Samstag, 30. Mai 2015

Negative Geldmarktzinsen für Euro

Euro-Liquidität ist so reichlich vorhanden, dass die Banken wieder beginnen, sich gegenseitig Cash zu leihen. Der Geldmarktzins für drei Monate, genannt Euribor ist sogar im April 2015 unter null gefallen: minus 0,001%.

Dahinter steckt die weiter gelockerte Geldpolitik der EZB via Anleihekaufprogramm (PSPP). Die Banken verfügen über hohe Geldbestände, sodass sie, statt einen Negativzins (-0,20%) für die Guthaben bei der EZB zu zahlen, die überschüssige Liquidität für einen kleineren Negativzins an andere Banken anbieten.

Das deutet darauf hin, dass Mario Draghis Plan, das System durch das billige Geld via Quantitative Easing zu entspannen und die Deflation abzuwenden, Früchte trägt.

Die Banken sehen sich mit Einlagen überschwemmt. Aber sie sind nicht bereit, das Geld bei der EZB zu minus 0,20% zu hinterlegen. Stattdessen leihen sie überschüssige Liquidität im Interbankenmarkt zu einem „günstigeren“ Negativzins.

Die Euribor-Zinssätze sind zur Zeit mit einer Laufzeit von 1 und 3 Monaten negativ. Mit 0,049% (d.h. ca. 5 Basispunkte) bewegt sich auch der Euribor-Satz für 6 Monate in Richtung Negative. Im Vergleich: Zu Jahresbeginn belief sich der Wert auf 17 Basispunkte.


Euribor Notierungen und Forward Zinssätze, Graph: Morgan Stanley

Freitag, 29. Mai 2015

CHF-Schock: Schweizer Wirtschaft schrumpft im ersten Quartal

Das reale Bruttoinlandprodukt (BIP) der Schweiz ist im I. Quartal 2015 um 0,2% zurückgegangen. Negative Impulse kamen insbesondere von der Handelsbilanz mit Waren und Dienstleistungen, berichtet SECO, das Staatssektretariat.

Wie die Behörde weiter unterstreicht, zeigt sich auf der Produktionsseite in vielen Rupriken eine deutliche Abschwächung respektive ein Rückgang.

Schweizer Wirtschaft ist damit zum ersten Mal seit 4 ½ Jahren von Januar bis März angesichts der anhaltenden CHF-Stärke geschrumpft.

Seit der Aufhebung des Mindestkurses von 1,20 CHF pro EUR im Januar 2015 hat sich der CHF um rund 12% aufgewertet.


Schweizer BIP (*) im ersten Quartal 2015, Graph: SECO

Was bedeuten negative Interbankenzinssätze?

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat am 15. Januar 2015 den Mindestkurs von 1,20 CHF pro EUR aufgehoben und gleichzeitig den Zins für Guthaben auf den Girokonten (die einen bestimmten Freibetrag übersteigen) um 0,5% auf minus 0,75% gesenkt.

Das Zielband für den 3-Monats-Libor hat die SNB damit weiter in den negativen Bereich verschoben, von bisher -0,75% bis 0,25% auf -1,25% bis -0,25%.

Ziel ist es, 1) um eine massive Überbewertung des CHF zu verhindern, 2) um das Wirtschaftswachstum und die Beschäftigung zu fördern und 3) um die Inflation zu erhöhen.

Ein negativer LIBOR-Satz bedeutet theoretisch, dass die kreditaufnehmende Bank durch die kreditgebende Bank für die Geldaufnahme vergütet wird. Der LIBOR ist der täglich festgelegte Referenzzinssatz für unbesicherte Geldmarktkredite zwischen den international tätigen Banken. Der LIBOR wird für sehr kurze und monatliche Notierungen fixiert.

Wie funktioniert aber ein negativer Interbankenzins? Warum lässt sich eine Bank darauf ein?

Der IWF hat im LänderberichtSwitzerland: 2015 Article IV Consultation“ May 2015 am Dienstag u.a. die folgende bemerkenswerte Abbildung veröffentlicht.


Negative Schweizer Interbankenzinssätze, Graph: IMF Switzerland 2015 Article IV Consultation

Donnerstag, 28. Mai 2015

Helicopter Money gehört in den Werkzeugkasten der Zentralbanken

Wenn wir eine Rezession haben, die durch den Nachfrage-Mangel verursacht wurde und die nominalen Zinsen nahe null (ZLB, zero lower bound) liegen, dann ist die offensichtliche Antwort darauf aus makroökonomischer Sicht ein Konjunkturprogramm (fiscal stimulus). Die Regierungen sind aber heutzutage so besessen von Haushaltsdefiziten, dass wir stattdessen Austerität haben.

