Warum ist die wirtschaftliche
Erholung gemessen an vergangenen Rezessionen so träge? Weshalb halten sich
Unternehmen mit Investitionen zurück? Das sind Fragen, die im Nachspiel der
Finanzkrise von 2008 in letzter Zeit wahrscheinlich am meisten gestellt werden.
Robert Rubin verfasst dazu für FT einen Artikel (“Sound government finances will promote
recovery”) gänzlich nach dem Geschmack von Defizit-Falken:
„Die Erholung der US-Wirtschaft
bleibt im historischen Vergleich langsam, auch wenn die jüngsten Daten auf eine
Besserung hindeuten. Ein Grund dafür ist, dass die fiskalpolitische Entwicklung
das Vertrauen der Unternehmen untergräbt und damit die Schaffung von
Arbeitsplätzen verhindert, womit Unsicherheiten über die künftige Politik
geschaffen werden und die Sorgen wachsen. Unternehmensführer nennen deshalb häufig
die fiskalischen Aussichten, die abschreckend wirken, Mitarbeiter anzustellen
und Investitionen zu tätigen.“ (*)
Weiter schreibt der ehemalige
Finanzminister der USA unter Präsident Bill Clinton, dass die sich fortsetzende
Debatte über „Wachstum und Beschäftigung“ versus „Haushaltsdisziplin“ das
Augenmerk von einem ausgewogenen Ansatz ablenke. Das Konjunkturprogramm (stimulus) sei kein Ersatz für
Haushaltsdisziplin (fiscal discipline).
Brad DeLong ist damit nicht einverstanden: Stimulus ist doch ein Ersatz für
Haushaltsdisziplin, v.a., wenn eine Konjunkturflaute herrscht und die
nominalenZinsen nahe Null-Grenze (zero
lower bound) liegen.
Investitionen in Wohnanlagen (die
blaue Kurve) und Investitionen in Fabriken (die rote Kurve), Graph: FRED, Fed St. Louis, via Paul
Krugman
Woran der an der University of California Berkeley
lehrende Wirtschaftsprofessor insbesondere Kritik übt, ist, dass Rubin zur Verteidigung
von „confidence fairy“ (Vertrauen Fee) keine Zahlen nennt. DeLong liefert welche nach:
Wenn die US-Regierung eine
inflationsgeschützte Staatsanleihen (TIPS) mit 30 Jahren Laufzeit ausgibt,
beträgt die Verzinsung pro Jahr 1 Prozent. Wenn die Regierung im nächsten Jahr
100 Mrd. USD ausgibt, erhöht sie damit das reale BIP um 200 Mrd. USD. Und es würden
zusätzliche Steuereinnahmen in Höhe von 67 Mrd. USD in die Staatskasse
fliessen, für zusätzliche Verschuldung von 33 Mrd. USD und die Schuldenzinsen
von 500 Mio. USD. Der zusätzliche jährliche Schuldendienst würde durch das
höhere Produktionspotenzial und zusätzliches Steueraufkommen mehr als
ausgeglichen.
Man kann Kosten und Nutzen ohne
Bewertung und ohne Zahlen nicht vergleichen.
Phillip Swagel fackelt nicht lange und gibt eine Antwort auf DeLong
via Twitter: Stimulus als Haushaltsdisziplin
ist die linke Version der Aussage „Steuersenkungen zahlen sich selbst aus“. DeLong
erwidert postwendend: „Totaler Schwachsinn. Wir haben Zahlen. Laffer hatte nie
Zahlen“.
Bemerkenswert ist, dass die
Debatte über „stimulus versus austerity“ auch fünf Jahre seit dem Ausbruch der
Krise in aller Intensität anhält.
Auch Paul Krugman kann sich mit Rubins These nicht anfreunden. Bringen
Unternehmer tatsächlich solche Sorgen zum Ausdruck? Es gibt nicht den
geringsten Beweis dafür, dass die langfristigen Defizit-Ängste eine Belastung
für die Wirtschaft darstellen, hält der an der Princeton University lehrende Wirtschaftsprofessor fest.
Die Wahrheit ist, dass die
Unternehmensinvestitionen angesichts der Schwäche der Gesamtwirtschaft nicht
besonders niedrig sind. Warum sollen Unternehmen Kapazitäten erweitern, wenn
sie nicht genug verkaufen können? Krugman verweist auf die Investitionen in
Wohnanlagen und Investitionen in Fabriken im Verhältnis zum BIP.
Die US-Wirtschaft hat einen
ausserordentlich, anhaltenden Einbruch der Investitionen in den Wohnungsbau
erlitten. Der Rückgang der Unternehmensinvestitionen war für Rezessionen und
Nachwirkungen gewöhnlich. Die Erholung ist laut Krugman mit Erholungen aus der
Vergangenheit vergleichbar. Es gibt keine Sonderfaktoren, die das Verhalten der
Geschäftswelt mit Defizit-Ängsten erklären würden.
Die Defizit-Falken berufen sich
auch in Europa auf „confidence fairy“, wonach Staaten sparen müssen, unabhängig
von Ursachen der Krisen. Aber Sparen fördert Investieren nicht. Ganz im
Gegenteil.
(*) Meine freie Übersetzung aus
dem Englischen.
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