwei Jahren die Investitionen für Bildung, Kultur und Sport radikal um 21% gesenkt.

Die harschen Sparmassnahmen der europäischen Länder gehen auf Kosten der öffentlichen Investitionen in Bildung, Transport, Unterkunft und anderen Bereichen, berichtet das WSJ in seiner heutigen Ausgabe.

Das wiederum belegt, dass Fiscal Austerity (Haushaltskonsolidierung trotz Massenarbeitslosigkeit) ganz eindeutig eine liquidationistische Sicht der Depression ist.


Austerität führt zur Kürzung der öffentlichen Ausgaben für Bildung in der Eurozone, Graph: WSJ Blog Real Time Economics

„Neomonetaristen“ versus „Neofiskalisten“

In der amerikanischen Blogosphäre findet derzeit eine interessante Debatte statt. Es geht, vereinfacht ausgedrückt, um die Frage, ob Keynesianer und Markt Monetaristen symmetrisch sind? Das heisst, ob sie in Bezug auf die Anordnung deckeungsgleich sind.

Nick Rowe sagt ja. Simon Wren-Lewis sagt nein. Wer hat recht?

Der Ausgangspunkt ist eine Aussage von Paul Krugman: Der am Graduierten Zentrum der City University of New York (CUNY) forschende Wirtschaftsprofessor hat vor einer Weile gesagt, dass die Markt Monetaristen in der modernen konservativen Bewegung keine Resonanz finden.

Rowe entgegnet: Die Aussage gilt auch für Fiskalisten („neofiscalist“), die es nicht geschafft haben, in den Regierungen, nicht einmal der Linken, Fuss zu fassen. Wo liegt also der Unterschied, fragt der an der Carleton University, Ottawa, Kanada lehrende Wirtschaftsprofessor.

Ja, es stimmt, antwortet Wren-Lewis auf Rowe: „Es ist wahr, wir haben es aber irgendwie gewusst“. Der an der Oxford University lehrende Wirtschaftsprofessor verwendet im Gegensatz zu Rowe, der von „Neomonetaristen“ und von „Neofiskalisten“ redet, lieber die Bezeichnung Markt Monetarist (MM).

Montag, 21. Juli 2014

Steuererhöhung und Arbeitsplatzbeschaffung

David Cay Johnston unterstreicht in einem lesenswerten Artikel in The Sacramento Bee, wie California Propositon 30 (2012) zu einem Anstieg der Arbeitsplätze beigetragen hat.

Es handelt es sich um eine Initiative zur Erhöhung der Umsatz- und Einkommenssteuer in Kalifornien, dem mit Abstand bevölkerungsreichsten Bundesstaat der USA. Das Ziel war, via Steuererhöhung eine Kürzung des Bildungshaushalts der staatlichen Schulen in Kalifornien zu verhindern.

Die Massnahme wurde in einer Abstimmung vom Volk angenommen. 

Im Vorfeld hatte der Verband der Steuerzahler (Sacramento Taxpayers Association) argumentiert, dass die Initiative, falls angenommen, Arbeitsplätze vernichten und Kleinunternehmen belasten würde. Es ging um eine Steuererhöhung (rückwirkend) um 3% für die Einkommensgruppe „Millionen Dollar +“ für jeden zusätzlichen US-Dollar, betont Johnston.

Was ist am Anfang 2013 nach der Zustimmung des Volkes zur Steuererhöhung geschehen?

Sonntag, 20. Juli 2014

Gold und Austrian Economics

Man kann nicht sagen, dass Gold eine Fehlinvestition ist. Auch nach dem jüngsten Absturz hat man, wenn man im Jahr 2004 Gold gekauft hat, eine annualisierte Rendite von 10,4%, nach Abzug der Inflation.

In Gold wird im Allgemeinen investiert,um das Portfolio zu diversifizieren oder Risiko auszugleichen. Die Standard-Story besagt, dass der Ertrag aus Gold mit Zinsen irgendwie negativ korreliert ist, sodass die Wette auf Gold zu einem gewissen Grad eine Wette auf niedrige Zinsen ist.