Es ist laut Simon Wren-Lewis wichtig, dass die Besessenheit von Defizit nicht mit Sorgen über die langfristigen Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen zu tun hat. Wir wissen es aus zwei Gründen, erklärt der an der Oxford University lehrende Wirtschaftsprofessor: (1) Wenn es nur die Sorge um langfristige Nachhaltigkeit beträfe, gäbe es wenig Notwendigkeit, an diesem Problem jetzt zu handeln, statt zu warten, bis das ZLB-Problem sich mit der Zeit löst.

Ganz im Gegenteil sollten Regierungen beunruhigt sein, dass die Austerität auf lange Sicht die Nachhaltigkeit schädigen kann, wegen des Hysterese-Effekts. (2) Die Massnahmen, die die Regierungen treffen, um Haushaltsdefizite abzubauen, beeinträchtigen tatsächlich die langfristige Nachhaltigkeit der öffentlichen Finanzen, weil sie die intertemporale Budgetrestriktionen verschlimmern. Privatisierungen zu Schleuderpreisen ist ein offensichtliches Beispiel dafür.

Aus ökonomischer Sicht gibt es einen eindeutigen Weg, um die Defizit-Besessenheit zu umgehen: Fiscal Stimulus mit einem mit Geld finanzierten Konjunkturprogramm, nicht mit Anleihen finanziert.

Mittwoch, 27. Mai 2015

Braucht eine Zentralbank Eigenkapital?

Die Ökonomen sind sich grundsätzlich einig, dass die Notenbanken sich von Geschäftsbanken grundlegend unterscheiden, sodass sie weiter arbeiten können, auch wenn ihr Eigenkapital vorübergehend negativ wird.

Die Zentralbanken wissen aber, dass ein negatives Eigenkapital kein dauerhafter Zustand sein kann, weil ihre Glaubwürdigkeit sonst auf dem Spiel steht und sie sich in Sachen Unabhängigkeit in Gefahr setzen.

Da die mangelhafte Basis der Banken mit Eigenmitteln die ohnehin schwere Finanzkrise von 2008 zusätzlich verschärft hat, ist eine wichtige Lehre daraus, dass die Banken über mehr Eigenkapital verfügen müssen, wie die SNB vor einigen Jahren unterstrichen hat.

Cecchetti und Schoenholtz gehen in ihrem Blog genau darauf ein, was es bedeutet, wenn eine Zentralbank eines Tages ein negatives Eigenkapital aufweist. Die Frage, die sie eingangs stellen, lautet, welche Rolle die Portfolioverluste und potenzielle Verluste der SNB im Politikwechsel gespielt haben.

Die SNB hat nämlich am 15. Januar 2015 den seit fast drei Jahren bestehenden Mindestkurs (von 1,20 CHF pro EUR) aufgehoben und den Zins für Guthaben auf den Girokonten auf minus 0,75% gesenkt.

Cecchetti und Schoenholtz denken, dass dafür politische Sorgen ausschlaggebend gewesen sind. Es ist dennoch wichtig, zu erkennen, dass die SNB nicht die einzige Notenbank ist, im Kampf gegen die Krise Risiken eingegangen ist.

Dienstag, 26. Mai 2015

Bank of Israel belässt Leitzins unverändert bei 0,1 Prozent

Die Bank of Israel (BoI) hat beschlossen, den Benchmark Zinssatz unverändert bei 0,10% zu belassen. Die Gouverneurin Karnit Flug hat angesichts der jüngsten Inflationsdaten keine Änderung der Geldpolitik in absehbarer Zeit in Aussicht gestellt.

Die Inflation, gemessen am Konsumentenpreisindex (CPI) lag in Israel in den vergangenen 12 Monaten auf minus 1 Prozent. Die Inflationserwartungen für die nächsten 12 Monate belaufen zur Zeit auf 1,1%, was im unteren Bereich der Zielinflation bleibt.


Die Inflation in Israel ist seit September im negativen Bereich, Graph: Morgan Stanley

Konjunkturprogramm, mit Anleihen oder mit Geld finanziert?

Wenn in den nächsten ein bis zwei Jahren etwas Ernstes schief geht, oder eine andere Finanzkrise ausbricht, ist die Geldpolitik nicht ausreichend ausgestattet, schreibt Simon Wren-Lewis in seinem Blog.

Natürlich ist es eine gute Idee, in einer Rezession, wenn die nominalen Zinsen nahe null liegen (zero lower bound), über ein Konjunkturprogramm (fiscal stimulus) zu verfügen.

