Samstag, 28. Februar 2015

Was Griechenland gewonnen hat

Paul Krugman befasst sich in seiner lesenswerten Kolumne („What Greece Won“) am Freitag in NYTimes mit der Frage, wie die Einigung, die die neue griechische Regierung nach viel Drama mit ihren Gläubigern erzielt hat, gelaufen ist.

Glaubt man Nachrichten und Meinungsartikeln in den Medien in den letzten Tagen, könnte man meinen, dass es eine Katastrophe war. Das denken offenbar einige Fraktionen auch innerhalb von Syriza. Aber es war nicht so, argumentiert der am Graduierten Zentrum der City  University New York (CUNY) lehrende Wirtschaftsprofessor: Griechenland kam aus den Verhandlungen ziemlich gut abgeschnitten, obwohl die grossen Kämpfe noch vor uns liegen.

Um zu verstehen, was passiert ist, muss man sehen, dass der Hauptstreitpunkt eine einzige Zahl betrifft: die Grösse des griechischen Primärüberschusses (primary surplus). Das ist der Unterschied zwischen den Einnahmen und Ausgaben des Staates ohne Berücksichtung der Zinszahlungen auf Schulden. Der Primärübeschuss bemisst die Höhe der Gelder, die Griechland an seine Gläubigern tatsächlich überweist.

Alles andere einschliesslich der Nominal-Grösse der Verschuldung (eine mehr oder weniger beliebige Zahl an dieser Stelle) ist insofern von Bedeutung, als es mit dem Primärüberschuss zu tun hat, den Griechenland vorweisen muss.

Syriza hat immer klar darüber kommuniziert, dass Griechenland die Absicht hat, einen moderaten Primärüberschuss abzuliefern. Wenn man sich ärgert, dass die Verhandlungen nicht zu einer vollständigen Umkehrung von der Austeritätspolitik zu einem Konjunkturprogramm (fiscal stimulus à la Keynes) führten, hat nicht aufgepasst, worum es geht, erklärt Krugman.


Griechenlands Wirtschaft: Das verordnete Programm durch die Troika und das Ergebnis in der Praxis, Graph: Prof. Paul  Krugman in NYTimes

Negative Renditen, wo das Auge hinreicht

Ein Drittel der in EUR denominierten Staatsanleihen weist derzeit laut BloombergTV eine negative Rendite auf. JPMorgan schätzt, dass das Volumen der EUR Staatsanleihen mit einer unter Null Rendite mittlerweile 2‘000 Mrd. EUR beträgt.

Festverzinsliche Papiere mit Negativ-Rendite bedeuten, dass Investoren im Grunde genommen mehr als den Nennwert einer Anleihe (plus Zinszahlungen) zahlen und damit einen Verlust akzeptieren, falls sie die entsprechende Anleihe bis zur Endfälligkeit halten.

Die Minus-Renditen bleiben nicht nur auf die kurzfristigen Papiere beschränkt: Nach Finnland hat nun auch Deutschland eine Anleihe mit 5 Jahren Laufzeit zu einer negativen Rendite ausgegeben.

Investoren, die Staatsanleihen mit Negativ-Rendite kaufen, befürchten wahrscheinlich sonst einen grösseren Verlust anderswo, sagen manche Analysten.

Es gilt zudem zu beachten, dass Investoren mit konservativen Anlagemandaten wie z.B. Pensionskassen und Versicherungsgesellschaften keine andere Wahl haben, als Staatsanleihen trotz der  niedrigen Renditen zu kaufen.

Anleihen werden zu einem Preis gehandelt, der sich umgekehrt zum Verlauf der Rendite verhält. Das heisst, dass die Rendite der Anleihe fällt, wenn der Kurs der Anleihe steigt. Sinkt der Preis der Anleihe, steigt die Rendite.


Der Negativ-Rendite Club, Graph: FT

Freitag, 27. Februar 2015

US-Wirtschaft meldet im Januar wieder eine negative Inflationsrate

Die US-Wirtschaft hat im Januar im Jahresvergleich zum ersten Mal seit sechs Jahren eine Inflationsrate mit einem negativen Wert verbucht: -0,1%.

Die Verbraucherpreise (CPI) sind im Januar auf Monatsbasis um 0,7% gefallen. Die Kerninflation legte hingegen um 0,2% zu. Annualisiert beträgt sie 1,8%.

Da die Inflation sich auch in den USA weiter von dem Zielwert (von 2%) der Fed entfernt, erscheinen Sorgen über die aussergewöhnlich niedrige Inflation nicht unberechtigt.