Einige Wirtschaftsmodelle sagen voraus, dass das Gold auf lange Sicht einen positiven Ertrag bringen soll. Es gibt aber viel Varianz im Preis von Gold, die durch solche Faktoren nicht erklärt werden kann, wie Noah Smith in einem lesenswerten Artikel auf Bloomberg intelligent darlegt.

Smith rät, Vorsicht walten zu lassen, wenn es um Gold-Geschichten geht: (1) Man soll der Standard-Story nicht glauben, warum das Gold steigen werde, und (2) man soll Websites und Medien nicht folgen, die immer wieder behaupten, dass man Gold kaufen soll.

Die gängige Erklärung, warum man Gold kaufen soll, ist, eine Absicherung gegen die inhärente Schwäche des Fiat-Money-Systems. Stimmt es aber? Nein: Gold ist eine schlechte Absicherung gegen Inflation.

Inflation-Paranoia

Seit der Finanzkrise vor sechs Jahren malen die Anhänger der klassischen ökonomischen Theorie den Teufel an die Wand: „Es kommt zu Hyperinflation, die Zinsen werden durch die Decke schiessen, der US-Dollar wird vollkommen abstürzen, das US-Schatzamt wird nicht mehr fähig sein, US-Staatsanleihen zu kaufen“ usw.

Wenn man darauf hinweist, dass die vorausgesagte Inflation sich nicht eingestellt hat, antworten die Vertreter des Marktfundamentalismus rasch: „Doch! Der Staat lügt über die Statistik“. Das heisst, dass die Daten gefälscht würden.

Paul Krugman verweist in seinem Blog auf unabhängige Messwerte wie z.B. den Billion Price Index.

Der BPP liefert keine von dem offiziellen Index abweichenden Ergebnisse. Dennoch deuten manche Menschen als Beweis auf den Preis von irgend etwas hin, was gestiegen ist: „Hier haben wir Inflation“.
  


Inflation; Nahrungsmittel, Allgemein, Autos, Graph: Prof. Paul Krugman

Samstag, 19. Juli 2014

Die Grösse des Bankensystems und Staatsgeld für die Banken

Das ist eine interessante Abbildung, die die Grösse des Bankensystems im Vergleich zum Bruttoinlandprodukt (BIP) zeigt.

In der von der Finanz und Wirtschaft (F&W) gelieferten Darstellung ist zu sehen, dass die Bilanzsumme der Banken in den grössten Volkswirtschaften Europas in Bezug auf die Wirtschaftsleistung der betreffenden Länder immer noch grösser ist als vor rund zehn Jahren.

Dabei gilt es zu beachten, dass der europäische Bankensektor seit dem Ausbruch der Finanzkrise von 2008 schrumpft. Der anhaltende Prozess des Deleveraging und Deglobalisierung hat dazu geführt, dass die europäischen Banken ihr globales Engagement seitdem Spitzenwert vom ersten Quartal im Jahr 2008 um 40% zurückfuhren.

Bemerkenswert ist zudem, dass der deutsche Staat fast sechs Jahre nach dem Höhepunkt der Finanzkrise die Banken noch immer mit Milliardensummen unterstützt:

Die Hilfen des Bankenrettungsfonds (Soffin) beläuft sich, wie die FAZ meldet, auf rund 17,2 Milliarden EUR.



Bilanzsumme der Banken in Europa im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung des Landes, Graph: Finanz und Wirtschaft

FDIC schliesst eine kleine Bank in Georgia

Die FDIC (Einlagensicherungsbehörde) hat am Freitag eine kleine Bank in Conyers, Georgia (GA) geschlossen.

Damit sind in diesem Jahr 13 Banken verstaatlicht worden, nachdem im Vorjahr insgesamt 24 Banken gescheitert waren.