Doch ist Helicopter Money (Geldabwurf aus dem Helicopter), welches im Wesentlichen wie eine Steuersenkung wirkt, nicht seine ideale Form von Fiscal Stimulus, bemerkt der an der Oxford University lehrende Wirtschaftsprofessor weiter, weil damit eine gewisse Unsicherheit einhergehe, wie viel davon von Konsumenten ausgegeben werde.

Wren-Lewis würde daher zusätzliche öffentliche Investitionen bevorziehen, wofür es sowohl mikroökonomische als auch makroökonomische starke Argumente gibt. Die Regierungen sollten deshalb weiter aufgefordert werdenn, dies zu erkennen. Aber wir müssen auch die peinliche Tatsache einsehen, dass die Politiker daran nicht interessiert sind.

Aus Sicht der Politik geniesst die Notwendigkeit, Haushaltsdefizite abzubauen, die erste Priorität. Der jüngste Wahlsieg der Konservativen in Grossbritannien hinterlässt sogar den Eindruck, wie wenn  die Besessenheit von Haushaltsdefizit in der Politik eine wirtschaftliche Strategie wäre, die von Erfolg gekrönt ist.

Montag, 25. Mai 2015

Chinas Staatsanleihen

Die Bonität der langfristigen Staatsanleihen Chinas in Landeswährung lautet nach Moody’s auf Aa3, nach S&P auf AA- und nach Fitch auf A+.

Im Vergleich zu Staatsanleihen in anderen high-rating-Ländern bieten chinesischen Staatspapiere ordentliche Renditen, wie Analysten von Morgan Stanley in einer aktuellen Analyse unterstreichen.

Zudem erscheinen Chinas Staatsanleihen angesichts der geringen Volatilität attraktiv gegenüber Benchmarkanleihen aus Asien. Schliesslich ist das Währungsrisiko einer der wichtigsten Treiber für Anleiheinvestoren.


Chinas Staatsanleihen bieten ordentliche Renditen im Vergleich zu Staatsanleihen aus anderen Ländern mit respektablen Ratings, Graph: Morgan Stanley

Sonntag, 24. Mai 2015

QE fürs Volk

Die britische Regierung geht davon aus, dass die Krise vorbei ist und animal spirits des privaten Sektors wieder wachwerden und die Zinsen sich allmählich wieder normalisieren.

Die politische Entschscheidungsfindung beruht auf Hoffnung. Eine wirklich verantwortliche Regierung braucht einen Plan für den Fall, dass die Hoffnung sich nicht erfüllt, schreiben Mark Blyth, Eric Lonergan und Simon Wren-Lewis in einem lesenswerten Artikel („Now the Bank of England needs to deliver QE for people“) in The Guardian.

Wenn die britische Notenbank (BoE: Bank of England) die Führung übernehmen soll, auch als lender of last resort, sollte sie zumindest über Werkzeuge verfügen, um die Aufgabe zu bewältigen, unterstreichen die Autoren weiter.

Wenn die Fiskalpolitik aus ideologischen Gründen nicht eingesetzt wird und die geldpolitischen Mittel erschöpft sind, schlagen Blyth, Brown University, Wren-Lewis, Oxford University und Lonergan, Fund Manager vor, dass die Regierung ein Gesetz erlässt, um die BoE zu ermächtigen, Zahlungen direkt an den privaten Haushaltssektor zu bewerkstelligen.

Die Rede ist also von „QE für das Volk“. Damit wäre die BoE gut ausgerüstet, einen drastischen Einbruch der Wirtschaft, verursacht durch interne und externe Faktoren, wie z.B. durch einen deflationären Schock aus China oder US-Rezession oder einen anhaltenden Abschwung in der Eurozone zu mildern.

EZB und Liquidität am Anleihemarkt im Sommer

Trotz des jüngsten Anstiegs der Renditen im Euro-Raum deutet das 4-Faktor-Regressionsmodell auf einen fair value von 1,405% für German Bunds mit 10 Jahren Laufzeit hin, wie Analysten von Morgan Stanley in einer aktuellen Analyse berichten.

Die Rendite der deutschen Staatsanleihen sieht aus dieser Perspektive heute um rund 80 Basispunkte zu niedrig aus.

Die technischen Daten sind natürlich mit Vorsicht zu geniessen, zumal die Geldpolitik längst an ihre Grenzen gestossen ist und die Fiskalpolitik ein Tabu bleibt und die Wirtschaft immer noch in einer Liquiditätsfalle steckt.

Bemerkenswert ist aber, dass die Realrenditen auch nach der Anpassung in den vergangenen zwei Wochen im negativen Bereich verweilen, was nahelegt, dass die Märkte in absehbarer Zeit keine Zinserhöhung durch die EZB erwarten.