John Maynard Keynes hatte 1923 gesagt, dass Inflation ungerecht und Deflation unpraktisch ist. 

Damit ist gemeint, dass die Deflation von den beiden die Schlechtere ist, weil fallende Preise die Gewinnerwartungen schmälern, werden Investitionen zurückgestellt und die Arbeitslosigkeit steigt. Ausserdem wird dadurch Cash-Horten gefördert und die Reallast der Verschuldung zunimmt.


Inflationsrate ist in den USA erstmal seit sechs Jahre negativ, Graph: ZKB

Donnerstag, 26. Februar 2015

Baltic Dry Index auf dem tiefsten Wert seit 1986

Der Baltic Dry Index, der auf das Jahr hochgerechnet um 50% an Wert verloren hat, notiert zur Zeit auf dem niedrigsten Stand seit der Einführung im Jahr 1986.

Der Baltic Dry Index (BDI) ist ein wichtiger Preisindex für das weltweite Verschiffen von Hauptfrachtgütern (v.a. Kohle, Eisenerz und Getreide) auf Standardrouten. Der Index hat vier Untergruppen: Capesize, Panamax, Supramax und Handysize.

Der Zusammenhang von Frachtraten mit Rohstoffpreisen und der Nachfrage nach Metallen ist offensichtlich. Der Index-Rückgang kann zum Teil mit Wintersaisonabhängigkeit begründet werden. Aber die Verlangsamung der chinesischen Rohstoffnachfrage schlägt sicherlich stärker zu Buche.


Der Baltic Dry Index, Graph: Morgan Stanley

Mittwoch, 25. Februar 2015

Deutschland begibt eine fünfjährige Anleihe mit negativer Rendite

In Deutschland hat sich heute auf der Auktion einer Staatsanleihe mit fünf Jahren Laufzeit zum ersten Mal seit der Datenerfassung durch Bloomberg eine negative Rendite ergeben: -0,08%. Einem Gebot im Volumen von 6,4 Mrd EUR gegenüber hat die German Finance Agency Papiere im Wert 3,2 Mrd. EUR zugeteilt.

Auf der letzten Versteigerung im Januar hat sich die Rendite des vergleichbaren Papiers noch auf 0,05% belaufen.

Eine negative Rendite bedeutet, dass die Investoren in der Tat eine Art Prämie zahlen, um dem deutschen Staat Geld zu leihen.

Im Vorfeld der von der EZB angekündigten QE-Politik (Kauf von Staatsanleihen) scheinen Investoren keine Scheu zu zeigen, eine Art Gebühr zu entrichten, um die entsprechende Staatsanleihe zu halten.

Es ist denkbar, dass Investoren fünfjährige Anleihen kaufen, und gleichzeitig kürzerfristige Papiere, die tiefer im negativen Bereich stecken, (mit Kurs-Gewinn) verkaufen.

Am 4. Februar 2015 hat Finnland als erstes Land im Euro-Raum eine 5-jährige Staatsanleihe im Volumen von einer Milliarde EUR mit einer negativen Rendite begeben.

Deflation auch in der Region "Asien ohne Japan"

Das Deflationsrisiko ist nicht ein Thema, das sich nur auf die fortentwickelten Ländern bezieht. Innerhalb der Region Asien ohne Japan (AxP) fallen die Erzeugerpreise in China seit 35 Monaten.

In dieser Region erfahren zur Zeit sieben Volkswirtschaften Deflation mit Bezug auf die Produzentenpreise, und zwar seit drei Jahren, wie die Analysten von Morgan Stanley in einer gestern vorgelegten Studie zeigen.

In den vergangenen Monaten hat sich der deflationäre Druck verstärkt und überträgt sich nun auf die Verbraucherpreise und den BIP-Deflator.

Die Kern-Inflation (core inflation) hat sich in der Region (ausser Indien, Indonesien und die Philippinen) von 1,7% im August 2014 auf 1,0% im Januar verschlechtert, nachdem sie 28 Monate gleichgeblieben war.

Auf der Basis der allgemeinen Inflation (headline inflation) sind Singapur, Taiwan und Thailand bereits im deflationären Bereich. Und das Wachstum der Verbraucherpreise bleibt in China und Korea unter 1% im Vergleich zum Vorjahr.


8 von 10 AxJ-Länder stecken in PPI Deflation, Graph: Morgan Stanley

Dienstag, 24. Februar 2015

Trotz Grexit-Debatte fällt das Renditeniveau in Europa

Griechenlands Liste mit eigenen Reformvorschlägen ist heute in Brüssel eingetroffen. Die neue griechische Regierung weigert sich bekanntlich am fatalen Kurs der Austeritätspolitik, die dem Land von Brüssel und Berlin in den vergangenen Jahren auferlegt wurde, festzuhalten, völlig zu Recht.