Die Zahl der Bankschliessungen markiert 2013 einen deutlichen Rückgang aus den beiden Vorjahren. Dennoch ist die Zahl ungewöhnlich hoch, da in einer wachsenden Wirtschaft jährlich i.d.R. nur vier oder fünf Banken im Durchschnitt geschlossen werden.

Die gestern verstaatlichte Bank verfügt über ein Anlagevermögen (assets) von insgesamt 169 Mio. $ und Einlagen (deposits) von 161,6 Mio. $. Die Kosten der geschlossenen Bank betragen für die öffentliche Hand  schätzungsweise 33.9 Mio. $.

Bankpleiten:

2014: 13
2013: 24
2012: 51
2011: 92
2010: 157
2009: 140
2008: 25
2007: 3

Freitag, 18. Juli 2014

Markt Monetarismus findet kein politisches Zuhause

Der erste Schritt zur Genesung ist, zuzugeben, dass man ein Problem hat, schreibt Paul Krugman in seiner lesenswerten Kolumne („Addicted to Inflation“) am Freitag in NYTimes.

Sein Ratschlag gilt mit der Absicht für die sog. Reform-Konservativen in den USA, die versuchen, die geistige Vitalität der Rechte neu zu beleben. Die Bewegung muss aber vorerst einige unkontrollierte Antriebe in den Griff bekommen, notiert der am Graduierten Zentrum der City University of New York (CUNY) lehrende Wirtschaftsprofessor.

Insbesondere spricht Krugman die „Süchtigkeit nach Inflation“ der Rechte an; nicht die Sache selbst, sondern die Behauptung, dass die Inflation durch die Decke schiesst, was weder passiert noch im Begriffe ist, zu passieren.

Neulich kam es auf CNBC zu einem interessanten Wortgefecht zwischen Rick Santelli, einem der Stars des Netzwerks und Steve Liesman, dem Senior Wirtschaftsjournalist der Sendung.

Liesman hatte allem Anschein nach die Nase gestrichen voll von dem grenzenlosen Stuss, der Santelli auf CNBC täglich verzapft: „Die Zinsen würden rasant steigen. Die USA würden die Fähigkeit verlieren, Staatsanleihen auszugeben. Der US-Dollar würde abstürzen“. Nichts davon ist geschehen. Santelli hat mit seinen abstrusen Aussagen kläglich daneben gelegen.

Das gilt für viele andere Menschen auch. Nicht nur auf CNBC, sondern auch in den Kommentarseiten von WSJ und Forbes wurden solche fragwürdige Behauptungen aufgestellt. Was Krugman hier ankreidet, ist, dass diese „Experten“ nie die Möglichkeit in Betracht zogen, ob mit ihrem Wirtschaftsmodell etwas nicht stimmt.

Das Beste ist, dass die Menschen, die laut „Inflation kommt!“ rufen, nun versuchen, den Verzug ihrer Prognose mit „unvorhersehbaren Umständen“ zu erklären. Dass die Inflation immer noch niedrig bleibe, sei ein Wunder. Ha-ha-hah!

Donnerstag, 17. Juli 2014

Eurozone ist eine Armutsfalle für ärmere Länder

Die ökonomische Logik des EU-Beitritts für ärmere Länder war die wirtschaftliche Konvergenz mit reicheren Ländern der Europäischen Währungsunion (EWU). Ziel war von einem stabilien makroökonomischen Umfeld zu profitieren.

Und abgesehen von Portugal gab es tatsächlich eine gewisse Konvergenz in den Anfangsjahren der Einheitswährung, schreibt Simon Tilford in einem lesenswerten Artikel („The eurozone is no place for poor countries“) in CER.

Dies hat aber 2008 den Rückwärtsgang eingelegt. Und 2013 waren die ärmeren Mitglieder der EWU nicht besser dran im Vergleich zum Durchschnitt der EU-15 als sie es 1999 waren.

Noch schlimmer ist, dass sie durch eine Reihe von Ländern, die 2004 der EU beitraten, überholt wurden, die im Jahr 1999 viel ärmer gewesen waren.