Die Realrenditen gemessen an Inflation Swaps (10y10y EUR) sind im Euro-Raum immer noch negativ, Graph: Morgan Stanley

Samstag, 23. Mai 2015

Renminbi unter Top Fünf

Der Renminbi (RMB) gehört weltweit zu den fünf am meisten gehandelten Währungen. Die chinesische Währung hat damit im globalen Handel CAD, AUD und CHF hinter sich gelassen.

Die chinesischen Behörden sind seit geraumer Zeit bemüht, die Landeswährung bei internationalen Transaktionen für Investoren schmackhaft zu machen, durch schrittweise Öffnung der Finanzplätze wie z.B. Schanghai und Shenzhen, wie Morgan Stanley berichtet.

Chinas Regierung engagiert sich 2015 um Konvertibilität der Kapitalverkehrsbilanz. Das Ziel ist, die Kapitalverkehrsbilanz wahlweise mit makroprudenziellen Instrumenten zu liberalisieren.

Peking ist bereits Mitglied beim IWF und will nun, dass der Renminbi in den IWF-Währungskorb (SDR: Special Drawing Rights) aufgenommen wird. Ein wichtiger Schritt auf diesem Weg wäre, ausländischen Fonds zu erlauben, in inter-bank Bond Markt zu investieren.


Chinas Landeswährung Renminbi ist mittlerweile das fünfte Zahlungsmittel der Welt, Graph: Morgan Stanley

Freitag, 22. Mai 2015

Wie politisch ist die Debatte über die Konjunkturpolitik?

Die Klage darüber, warum wir nicht miteinander auskommen können, ist sicherlich ein politischer Versuch, die Austeritätspolitik in Schutz zu nehmen. Denn es heisst, dass es enttäuschend sei, dass die Debatte über die Konjunkturpolitik zur einer Links-Rechts-Sache wird oder bereits wurde.

Die Debatte über die Konjunkturpolitik war aber immer eine Links-Rechts-Sache, wie Paul Krugman in seinem Blog unterstreicht.

Genauer gesagt waren die Rechten immer zutiefst abgeneigt gegenüber der Vorstellung, dass die expansive Fiskalpolitik überhaupt hilfreich oder die Austerität überhaupt schädlich sein kann. Und die Rechten waren auch gegen die expansive Geldpolitik die meiste Zeit feindlich gesinnt.

Die Politisierung der makroökonomischen Debatte ist ausserdem nicht irgendein Zufall. Es hat offenbar tiefe Wurzeln, hebt Krugman hervor.

Eigentlich wurde in der amerikanischen Blogosphäre viel darüber geschrieben. Es wurde u.a. vermerkt, dass es nach dem Zweiten Weltkrieg eine konzertierte und schändliche Bemühung gab, durch Konservative und die Geschäftswelt, die Lehre von Keynesianismus in den Universitäten zu verhindern.

Was sagt eigentlich „im Einklang stehend mit“ aus?

Paul Romers Aufstand in Form einer tiefsinnigen Forschungsarbeit gegen die "mathiness“ (die oft verwirrende und zum falschen Zweck dienende Verwendung von Mathematik in ökonomischen Analysen) in der Volkswirtschaftslehre hat in den vergangenen Tagen ein Spektakel ausgelöst. 

Der an der NYU lehrende Wirtschaftsprofessor ist ein Experte des wirtschaftlichen Wachstums. In seinem Artikel kreidet er v.a. die subtile Vermischung von Politik und wissenschaftlichen Erkenntnissen in ökonomischen Analysen an.

In diesem Zusammenhang kritisiert Peter Dorman die Angewohnheit der Ökonomen, eine Theorie für erfolgreich zu erklären, nur weil sie mit der Evidenz im Einklang steht.

Dormans Argument verdient Hervorhebung, bemerkt Chris Dillow in seinem Blog. Das ist nämlich ein Aspekt, den die Verteidiger der Ungleichheit übersehen. Natürlich kann man Theorien so zurechtbiegen, dass sie mit der wachsenden Ungleichheit „im Einklang stehen“, stammend aus vertretbaren Unterschieden in Auswahlmöglichkeiten und marginalen Produkten.

Solche Theorien werfen dennoch die Frage auf: Ist das, wie Ungleichheit wirklich entstanden ist? Und die Antwort ist, um es milde auszudrücken, nur teilsweise. Die Ungleichheit entstand auch aus Glück, ineffizienten Entscheidungen, manipulierten Märkten, rent-seeking und glattem Diebstahl.