Das früher als „Troika“ bezeichnete Dreiergespann (EU-Kommission, EZB und der IWF) heisst von jetzt an „Institutionen“.

Fest steht, dass die harschen Sparmassnahmen gescheitert sind. Die Kürzung der Staatsausgaben, wie Keynesianer prophezeiten, waren kontraktiv. Die Schuldenquote ist nicht gesunken, sondern gestiegen. Die Arbeitslosigkeit ist auf 25% geklettert.

Die Wahl der Partei Syriza war ein Signal der griechischen Wähler, dass sie die Austeritätspolitik der EU nicht mehr aushalten können. Nun präsentiert die griechische Regierung eigene Reformen u.a. für die Steuerverwaltung und das Rentensystem.

Bemerkenswert ist, dass die Rendite der griechischen Staatsanleihen trotz der wieder entfachten „Grexit“-Debatte fällt. Die Rendite der Staatspapiere mit drei Jahren Laufzeit ist in den letzten Wochen von 21% auf 16,6% gefallen, obwohl sie noch immer etwas höher ist als vor den Wahlen im Januar.

Bank of Israel senkt Zinsen auf 0,10 Prozent

Die Bank of Israel (BoI) hat gestern aufgrund der anhaltenden negativen Inflationsraten und des starken handelsgewichteten Wechselkurses der Landeswährung den Leitzins von 0,25% auf 0,10% gesenkt.

Die Inflation fiel im Januar mit minus 0,5% auf den tiefsten Stand seit 2007. Der Shekel (ILS) hat sich im Januar um 2,6% gegenüber dem US-Dollar aufgewertet.

Die israelische Notenbank (BoI), die eine Inflationsrate von 1% bis 3% pro Jahr anstrebt, sieht sie zur Zeit aufgrund der hochbewerteten Landeswährung (ILS) ähnlich wie die SNB starken Gegenwinden ausgesetzt. Die kurzfristigen Inflationserwartungen verbleiben seit geraumer Zeit deutlich unterhalb des Zielwertes der Zentralbank.

Es geht nicht um Fachkräftemangel, sondern um die wirtschaftliche Macht

Paul Krugman ist ohne Zweifel für eine bessere Bildung. Bildung ist ein Freund von mir, schreibt der am Graudierten Zentrum der City University New York (CUNY) lehrende Wirtschaftsprofessor in seiner lesenswerten Kolumne („Knowledge isn’t power“) am Montag in NYTimes. Und die Bildung sollte für alle zugänglich und erschwinglich sein.

Aber es gibt Leute, die darauf bestehen, zu behaupten, dass pädogogische Mängel an der Wurzel der noch immer schwachen Schaffung von Arbeitsplätzen, der stagnierenden Löhne und der wachsenden Ungleichheit liege.

Das hört sich ernsthaft und nachdenklich an. Aber es ist tatsächlich eine Sicht, die sehr im Widerspruch zu Beweisen steht, erst recht eine Möglichkeit, sich vor der realen, unweigerlich parteiischen Debatte zu verstecken, so Krugman.

Die die Bildung ins Zentrum setzende Geschichte unserer Probleme läuft heute so: Wir leben in einer Zeit des beispiellosen technologischen Wandels, und zu viele amerikanische Arbeitnehmer verfügen nicht über die Fähigkeiten, mit diesem Wandel Schritt zu halten, wie Krugman schildert.

Diese „skills gap“ („Qualifikationslücke“ bzw. „Arbeitskräftemängel“) lastet auf dem Wirtschaftswachstum, weil Unternehmen die Arbeitnehmer, die sie brauchen, nicht finden können. Auch die Ungleichheit wird dadurch weiter gestützt, weil die Löhne für die Arbeitnehmer mit den richtigen Fähigkeiten durch die Decke schiessen. Wir brauchen also mehr Bildung, und v.a. eine bessere Bildung, so die Meinung.


Der Mythos über Fachkräftemangel (skills gap), Graph: Prof. Paul Krugman in NYTimes

Montag, 23. Februar 2015

Geldpolitik bleibt auch in diesem Jahr akkommodierend

Die Geldpolitik bleibt global auch 2015 locker. Hier ist eine sehenswerte Abbildung von Morgan Stanley Analysten:



Das globale Spektrum von Geldpolitik, Graph: Morgan Stanley

Sonntag, 22. Februar 2015

In einem mit Nachfrage-Mangel behafteten Gleichgewicht

In den letzten sechs Jahren gingen die Entscheidungstäger in den fortentwickelten Volkswirtschaften davon aus, dass die Geldpolitik den Tag retten kann. Die Krise hat aber unter Austeriät v.a. in der Eurozone zu Haushaltsdefiziten und steigenden Schulden geführt.