Es fragt sich vor diesem Hintergrund, ob die EWU ein Mechanismus der Divergenz geworden ist? Wenn ja, was sind die Auswirkungen auf das Wachstum in der Eurozone als Ganzes?



Pro-Kopf-BIP im Vergleich innerhalb der Eurozone, Graph: Simon Tilford in: Centre For European Reform

Mittwoch, 16. Juli 2014

Aufstieg der nicht-arbeitenden Reichen

Einer aktuellen Umfrage nach denken mehr als drei Viertel der sich selbst als „konservativ“ bezeichnenden Menschen, dass die armen Menschen es einfach haben, weil sie staatliche Leistungen erhalten, ohne dafür etwas zu tun.

In Wirklichkeit arbeiten die meisten amerikanischen Armen hart, oft in zwei oder mehr Arbeitsplätzen, bemerkt Robert Reich in seinem Blog dazu.

Die wirklich nicht-Arbeitende sind die reichen, die ihr Vermögen erben. Und ihre Reihen wachsen, erklärt der ehemalige Arbeitsminister unter Präsident Bill Clinton. In der Tat befinden sich Amerika auf der Schwelle des grössten von generationen-übergreifenden Vermögens in der Geschichte.

Der self-made Mann oder Frau, das Symbol der amerikanischen Leistungsgesellschaft verschwindet, legt der an der University of California, Berkeley lehrende Wirtschaftsprofessor dar.

Dies ist die dynastische Form von Reichtum, wovor Thomas Piketty, der französische Ökonom warnt.

Was ist zu tun? Zunächst soll die Erbschaftssteuer in vollem Umfang wiederhergestellt werden, so Reich.

Dienstag, 15. Juli 2014

IWF: QE ist von EZB-Mandat gedeckt

Unter Quantitative Easing (QE) versteht man die mengenmässige Lockerung der Geldpolitik.

Nachdem die nominalen Zinsen auf der Nullgrenze (zero lower bound) landeten, setzten die Fed, die Bank of Japan (BoJ) und Bank of England (BoE) im Sog der Finanzkrise von 2008 die QE als unkonventionelles Instrument ein, um weiterhin expansive Geldpolitik betreiben zu können.

Die EZB hat sich davon zurückgehalten. Aufgrund der ins Stocken geratenen kurzfristigen Refinanzierung der Banken am Interbankenmarkt hat die EZB aber spätestens 2012 längerfristige Refinanzierungsgeschäfte (LTROs) lancieren müssen.

Da die Erholung der Wirtschaft in Europa nicht vom Fleck kommt, legt der IWF nun der EZB nahe, auf QE zurückzugreifen.

QE-Politik würde sich von LTROs wie folgt unterscheiden: (1) Die EZB würde direkt längerfristige Staatsanleihen (mit einer Laufzeit von mehr als 3 Jahre) auf dem Markt kaufen, was auf die Zinssätze und die Preise von Vermögenswerten Auswirkungen entfalten würde. (2) Die Bilanzsumme der EZB würde sich ausdehnen. Und (3) die EZB würde den Ankauf von Anleihen fortsetzen, bis das Inflationsziel erreicht ist.



Staatsanleihen im Bestand der europäischen Banken, Graph: IMF, in: iMFdirect Euro Area – Q&A on QE

Sonntag, 13. Juli 2014

Wie Wettbewerbsfähigkeit in der Eurozone auseinanderläuft

Auch Jens Weidmann schlägt in die gleiche Kerbe. Präsident der Bundesbank sagt in einem aktuellen Interview mit der Zeitung Die Welt am Sonntag, dass die Zinsen im Euro-Raum zu niedrig (für Deutschland) sind: „Wenn wir unsere eigenständige Geldpolitik machen würden – was wir nicht tun – sehe sie anders aus“.

Die Geldpolitik in der Europäischen Währungsunion (EWU) sei für Deutschland zu locker. Was Weidmann verschweigt, ist die Tatsache, dass Deutschland das in der EWU gemeinsam festgelegte Inflationsziel von ca. 2% seit Jahren unterbietet.