Oft stehen die Fakten im Einklang mit jeder Theorie. Zum Beispiel ist die gut-bescheinigte Momentum-Anomalie, d.h. die Tendenz, dass Vermögenswerte, die kürzlich im Preis gestiegen sind, weiterhin steigen, sowohl mit einer kognitiven Verzerrung (under-reaction) als auch mit dem rationalem Verhalten, d.h. der Wunsch der Fondsmanager, Benchmark-Risiken zu vermeiden.

Donnerstag, 21. Mai 2015

Der reale Gleichgewichtszinssatz im Zentrum des Fed-Protokolls

Aus dem Protokoll der jüngsten Sitzung des geldpolitischen Ausschusses (FOMC) der US-Notenbank geht hervor, dass die Teilnehmer keine Zinserhöhung im Juni planen. Zudem scheint eine rasche Abkehr von der Nullzinspolitik nicht im Mittelpunkt der Überlegungen der Teilnehmer zu stehen.

Bemerkenswert ist die Diskussion, die die US-Notenbanker über verschiedene Konzepte des realen Gleichgewichtszinssatzes (equilibrium real federal funds rate) hatten. Der Gleichgewichtszins ist ein Referenzwert des inflationsbereinigten Tagesgeldsatzes (federal funds rate), der mit Vollbeschäftigung und Preisstabilität in der Wirtschaft über einen bestimmten Zeitraum im Einklang steht.

Interessant ist dabei, dass die Fed, was die realen Zinssätze betrifft, eher ein follower als leader ist, wie Larry Summers neulich zum Ausdruck gebracht hat, weil die realen Zinsen von einem breiten Spektrum von Faktoren bestimmt werden. Doch es ist eine Tatsache, dass der reale Gleichgewichtszinssatz seit einiger Zeit in einem Abwärtstrend zu sein scheint.

Die Frage ist daher, ob das Wachstumspotential der US-Wirtschaft von der Finanzkrise von 2008 und der darauf folgenden Rezession dauerhaft so verlangsamt wurde, dass der von der Fed als „neutral“ betrachtete Gleichgewichtszins heute noch tiefer läge?

Mittwoch, 20. Mai 2015

Fallstricke der Austeritätspolitik

Joseph Stiglitz hat am Dienstag in einem Gespräch mit Francine Lacqua am BloombergTV mit Bezug auf Griechenland gesagt, dass die Austerität für das Land Kosten bedeute. Warum? Um es kurz zusammenzufassen, weil die Güter-enger-Schnallen-Politik den Menschen Schmerzen zufügt und die Erholung der Wirtschaft verzögert.

Simon Wren-Lewis setzt sich in seinem Blog seit ein paar Tagen mit dem „Marketing“ der Austeritätspolitik der Cameron-Regierung in Grossbritannien auseinander. Die britische Regierung hat in den ersten zwei Jahren in der Tat viel straffe Fiskalpolitik an den Tag gelegt. Danach wurde aber die fiskalpolitische Straffung zurückgefahren, wie in der folgenden Abbildung deutlich zu sehen ist, anhand von dem um die konjunkturellen Effekte bereinigten Haushaltssaldo (cyclically-adjusted balance).

Nun ist es so, dass die Anhänger der Regierung das BIP-Wachstum im Jahre 2013 wider besseren Wissens der Austeritätspolitik anrechnen. Wren-Lewis hingegen betont, dass Mehr-Wachstum seither nicht im Widerspruch zu der Ansicht stehe, dass die Austerität auf der Wirtschaft laste.

Denn wie Paul Krugman unterstreicht, ist aus Sicht des zeitlichen Verlaufs der Haushaltskonsolidierung zu erwarten, dass das derzeitige Niveau des BIP immer noch darunter Wert bleibt, was es sonst der Fall gewesen wäre, d.h. wenn es keine Austeritätspolitik gäbe. Die negative Auswirkung auf die Wachstumsrate des BIP findet nämlich nur in den ersten paar Jahren statt, danach nicht mehr.


Der um konjunkturelle Effekte bereinigte Haushaltssaldo Grossbritannies (cyclically-adjusted balance), Graph: Paul Krugman in The Guardian

Dienstag, 19. Mai 2015

EZB nimmt Stellung zum Thema „Niedrigzinsen und deutsche Sparer“

"Wer rettet die deutschen Sparer vor der EZB?" So lautete vor rund drei Jahren die Überschrift eines Artikels im Handelsblatt aus Düsseldorf.

In Deutschland wurde in den vergangenen Jahren viel über die Niedrigzinspolitik der EZB geschimpft: "Die deutschen Sparer werden enteignet".