Die Überzeugung war daran geknüpft, dass die Notwendigkeit des Schuldenabbaus (deleveraging) den Einsatz von Fiskalpolitik obsolet macht. Das Problem mit Niedrigzinsen ist aber, dass die Unternehmen sich nicht veranlasst sehen, Investitionen zu stärken, wenn es an Nachfrage nach ihren Produkten mangelt.

Nachfrage ist das, was die Weltwirtschaft heute am meisten braucht. Der private Sektor kann die Nachfrage, trotz der grosszügigen Unterstützung der Geldpolitik nicht bereitstellen. Fiskalpolitik kann es, wie Joseph Stiglitz unterstreicht.

In diesem Zusammenhang schreibt Brad DeLong in seinem Blog, dass es unangemessen und destruktiv ist, das Augenmerk auf den kurzfristigen Defizitabbau zu richten, anstatt auf die langfristige Ausbalancierung der 25-, 50- oder 70-jährigen Fiscal Gap auf null.

Samstag, 21. Februar 2015

Früher Merkantilismus – Heute Merkelantismus

Die griechische Position ist vernünftig. Wenn etwas unvernünftig ist, ist es die Position der deutschen Regierung. Griechenland fordert das eigentlich Selbstverständliche, nämlich dass eine gescheiterte Politik eingestellt wird, sagt Heiner Flassbeck in einem unbedingt lesenswerten Interview mit dem Bund, der Schweizer Zeitung aus Bern.

Die von den Gläubigern in den letzten fünf Jahren Griechenland auferlegte Austeritätspolitik hat in der Tat die griechische Wirtschaft zum Absturz gebracht.

Griechenland hat zwar vor der Krise über seine Verhältnisse gelebt. Aber Deutschland hat unter seinen Verhältnissen gelebt, so der Honorarprofessor an der Universität Hamburg.

Wer hat den grösseren Fehler begangen? Eindeutig Deutschland, gemessen an dem, was einmal vereinbart worden ist, eine europäische Währungsunion mit einem Inflationsziel von 2%, unterstreicht der ehemalige Referat des Bundesministeriums für Wirtschaft in Bonn.

Da muss man sich mit seinen Löhnen an die Produktivität anpassen. Das hat Deutschland nach unten getan, Griechenland nach oben. Deutschland hat aber quantitative mehr gesündigt als Griechenland, so Flassbeck weiter. Weil Deutschland unter seinen Verhältnissen gelebt und die anderen durch eine Aufwertung seiner Währung in die Schulden getrieben hat.

Der makroökonomische Hintergrund der deutschen Verhandlungsposition

Es mag sich spekulativ und klischeehaft anhören, aber es lohnt sich, die Art von Dingen, über die in akademischen Kreisen auf wissenschaftlichen Konferenzen gesprochen wird, aus aktuellem Anlass wieder in Erinnerung zu rufen, schreibt Tony Yates in seinem Blog.

Worum geht es? Der an der University of Bristol lehrende Ökonom versucht vor dem Hintergrund der europäischen Verhandlungen mit Griechenland, die Wurzeln des deutschen geld- und fiskalpolitischen Konservatismus zu ergründen.

Ausgangpunkt ist die Beobachtung des Autors, dass die anglo-amerikanische und lateinische Welt Geld- und Fiskalpolitik als das beste antizyklische Instrument betrachtet, um „booms and busts“ zu glätten.

Was Griechenland demnach braucht, ist eine expansive Fiskalpolitik, nicht einen Primärüberschuss (primary surplus) und Erlass von Schulden.

Diese Ansicht stammt aus dem New Keynesianism, der in den USA durch führende Wissenschaftler erfunden wurde, erklärt Yates. Die einflussreichen Jobs in Sachen Money und Finance werden hingegen in Deutschland entweder von Senior deutschen Akademikern oder von denjenigen, die mit Ihnen in Verbindung stehen, bekleidet.

Die deutsche akademische Welt, die unverhältnismässig von den in Deutschland ausgebildeten Einheimischen belegt wird, ist von der amerikanischen akademischen Welt auf ungewöhnliche Art und Weise abgeschnitten, argumentiert Yates weiter. Aus diesem Grund fanden New Keynesianism und seine wirtschaftspolitischen Konzepte auf dieser Seite des Atlantiks keinen Anklang. Und daher hat die deutsche Wirtschaftspolitik keinen Wandel entwickeln können.