Eine Währungsunion bedeutet, dass die Mitgliedstaaten die eigenständige Gestaltung der Geldpolitik aufgeben und ein gemeinsames Inflationsziel festlegen. Deutschland hat sich aber daran nicht festgehalten und damit (Lohndumping und zu tiefe Inflationsrate) gegen die EU-Regeln verstossen. Mit dem hohen Leistungsbilanzüberschuss hat Deutschland zugleich auch das deutsche Stabilitätsgesetz (das Ziel eines aussenwirtschaftlichen Gleichgewichts) verletzt.

Hier ist eine Abbildung aus einer aktuellen Studie („Economic policies pursuant to the Global Crisis: A critique“) von Richard Wood in voxeu.

Was deutlich zu sehen, ist, wie die Wettbewerbsfähigkeit innerhalb der Euro-Zone auseinander läuft. Deutschland hat mit seinem Wirtschaftsmodell, welches einseitig Export orientiert ist, die anderen EU-Mitgliedstaaten an die Wand gedrückt.



Das Auseinanderlaufen der Wettbewerbsfähigkeit in der Euro-Zone, Graph: Richard Wood in: voxeu

Liquidationisten fordern noch mehr Leid und Schmerzen

Brad DeLong schreibt, dass er den aktuellen Jahresbericht der BIZ nicht verstehe. Er habe mehrmals versucht. Aber vergebens. Er begreife nicht, was die BIZ sagen will.

Was gibt es hier nicht zu verstehen, entgegnet Paul Krugman in seinem Blog. Es geht hier um eine Haltung, nicht um ein schlüssiges Wirtschaftsmodell. Seit zumindest 2010 ist die BIZ-Position dieselbe wie die von Liquidationisten in den 1930er Jahren, erklärt der inzwischen von der Princeton University zum Graduierten Zentrum der City University of New York (CUNY) gewechselten Wirtschaftsprofessor.

Joseph Schumpter hat z.B. damals vor „künstlichen Anreizen“ (artifical stimulus) gewarnt, welche die Arbeit der Depression zunichte machen könnten. Das ist heute die Position der BIZ, intellektuell folgerichtig, aber sachlich falsch, unterstreicht Krugman.

Die BIZ-Angebotsökonomen behaupten heute, dass die Massenarbeitslosigkeit das Ergebnis der „strukturellen Nichtübereinstimmung“ (structural mismatch) ist. Das heisst, dass die Arbeitnehmer angeblich die falschen Fertigkeiten hätten. Oder sie seien in falschen Sektoren. Und deswegen macht die BIZ geltend, dass die lockere Geldpolitik zu einem raschen Anstieg der Inflation führen würde, trotz der hohen Arbeitslosigkeit.

Da das nicht geschehen ist, ist zu erwarten, dass die BIZ ihre wirtschaftspolitischen Verschreibungen korrigiert. Nein. Die BIZ sucht stattdessen nach neuen Rechtfertigungen, um dieselbe Verschreibungen zu wiederholen. Nun behaupten die BIZ-Ökonomen, dass die niedrigen Zinsen die Finanzstabilität gefährden.

Samstag, 12. Juli 2014

Das Schimpfen auf niedrige Zinsen nimmt kein Ende

Die Frage, ob Niedrigzinsen für Spekulationsblasen an den Vermögensmärkten verantwortlich sind, hat in den vergangenen Tagen durch den aktuellen Jahresbericht der BIZ (Bank für Internationalen Zahlungsausgleich) erneut an Brisanz gewonnen.

Vollständige Einsichtigkeit deutet darauf hin, dass die niedrigen Zinsen derzeit nicht die Ursache von Übertreibungen an den Finanzmärkten  (Aktien, Rohstoffe, Immobilien usw.), sondern ein Symptom der Finanzkrise von 2008 sind.

Die Zinsen sind niedrig, weil die gesamtwirtschaftliche Nachfrage weit unter dem produktiven Kapazitätsniveau der Wirtschaft liegt, und es hohe Arbeitslosigkeit gibt und das Kapital brachliegt.