In einer am Montag vorgelegten Forschungsarbeit („Critique of accommodating central bank policies and the ‚expropriation‘ of the saver“) unterstreichen EZB-Ökonomen, dass die Argumentation „niedrige Zinsen die Sparer enteignen“ einfach nicht angemessen ist, wie Bloomberg mit der folgenden Abbildung unterstützt.



In Deutschland wird mehr gespart als im Euro-Raum im Durchschnitt, Graph: Bloomberg in: "The ECB just shot back at Germans who say low rates are robbing savers". 

Montag, 18. Mai 2015

Das globale Spektrum der Geldpolitik

Während die Debatte über die sog „secular stagnation“ in der US-Blogosphäre energisch weiter vorangetragen wird, setzen die Zentralbanken ihre Bemühungen im Kampf gegen die Niedriginflation fort.

Seit dem Anfang des Jahres 2015 haben Zentralbanken weltweit mehr als 30 zusätzliche geldpolitische Lockerungsmassnahmen bekanntgegeben, zumeist in den sog. Emerging Markets (EM).

China, India, Russland und die meisten Länder in der „Region Asien ohne Japan“ (AxJ) befinden sich bereits im Lockerungsprozess. Eine weitere Zinssenkung dürfte Australien in diesen Tagen ankündigen.


Das globale Spektrum der Geldpolitik, Graph: Morgan Stanley

Weiterhin starker Deflationsdruck in der Schweiz

Das Preisniveau des gesamten Angebots von Inland- und Importprodukten ist in der Schweiz im April innert Jahresfrist um 5,2% gesunken.

Die Importpreise liegen mittlerweile um 8,9% niedriger als im Vorjahr. So stark negativen waren sie nach Angaben von ZKB zuletzt im September 2009.

Verantwortlich für den starken Deflationsdruck sind (1) der starke Schweizer Franken (CHF) und (2) der Rückgang der Energiepreise.


Produzenten- und Importpreisindex im April 2015 in der Schweiz, Graph: ZKB

Samstag, 16. Mai 2015

German Bund Future Liquidität

Die erratischen Kursschwankungen, die nicht Wirtschaftsdaten und/oder Kommentaren von Zentralbanken zugeordnet werden können, sorgen zur Zeit dafür, dass die Investoren sich vom Markt für deutsche Staatsanleihen fern halten.

Auch die Liquidität scheint in den letzten Wochen gemessen an Order Books für German Bunds dramatisch gefallen zu sein, wie in der folgenden Abbildung dargestellt wird.

Die Illiquidität liefert daher einen weiteren Grund, neue Positionierungen am Markt zu vermeiden, zumal die Renditen steigen müssten, um die Investoren für dieses zusätzliche Risiko zu entschädigen.


Bund Future Liquidität, Graph: Morgan Stanley

Staatsanleihen: Kurse fallen, Renditen steigen und andersrum

Es wäre vermessen, von einem Crash am Anleihemarkt zu reden. Dennoch geben die jüngsten Turbulenzen viel zu denken. Denn es ist nicht einfach, zu lokalisieren, was der dahinter steckende Faktor ist. Griechenland hat es, zumindest bis jetzt, vermieden, default anzukündigen, was dazu beigetragen hat, dass das Phänomen „flight to safety“ inzwischen wesentlich nachgelassen hat.

Der wichtigste treibende Faktor, die die Rendite höher geschossen hat, ist aber mehr technisch als fundamental begründet, wie Greg Ip in einer Analyse im WSJ unterstreicht.

Es ist eine seltsame Art, dass das erfolgreiche Ergebnis der Zentralbankpolitik die Renditen nach oben treibt. Denn es waren die bisherigen erfolgreichen Bemühungen der Zentralbanken, eine Depression und Deflation wie in den 1930er Jahren zu verhindern, weshalb Investoren und Trader grössere Positionen am Anleihemarkt einnahmen, auf fallende Renditen zu setzen.

Wenn die Preise nun beginnen, sich wider Erwarten zu bewegen, dann reagieren die Investoren und Trader mit Abbau der Positionen, was die Preisbewegungen wiederum beschleunigt.

Es ist aber nicht zum ersten Mal, dass so etwas passiert: 2014 in den USA, wo die Rendite der US-Treasury Bonds von 1,865% auf 2,15% geklettert ist und 2013 in Japan, im Frühling.


German Bund Renditen (mit 10 und 30 Jahren Laufzeit), Graph: Greg Ip, WSJ

Freitag, 15. Mai 2015

Der Einsatz für die Geschichte in der Politik

Die Progressiven sind viel zu bereit, die Geschichte zu anderen zu überlassen, klagt Paul Krugman in seinem Blog in NYTimes vor der Präsidentschaftswahl 2016 in den USA.