Austerity: The History of a Dangerous Idea

Buchbesprechung:

Mark Blyth: Austerity – The History of a Dangerous Idea. Oxford University Press, Paperback 2015, Oxford, New York

In einem Nachtrag für die Taschenbuch-Ausgabe des vor rund zwei Jahren vorgelegten ausgezeichneten Buches bemerkt Mark Blyth Ende August 2014, dass die Austerität immer noch eine gefährliche Idee ist und immer noch nicht funktioniert.

Der an der Brown University lehrende Wirtschaftsprofessor deutet darauf hin, dass die Staatsverschuldung heute unter Austeritätspolitik höher ist, nicht niedriger. 

Das ist der sog. „Nenner-Effekt“ (denominator effect). Die Schuldenstandsquote (debt to GDP)  ist ein Bruch: Auf dem Zähler werden die Schulden (debt) und auf dem Nenner die Wirtschaftsleistung (GDP) angegeben. 

Wenn der Nenner sinkt, dann wird der Bruch insgesamt grösser.Da das BIP aufgrund der Ausgabenkürzungen schrumpft, wird die Verschuldung wechselseitig grösser. Wie soll das Wirtschaftswachstum mit harschen Sparmassnahmen, restriktiver Fiskalpolitik und Ausgabenkürzungen der öffentlichen Hand gefördert werden?

Was die Rendite der Staatsanleihen in der Eurozone gedrückt hat, ist nicht die Haushaltskonsolidierung, sondern Zentralbank-Politik, unterstreicht Blyth weiter. Das heisst, dass es die von der EZB in den Markt gepumpte Liquiditität ist, die die Gemüter beruhigt und zu einem Rückgang des Renditeniveaus geführt hat.

Angebot, Nachfrage und Produktion an der Nullzins-Grenze

Ohne die Austeritätspolitik (fiscal austerity) wäre die Produktionslücke (output gap) heute in den USA, Grossbritannien und der Eurozone nicht negativ, sondern positiv, schreibt Simon Wren-Lewis in seinem Blog.

Eine wichtige Frage ist aber, ob die Schätzungen des Produktionspotenzials wirklich unabhängig vom gegenwärtigen Pfad der tatsächlichen Produktion (output) sind?

In einer stilisierten Betrachtung der Makroökonomie sind die beiden voneinander unabhängig. Produktionspotenzial berechnet sich daraus, wie viel wir produzieren können, wenn Arbeit und Kapital voll im Einsatz sind, und zwar durch die Verwendung der Technologie, die wiederum von den gegenwärtigen und den vergangenen Niveaus der Produktion unabhängig ist, unterstreicht der an der Oxford University lehrende Wirtschaftsprofessor.

Die stilisierte Ansicht von der Makroökonomie mag aber aus einer Vielzahl von Gründen falsch sein, dass z.B. die Arbeitnehmer, die lange arbeitslos sind, als unqualifiziert betrachtet werden, und dass es für Unternehmen, die in einer Rezession gezwungen sehen, Investitionen zurückzustellen, eine Menge Zeit in Anspruch nehmen kann, produktive Kapazitäten wiederaufzubauen.

In normalen Zeiten von konjunkturellen Auf- und Abschwüngen dürfte es auf diese Prozesse nicht besonders viel ankommen. Nach einer schweren Rezession sind sie jedoch von grosser Bedeutung. Internationale Organisationen wie die OECD und der IWF haben seit der Great Recession ihre Schätzungen von Produktionspotenzial nachunten korrigiert.



US-Wirtschaft (BIP) mit und ohne Austerität, Graph: Prof. Simon Wren-Lewis in: voxeu

Freitag, 20. Februar 2015

EZB sucht verzweifelt Verkäufer für das Kaufprogramm

Die EZB startet ihr Anleihenkaufprogramm zu einem Zeitpunkt, wo der Markt für zumindest deutsche Bundesanleihen austrocknet. Die EZB hat nämlich vor, pro Monat für rund 10 Mrd. EUR deutsche Staatspapiere zu kaufen.

Mario Draghi will von März 2015 bis September 2016 monatlich 60 Mrd. EUR Staatsanleihen erwerben.

Der EWU Markt für Staatsanleihen hat nach Angaben von Morgan Stanley Analysten ein Volumen von 5‘938 Mrd. EUR: 

40% der ausstehenden Anleihen entfallen auf die peripheren Märkte, während 60% davon sich im Kern der Eurozone befindet. 