Die Niedrigzinsen sind nicht an allem Übel in der Welt schuld. Im heutigen Marktumfeld sind die besonders niedrigen Zinsen sogar von grossem Vorteil. Da der Schuldenabbau-Prozess (deleveraging) im Privatsektor anhält, verringert sich die reale Last der Schulden durch die Niedrigzinsen.

Janet Yellen, Fed-Chefin hat neulich in einem unbedingt lesenswerten Vortrag („Monetary Policy and Financial Stability“) unterstrichen, dass die Finanzstabilität mit der Geldpolitik schwer zu bewerkstelligen ist.

Yellen betont, dass Anpassungen der Zinsen die Volatilität von Inflation und Beschäftigung erhöhen würden. Deshalb seien makroprudenzielle Massnahmen  (z.B. mehr Eigenkapital für Banken) besser geeignet, die Übertreibungen an den Finanzmärkten unter Kontrolle zu halten.


US Leitzinsen (fed funds rate) und die modifizierte Taylor-Regel, Graph: Cecchetti & Schoenholtz in: Is the Fed behind the curve?

Die modifizierte Taylor-Regel besagt, dassa die Geldpolitik der Fed (auch wenn man die Bilanz-Erweiterung der Fed ignoriert) zur Zeit ungewöhnlich stimulierend ist, gemessen im historischen Vergleich in den letzten 30 Jahren.

Die blaue Kurve beruht auf PCE Inflation Daten und der Abweichung der Arbeitslosenquote von deren Gleichgewichtsniveau als Mass für die wirtschaftliche Flaute.

Deleveraging and Deglobaliserung der europäischen Banken

Die folgende Abbildung zeigt den schmerzhaften Prozess des Schuldenabbaus und der Deglobalisierung der europäischen Banken im Sog der Finanzkrise von 2008.

Die europäischen Banken haben ihr globales Exposure seit dem Spitzenwert vom ersten Quartal im Jahr 2008 um 40% zurückgefahren.

Mit anderen Worten wurden die Forderungen gegenüber dem Ausland um fast die Hälfte reduziert.


Die globalen Forderungen der europäischen Banken sind inzwischen um 40% gefallen, Graph: Morgan Stanley

Freitag, 11. Juli 2014

Warum gibt es so viel Hysterie über die Geldpolitik der Fed?

Eine traurige Lehre, die wir in den letzten Jahren zogen, ist, dass die Wirtschaft weit mehr ein politisches Subjekt ist als wir uns gern vorstellen, schreibt Paul Krugman in seiner lesenswerten Kolumne („Who wants a Depression?“) am Freitag in NYTimes.

Es ist nicht viele Jahre her, seit die Regierung George W. Buss erklärte, dass eine Lehre aus der Rezession 2001 und der danach folgenden Erholung ist, dass „aggressive Geldpolitik eine Rezession verkürzen und milder machen kann“.

Sicher, damals hatten wir einen parteiübergreifenden Konsens zugunsten von einer noch aggressiveren Geldpolitik, um den schlimmen Einbruch der Konjunktur 2007 und 2009 zu bekämpfen.

Stimmt es? Nein, so Krugman. Der am Graduierten Zentrum der City University of New York (CUNY) hatte einige Male über das Phänomen „Sadomentarismus“ geschrieben:  Die ständige Forderung danach, dass die Fed und andere Zentralbanken damit aufhören, die Beschäftigung zu fördern und stattdessen die Zinsen erhöhen, unabhängig von Umständen.

Krugman hatte nahelegt, dass das Fortbestehen dieses Phänomens viel mit Ideologie zu tun hat, was wiederum darauf hindeute, dass es mit Klasseninteressen zu tun hat. Und es sieht auch heute danach aus.