Legenden über die Vergangenheit sind aber entscheidend, ergänzt der am Graduierten Zentrum der City University of New York (CUNY) forschende Wirtschaftsprofessor.

Wirklich schlechte Wirtschaftspolitik blüht zum Teil, weil die Republikaner ständig Reagans Bilanz preisen, während die Demokraten selten erwähnen, wie schäbig diese Performance im Vergleich zur Beschaffung von Arbeitsplätzen und zum Wachstum von Einkommen unter Clinton war.

Die Kombination aus Lügen, Inkompetenz und Korruption, die den Irak-Wagnis zu einer moralischen und politischen Katastrophe werden liess, darf nicht im Nebel verschwinden, argumentiert Krugman weiter.

Und es ist nicht nur ein  amerikanisches Problem. Europas Probleme sind deutlich schlechter, geprägt durch das selektive deutsche historische Gedächtnis, wo die Inflation von  1923 ein grosse Rolle spielt, während die Deflation von 1930-32 zu Brüning Zeiten im Loch des Erinnerungsvermögens zu verschimmeln droht.

Mittwoch, 13. Mai 2015

Das neue Modewort: Reflation-Trade

Investoren sind plötzlich positiv eingestimmt: Das Wirtschaftswachstum könnte sich gegen Jahresende bessern. Und die Deflationskräfte verebben. Die Inflationserwartungen nehmen zu, weil die stark gefallenen Rohölnotierungen wieder steigen. Und auch der Euro wird wieder etwas stärker.

Investoren setzen daher auf steigende Aktienkurse, eine Aufwärtsbewegung der Rohstoffpreise und einen schwachen US-Dollar. Das nennt sich Reflation-Trade:

Das Sentiment, zum erheblich Teil ausgelöst durch die dritte Zinssenkung innerhalb von sechs Monaten in China, reflektiert sich rasch am Bondmarkt, wo die Renditen der Staatsanleihen zulegen. Inzwischen sind deutsche Bundesanleihen von 0,07% auf knapp 0,72% in die Höhe geschossen.

Dass die Marktteilnehmer angesichts der jüngsten Enwicklung am Bondmarkt, wie in der folgenden Abbildung zum Ausdruck kommt, taumeln, ist verständlich.



Der grösste (vier Wochen) Ausverkauf von German Bunds seit mehr als 20 Jahren, Graph: Morgan Stanley

Montag, 11. Mai 2015

Ökonomen der Finanzindustrie und ihr schlechter Einfluss

„Worte sollten ein wenig ungestüm sein, denn sie sind der Angriff der Gedanken auf die Gedankenlose“. Das ist eines der allzu gern vorgetragenen Keynes-Zitate von Paul Krugman.

Er versuche, es im eigenen Schreiben anzuwenden. Aber er müsse zugeben, dass das Gedankenlose in dem lang anhaltenden Abschwung (wir hatten sowohl die Werkzeuge als auch das Wissen, um ihn schnell zu beenden) nach der Finanzkrise von 2008 recht erfolgreich gewesen sei, unwillkommene Gedanken abzuwehren.

Und nirgends war der Triumph der Dummheit vollständiger als in der „Heimat“ von Keynes, wo gerade die Wahl zum Unterhaus stattgefunden hat, legt der Träger des Wirtschaftsnobelpreises weiter dar.

Grossbritanniens Wahl sollte ein Referendum über die verfehlte Wirtschaftslehre sein, aber es ist nicht, weil niemand mit Einfluss die transparent falschen Behauptungen und schlechte Ideen herausfordert, beschreibt der am Graduierten Zentrum der City University New York (CUNY) forschende Wirtschaftsprofessor in seiner lesenswerten Kolumne („Triumph of the Unthinking“) am Freitag in NYTimes.

Doch bevor Krugman „Briten-Bashing“ betreibt, bemerkt er, dass die Amerikaner es auch nicht besser gehabt haben.


Austerität in Grossbritannien, Graph: Paul Krugman in The Guardian

Samstag, 9. Mai 2015

Wendet sich das Blatt am Anleihemarkt?

Der abrupte Renditeanstieg deutscher Bundesanleihen verbreitet Angst und Schrecken.

Die deutschen Staatsanleihen mit 30 Jahren Laufzeit haben Investoren gerade den grössten Kursverlust in einem Monat beschert. Es wurde der grösste Renditeanstieg seit der Datenerhebung vor 20 Jahren verbucht. Dennoch liegt die Rendite 80 Basispunkte niedriger als zu Beginn des Jahres.