Der Markt wird v.a. von inländischen Investoren (wie Banken und Versicherungsgesellschaften) „beherrscht“, was die Eigentümerschaft betrifft, die 52% des gesamten ausstehenden Volumens ausmachen.

Die Banken, Versicherungsgesellschaften und Fonds scheinen aber nicht gewillt, die als wertvoll betrachteten Papiere zu verkaufen. Vor allem müssten Banken, falls sie Staatsanleihen verkaufen würden, dafür Eigenkapital vorhalten. Dazu sind die Finanzinstitute aber nicht bereit.


Anleihenkaufprogramm der führenden Zentralbanken (USA, Grossbritannien, Japan und die Eurozone) im Vergleich, Graph: Morgan Stanley

Donnerstag, 19. Februar 2015

SNB gegen Deflation - Schweizer Wirtschaft vor Rezession

Die Schweizer Wirtschaft sieht sich aufgrund der deutlich überbewerteten Schweizer Frankens vor Herausforderungen gestellt, sagte Thomas Jordan neulich in einem Referat in Brüssel.

Die Überbewertung ist so, dass die Währung derzeit zum 2,5-fachen der Standard Abweichung über dem historischen Durchschnitt gehandelt wird, berichtet Morgan Stanley in einer heute vorgelegten Analyse.

Auf der bemerkenswerten Abbildung ist die Entwicklung der Preise der im Inland produzierten Güter und der aus dem Ausland eingeführten Güter zu sehen. 

Der Import-Preis-Index ist zuletzt, wie das Bundesamt für Statistik (BFS) am 13. Februar gemeldet hat, sage und schreibe um 4,6% (annualisiert) eingebrochen.



Die SNB vor dem Kampf gegen die Deflation, Graph: Morgan Stanley

Griechenlands Wirtschaft unter Austerität

Die von Brüssel und Berlin auferlegte Austeritätspolitik hat seit 2008 ein Viertel der griechischen Wirtschaft zerstört.

Obwohl Griechenlands Abschwung nicht so tief ist wie Amerika’s Depression in den 1930er Jahren, dauert die griechische Rezession viel länger und wird wahrscheinlich für die Erholung viel mehr Zeit beanspruchen.

Vergleichsweise erscheinen jüngste Abschwungsphasen im Euro-Raum und in Grossbritannien wie kleinere Problemchen, wie die von The Economist gelieferte Abbildung deutlich vor Augen führt.


Griechenland’s BIP im Vergleich mit Rezessionen in der Vergangenheit, Graph: The Economist in: The agony of Greece, Febr 2015

Mittwoch, 18. Februar 2015

Wer steckt die grössten Schläge in einer Rezession ein?

Die Vorstellung, dass die Einkommensungleichheit in den letzten 10 Jahren weiterhin gestiegen ist, ist ein Teil der Volksweisheit, schreibt David Leonardt in NYTimes. Es gibt verschiedene Versionen, wie z.B., dass die Reichen einfach immer reicher werden und die Ungleichheit so hoch ist wie noch nie.

Keine Frage, dass die Ungleichheit aus historischer Perspektive extrem hoch ist, und so besorgniserregend. Aber eine neue Analyse von Stephen J. Rose an der George Washington University legt nahe, dass die Einkommensungleichheit seit Beginn der Finanzkrise eigentlich nicht gestiegen ist, bemerkt Leonardt weiter.

Was ist davon zu halten?

Amir Sufi antwortet im Twitter darauf mit klaren Worten: Es stimmt nicht! Die Studie hat Fehler, so der an der University of Chicago Booth School of Business lehrende Wirtschaftsprofessor.

Das ideale Gedankenexperiment ist, Haushalte ex ante nach Einkommen (oder Vermögen) zu sortieren und dann dieselben Haushalte durch die Rezession zu begleiten bzw. beobachten, erklärt Sufi.

Die beste Studie dazu verwendet die SSA Daten: The Nature of Countercyclical Income Risk, von Fatih Güvenen, Serdar Özkan und Jae Song, June 2014 in Chicago Journals.


Vier Rezessionen im Vergleich, Graph: The Nature of Countercyclical Income Risk, von Fatih Güvenen, Serdar Özkan und Jae Song, June 2014 in Chicago Journals.

PS: Eine wichtige, aber sehr komplizierte Abbildung zum Verstehen.

SNB erläutert die Hintergründe der Aufhebung des Mindestkurses

Aufgrund der deutlichen Überbewertung des Frankens sieht sich die Schweizer Wirtschaft zur Zeit starken Gegenwinden ausgesetzt und vor viele Herausforderungen gestellt, sagte Thomas Jordan gestern in einem Referat („Die Schweiz im Herzen Europas: Zwischen Unabhängigkeit und Verflechtung“) in Brüssel.