Zinseinkommen als Anteil am gesamten Einkommen in verschiedenen Percentiles der Einkommensverteilung, Graph: Prof. Paul Krugman

Donnerstag, 10. Juli 2014

Hans-Werner Sinn und Politik mit der Angst

Hans-Werner Sinn malt in einem eigenartigen Artikel („Der Steuerzahler haftet“) in der FAZ den Teufel an die Wand. Der Präsident des Ifo-Instituts in München schreibt, dass die deutschen Steuerzahler an den Kosten der Bankenrekapitalisierung in Südeuropa beteiligt werden.

Im „Falle des Falles“ dürfen nun laut Sinn die Steuerzahler für die Decklungslücke im neuen Rettungsfonds ESM gerade stehen. Und immer dieselbe Leier: „Der Weg in die Transferunion“.

Bedeutet aber ein Anleihekaufprogramm in einer Währungsunion (ohne Fiskalunion) nicht fiscal transfer unter Mitgliedsländern?

Nicht in der Art, wie die öffentliche Wahrnehmung in Deutschland ist, sondern so, dass ein Anleihekaufprogramm durch die EZB zu jährlichen Übertragungen aus dem Land, dessen Staatsanleihen gekauft werden an die Länder, deren Staatsanleihen nicht gekauft werden, führt.

In der Tat beinhaltet ein Anleihekaufprogramm heute schon fiscal transfers von finanziell angeschlagenen Ländern (Schuldner) zu finanziell stärkeren Ländern (Gläubiger).

Noch keine Aufhellungen an der EU-Peripherie

Die Finanzierungskosten in der EU-Peripherie sind zwar in den letzten drei Jahren gesunken. Aber sie sind immer noch deutlich höher als der Durchschnitt im Euro-Raum.

Die Fragmentierung in Bezug auf die Risikowahrnehmung lastet daher weiterhin auf der Kreditvergabe an kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) in der Eurozone.





Kreditvergabe an kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) in der Eurozone, Graph: Morgan Stanley

Mittwoch, 9. Juli 2014

Warnung der BIZ vor Preisblasen ist nicht gerade das Gelbe vom Ei

Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) legt in ihrem kürzlich veröffentlichten und viel zitierten Jahresbericht den führenden Zentralbanken der Welt nahe, die expansive Geldpolitik aufzugeben und für Finanzstabilität zu sorgen. Begründung: Die Gefahr von Spekulationsblasen an den Finanzmärkten.

Bemerkenswert ist, dass die BIZ, die seit Anfang der Krise (intensiv zumindest seit 2010) vor Inflation warnt, nun einen Schwenk in eine andere Richtung macht: Finanzinstabilität. (PS: BIZ-Chefökonom hält Deflationsangst für überzogen).

Die dumme Behauptung, dass die Inflation wegen der mengenmässigen Lockerung der Geldpolitik (QE: quantitative easing) durch die Decke schiessen würde, hat sich nicht bewahrheitet.

Wie haben die Zentralbanken auf die Ermahnung der BIZ reagiert? Mario Draghi hat sofort dazu Stellung genommen. EZB-Chef hat hervorgehoben, dass die Preisstabilität im Euro-Raum Vorrang hat. Auch Fed-Chefin Janet Yellen hat gesagt, dass die Geldpolitik nicht viel Raum hat, die Finanzstabilität zu gewährleisten.

Yellen hat vor allem unterstrichen, dass es dabei auf makroprudenzielle Massnahmen ankommt. Die globalen Bemühungen sollen gestärkt werden, um die Finanzstabilität sicherzustellen: Mehr Eigenkapital, hochwertiges Eigenkapital, höhere Liquiditätspuffer, strengere Arrangements für ein zentrales Clearing von Derivaten seien notwendig, um die enge Vernetzung (interconnectedness) unter systemisch wichtigen Finanzinstitutionen zu verringern. 

Dienstag, 8. Juli 2014

Ist Lohnanstieg ein Problem oder eine Lösung?

Die Angebotsökonomen, die seit Beginn der Great Recession unermüdlich vor einer galoppierenden Inflation warnen, weil die Fed am expansiven geldpolitischen Kurs festhalte, verbreiten neuerdings das Gerücht, dass ein plötzlicher Lohnschub die Fed veranlassen würde, geldpolitische Impulse zurückzuziehen.