Die deutsche Ertragskurve (yield curve), gemessen an 10y minus 2y, bewegt sich auf das Dezember 2014 Niveau. Doch bleibt sie noch 60 Basispunkte unter dem 5-Jahresdurchschnitt, wie die Analysten von Morgan Stanley in einer gestern vorgelegten Forschungsarbeit betonen.


German 30y Bund, Graph: Morgan Stanley

Freitag, 8. Mai 2015

Volatilität am Anleihemarkt und Laufzeitprämie

Die Zinsmärkte sind weltweit in Bewegung. Anzeichen mehren sich für eine kurzfristige Konsolidierung. Die Volatilität nimmt zu. Die entscheidenden Parameter sind: Ertragskurve für Realzinsen, Breakeven-Sätze, Inflationserwartungen und Laufzeitprämie.

Die deutschen Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit haben derzeit mit einer Rendite von 0,59% eine Laufzeitprämie von minus 80 Basispunkten (-0,80%). Die US-Treasury Bonds haben mit einer aktuellen Rendite von 2,18% eine Laufzeitprämie von 45 Basispunkten (+0,45%) inne, wie Analysten von Morgan Stanley schätzen.

Beide Werte sind im historischen Vergleich relativ niedrig. Angesichts der derzeit wachsenden Schwankungsanfälligkeit im Markt für Staatsanleihen ist daher mit einem Anstieg der Term Premiums zu rechnen.


Laufzeitprämien im Vergleich: USD (plus) versus EUR (minus), Graph: Matthew Hornbach, Morgan Stanley

Donnerstag, 7. Mai 2015

Deutschlands Rekordhandelsüberschuss als Bedrohung für Euro

Der britische Journalist redet Tachales: Deutschlands Rekordhandelsüberschuss ist eine grössere Bedrohung für den Euro als der Fall Griechenland.

Wenn das EU-Recht ordnungsgemäss befolgt würde, würde Deutschland mit Strafen wegen Gefährdung der Stabilität der Eurozone und der Verletzung des gesamtwirtschaftlichen Ungleichgewichts-Verfahrens (Macroeconomic Imbalance Procedure) zum fünften Jahr in Folge konfrontiert, bemerkt Ambrose Evans-Pritchard in einem lesenswerten Artikel in The Telegraph.

Wie aus der am 5. Mai vorgelegten Frühjahresprognose 2015 hervorgeht, beläuft sich Deutschlands Leistungsbilanzüberschuss auf 7.9% des BIP.

Doch das Strafverfahren der EWU entpuppt sich als hoch politisch. Die Behörden beschäftigen sich damit, die Tagesordnung der Gläubiger durchzusetzen anstatt das makroökonomische Wohlergehen zu fördern.

Böse Zungen würden behaupten, dass grosse Länder in Europa nach ihren eigenen Regeln spielen, und Deutschland sich über alle Regeln hinwegsetzt. 

Die EU Macroeconomic Imbalance Procedure legt nämlich fest, dass die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten hat, wenn eine Verletzung drei Jahre in Folge bestehen bleibt.


Wie Deutschland zum „Leistungsbilanz-Sünder“ wurde, Graph: Ambrose Evans-Pritchard in: The Telegraph

Mittwoch, 6. Mai 2015

Staatsanleihen: Von Deflation-Trade zu Reflation-Trade

Die Erzeugerpreise der Industrie sind im Euro-Raum im März gegenüber Februar 2015 um 0,2% gestiegen. Annualisiert verringerten sich die Produzentenpreise aber um 2,3% Prozent, wie eurostat meldet.

Bemerkenswert ist, dass die Inflationserwartungen im Euro-Raum gemessen an 5y5y Swapsätzen auf 1,87% gestiegen sind. Das ist laut FT der höchste Stand in diesem Jahr.

Während die Rendite (*) der deutschen Staatsanleihen steigt, bleibt der EUR Wechselkurs davon unberührt. Obwohl es denkbar wäre, dass der Anstieg der Bund-Renditen mit einer EUR-Aufwertung einhergeht, ist es nicht der Fall, weil es darauf ankommt, warum der Rendite-Anstieg erfolgt.

Erstens müsste sich die Rendite-Differenz (spread) zwischen EUR-USD Wertapieren zugunsten von EUR entwickeln, worauf sich heute nichts hindeutet.

Zweitens üben  der negative Einlagenzins und das Anleihenkaufprogramm der EZB ausreichend Druck auf den EUR aus, dass es nicht zu einer EU-Aufwertung kommt.

Drittens ist die Laufzeitprämie (term premium) für deutsche Staatsanleihen so negativ, dass es genügend Spielraum für eine scharfe Normalisierung im Handel mit deutschen Bundesanleihen gibt.


Laufzeitprämien für deutsche Bundesanleihen, Graph: Morgan Stanley