Die unumgängliche Aufhebung des Mindestkurses gegenüber dem Euro Mitte Januar 2015 sei ein eindrückliches Beispiel für die gegenseitigen Abhängigkeiten, so SNB-Präsident.

Vor diesem Hintergrund hatte die SNB laut Jordan keine Wahl, die Politik des Mindestkurses zu beenden. Hätte die SNB am Mindestkurs weiterhin festgehalten, hätte sie es riskiert, die Kontrolle über ihre Bilanz zu verlieren. Dies wiederum hätte die Gestaltung einer stabilitätsorientierten Geldpolitik in der Zukunft behindert.

Spekulative Positionen gegen den Mindestwechselkurs (1,20 CHF pro EUR) hätten in wenigen Monaten leicht zu einer Verdopplung der SNB-Bilanz führen können.


Flucht in den Schweizer Franken, Graph: Thomas Jordan, SNB, in: Switzerland at the heart of Europe, Febr 17th, 2015

Dienstag, 17. Februar 2015

Strukturelles Haushaltsdefizit: Griechenland versus Irland

Strukturelles Haushaltsdefizit gibt an, was der Haushaltssaldo (Staatseinnahmen – Staatsausgaben) wäre, wenn die Zinszahlungen nicht berücksichtigt würden und die Wirtschaft Vollbeschäftigung hätte.

Kevin O’Rourke deutet in seinem Blog darauf hin, dass es derzeit Diskussionen darüber gibt, dass Griechenland genau wie Irland seine Medizin nehmen soll.

Macht es Sinn?

Mit der folgenden Abbildung argumentiert der am Trinity College Dublin lehrende Wirtschaftsprofessor, dass es einen erheblichen Unterschied zwischen den beiden Ländern gibt. Ein Vergleich lässt sich nicht ziehen. Zumal die griechische Wirtschaft viel grösser ist als die kleine und sehr offene irische Wirtschaft.

Griechenland hat zudem mehr „Reformen“ realisiert als Irland. Die Griechen haben also viel mehr Austerität ertragen müssen als die Iren. Die irische Regierung soll es unterlassen, sich als Vorbild in Sachen Austerität anzupreisen und stattdessen mehr Solidarität zeigen, so O’Rourke.

Schliesslich ist eine weniger deflationäre und weniger Gläubiger-freundliche Eurozone auch im Interesse von Irland. Vorausgesetzt, dass Irland in der Eurozone bleibt.


Strukturelles Haushaltsdefizit: Griechenland versus Irland, Graph: Prof. Kevin O’Rourke in: the Irish Economy

PS: Der um die Konjunktur bereinigte Saldo im Haushalt, bekannt auch als Staatshaushalt bei Vollbeschäftigung, das heisst, dass der Saldo ausgeglichen ist, wenn die Wirtschaft bei Produktionspotenzial (potential GDP) ist.

Kreditvergabe der europäischen Banken

Die grenzüberschreitende Kreditvergabe der europäischen Banken legte im Sommer um 6% zu. Aber sie fiel im Dezember wieder auf eine Wachstumsrate von 3,7% (annualisiert) zurück.


Kreditvergabe der europäischen Banken in Europa und ausserhalb Europas, Graph: Morgan Stanley

Montag, 16. Februar 2015

Griechenland und Lehren aus der Geschichte

Wenn wir über die Politik, die wir in einer schwer angeschlagenen Wirtschaft brauchen, reden, entgegnet jemand sicher mit dem Gespenst von Weimar Deutschland, angeblich als ein Lehrbeispiel für die Gefahren der Haushaltsdefizite und der lockeren Geldpolitik, schreibt Paul Krugman in seiner lesenswerten Kolumne („Weimar on the Aegean“) am Montag in NYTimes.

Aber die Geschichte von Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg wird fast immer auf eine merkwürdige Art und Weise selektiv zitiert. Wir hören endlos viel über die Hyperinflation von 1923, als Menschen mit Schubkarren voller Geld herum fuhren. 

Aber wir hören nie etwas über die viel relevantere Deflation der früheren 1930er Jahre, als die Regierung von Kanzler Brüning versucht hat, Deutschlands Bindung am Goldstandard mit der Politik des knappen Geldes und harscher Austerität zu verteidigen, so der am Graduierten Zentrum der City University New York (CUNY) lehrende Wirtschaftsprofessor.