Was ist dran wahr? Josh Bivens schreibt in einem lesenswerten Artikel („Is wage growth the problem or the solution?“) in WSJ, dass es keine Hinweise für einen raschen Anstieg der Löhne gibt. Die Fed soll daher zuwarten, bis gewisse Anzeichen für Lohn-Inflation sich bemerkbar machen.

Diejenigen, die düstere Warnungen aussprechen, betrachten Lohnwachstum im Wesentlichen als ein Problem, das bekämpft werden muss. Aber das auffallendeste Versagen der US-Wirtschaft über die letzte Generation ist der bei weitem zu langsame Anstieg der Löhne für die überwiegenden Mehrheit der amerikanischen Arbeitnehmer, hebt Bivens zu Recht hervor.


Abkopplung zwischen Produktivität und Entlohung der Arbeitnehmer, Graph: Josh Bivens, Elise Gould, Lawrence Mishel and Heidi Shierholz in: Wages Incomes and Wealth

Montag, 7. Juli 2014

Wie stur ist eigentlich angebotsorientierte Konzeption?

John Cochranes anti-keynesianische Strafpredigt ist zur Zeit in der amerikanischen Blogosphäre in aller Munde.  Hier nimmt Noah Smith dazu Stellung. Auch Nick Rowes Antwort ist unbedingt lesenswert.

Wie Paul Krugman richtig beschreibt, beschmückt der an der Chicago University lehrende Wirtschaftsprofessor das Wort Nachfrage mit Angst auslösenden Zitaten.

Die Anhänger der angebotsorientierten Konzeption vertreten im Allgemeinen die Ansicht, dass das Arbeitslosengeld, die Obamacare, Regulierung der Finanzmärkte und so weiter die Bereitschaft der Arbeitnehmer und Unternehmen verringern, wirtschaftliche Aktivität anzukurbeln.

Die Angebotsökonomen sagten mit Hinweis auf die Verfünfachung der Bilanz der Fed im Sog der mengenmässigen Lockerung der Geldpolitik (QE: quantitative easing) eine galoppierende Inflation voraus.



Fed: Notenbankgeldmenge vs. Geldmultiplikator, Graph: Fred Fed St. Louis via Prof. Paul Krugman

Sonntag, 6. Juli 2014

Schweden im Netz von Sadomonetarismus

Schweden hat im Verlauf der Finanzkrise von 2008 eine restriktivere Geldpolitik verfolgt als es notwendig gewesen wäre, um das Inflationsziel einzuhalten.

Die Riksbank hat trotz der hohen Arbeitslosigkeit und der niedrigen Inflation die Zinsen erhöht. Die Politik des knappen Geldes (tight money) hat nicht nur den Anstieg der Schulden im Land verhindert, sondern auch die Wirtschaft in die Deflation gestürzt.

Zudem hat der von der Riksbank ausgelöste Rückgang der Inflation die reale Last der Schulden der privaten Haushalte erhöht. Und der deflationäre Druck hat die Beschäftigungslage verschlechtert.

Die schwedische Zentralbank hat eingesehen, dass sie sich selbst ein Ei gelegt hat. Am 2. Juli hat sie die Geldpolitik gelockert: Der Repo-Satz wurde um 0,5% auf 0,25% gesenkt. Der geldpolitische Ausschuss hat mitgeteilt, dass ein sogar niedrigerer Zinssatz erforderlich ist, um die Inflation wieder auf den Zielwert von 2% hochzuschieben.

Lars E.O. Svensson erklärt in einem lesenswerten Artikel („Why leaning against the wind is the wrong monetary policy Sweden”) in voxeu, warum das „Konzept des Gegensteuerns“ („leaning against the wind”) von Anfang an falsch war.


Reposatz der schwedischen Zentralbank (Riksbank), Graph: Riksbank in: Monetary Policy Report, July 2014