Was ist aber damit, was vor der Hyperinflation geschehen ist, als die siegreichen Allierten versucht hatten, Deutschland zu zwingen, hohe Reparationen zu zahlen? Am Ende, und zwangsläufig, blieb die Summe der von Deutschland eingesammelten Gelder weit hinter den Forderungen der Allierten zurück. 

Aber der Versuch, Tribut einzufordern, (unglaublich, dass Frankreich das Ruhrgebiet, das industrielle Herz Deutschlands überfallen und besetzt hatte, um die Zahlungen zu extrahieren) hat deutsche Demokratie verkrüppelt und die Beziehungen zu seinen Nachbarn vergiftet, schildert Krugmann weiter.

Das bringt uns zu der Konfrontation zwischen Griechendland und seinen Gläubigern. Griechenland kann seine Schulden in voller Höhe nicht zahlen. Die Austerität hat seine Wirtschaft zerstört so wie die militärische Niederlage Deutschland verwüstet hat.


Griechenland und Lehren aus der Geschichte, GraphProf. Paul Krugman in NYTimes

Sonntag, 15. Februar 2015

Multiple Gleichgewichte sind möglich

David Andolfatto befasst sich in einem ausgezeichneten Beitrag in seinem Blog mit dem Thema Konjunktur (business cycles).

Die grundlegende Idee ist, dass, in Abwesenheit von Eingriffen, wirtschafliche Einbrüche (z.B. gemessen am Anstieg der Arbeitslosigkeit) aufgrund eines sich selbst verstärkenden Rückkopplungseffekts für eine sehr lange Zeit bestehen bleiben können.

Die Wirtschaft kann in einem, wie die Spieltheoretiker (game theorist) beschreiben, „bad equilibrium“ („schlechtes“ Gleichgewicht) stecken. Diese Interpretation deckt sich mit Keynes‘ Ansicht der Angelegenheit, erklärt Vize-Präsident der Fed St. Louis.

Es gibt nun mehr als einen Weg, zu erläutern, wie eine Wirtschaft in einen Trott geraten kann. Ein beliebtes Argument auf der rechten Seite des politischen Spektrums ist, dass Rezessionen sich selbst korrigieren, wenn man sich in den Markt nicht einmischt. Die anhaltenden Einbrüche sind v.a. fehlgeleiteten, ungeschickten und uninformierten Versuchen der Regierungspolitik zuzuschreiben, das Problem anzugehen.

Es gibt aber eine andere Ansicht: Der Ansatz beginnt mit einer Beobachtung aus der Spieltheorie (game theory): die meisten Strukturen, die soziale Interaktion lenken, lassen mehrere mögliche Ergebnisse zu; Ergebnisse, die mit der Existenz einer fundamentalen Unsicherheit nichts zu tun haben.


Multiple Gleichgewichte (Multiple Equilibria), Graph: Prof. David Andolfatto in MacroMania

Die verrückte Geldpolitik der Konservativen in den USA

Die Geldpolitik wird wahrscheinlich nicht ein wichtiges Thema in der Wahlkampagne von 2016 in den USA, aber es sein sollte, schreibt Paul Krugman in seiner lesenswerten Kolumne („Money Makes Crazy“) am Freitag in NYTimes.

Es ist immerhin sehr wichtig, und die republikanische Basis und viele führende Politiker äussern starke Ansichten über die Federal Reserve (Fed) und wie die Geldpolitik geführt werden soll. Die möglichen Präsidentschaftskanditaten werden sicherlich die Partei-Linie unterstützen.

Es ist also entscheidend, zu unterstreichen, dass der entstehende Konsens in der GOP über die Geldpolitik, völlig auf Verschwörungstheorien basierend, verrückt ist, so Krugman.

Warum ist aber die Geldpolitik der GOP von heute verrückt? Klasseninteressen spielen zweifelsohne eine Rolle: Die Reichen sind i.d.R. Kreditgeber als Kreditnehmer. Und sie profitieren zumindest relativ gesehen von der Deflationspolitik. Aber Krugman vermutet, dass die Konservativen ein tiefes psychologisches Problem mit den modernen Währungssystemen hätten.

In dem konservativen Weltbild sind die Märkte nicht nur ein sinnvoller Weg, die Wirtschaft zu organisieren, sondern auch eine moralische Struktur: Menschen werden entlohnt, wie sie es verdienen. Und was die Güter kosten, ist, was sie es in der Gesellschaft wirklich wert sind.

Das moderne Geld, bestehend aus Papierstücken oder deren digitalem Äquivalent, das von der Fed ausgegeben, und nicht von den heroischen Anstrengungen von Unternehmen geschaffen wird, ist gegen diese Weltsicht ein Affront.