Sonntag, 31. Mai 2009

Bond Vigilantes: Bürgerwehr der Anleihenhändler

Der regelrechte Ausverkauf der US-Staatsanleihen ist zur Zeit das dominierende Thema an den Märkten. Es wirft die grundsätzliche Frage auf, ob es sich dabei um ein Misstrauensvotum der Marktteilnehmer handelt. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, als ob die Obama-Administration herausgefordert würde, weil die Staatsverschuldung deutlich zunimmt und die Anleihenhändler demonstrativ Anstoss am steigenden Haushaltsdefizit (1'850 Mrd. $ für 2009) nehmen. Die Renditen schiessen durch die Decke und konterkarieren Fed-Chef Ben Bernanke’s Bemühungen, die Kreditkosten für Unternehmen und private Haushalte zu senken. Erstmals seit dem 18. März sind die Zinssätze für 30-jährige feste Hypothekendarlehen über die Marke 5% geklettert.


Bankrate 30Y Mortgage Rate, Graph: Bloomberg.com

Angeblich war’s Ed Yardeni, der den Begriff „Bond Vigilantes“ 1984 geprägt hat, um den Protest (Abstoss von US-Treasuries) der Investoren gegen die damalige Geld- und Fiskalpolitik zu beschreiben. Die Anleihenhändler befürchten derzeit einen kräftigen Inflationsanstieg, weil die Regierung und die Fed insgesamt rund 12'800 Mrd. $ ausgeben, um die Kreditmärkte zu entspannen. Allein 300 Mrd. $ setzt die Fed ein, um US-Treasuries am offenen Markt zu kaufen. 1'250 Mrd. $ sind für den Kauf von Wertpapieren, die mit Hypotheken verbrieft sind, vorgesehen. Wie ist es aber zu erklären, dass die Inflationsbesorgnisse zunehmen, während es keinen Preisdruck gibt und der Konsumentenpreisindex (CPI) heute deutlich tiefer liegt als ein Jahr zuvor? Der CPI verbucht in den vergangenen 12 Monaten den grössten Rückgang seit 1955. Handelt es sich dabei tatsächlich um eine eingebettete Inflationsprämie in den Bondmärkten, wie Pimco-Chef Bill Gross meint?


US TIPS 10Y, Graph: Bloomberg.com

In den Anleihenmärkten kommt es i.d.R. zu einer Rally, wenn die Wirtschaft in Rezession steckt. Das sind aber keine gewöhnliche Zeiten. Woran erkennt man dies? Zum Beispiel am US-Dollar Swap-Markt. US-Staatsanleihen gelten mit einem Rating von „AAA“ weltweit als risikolose und liquide Wertpapiere. Zur Zeit liegt aber die Rendite der 30-jährigen US-Treasuries mit 4,525% höher als die Rendite der 30-jährigen Swaps (4,327%). Das heisst, dass die Marktteilnehmer den amerikanischen Staatspapieren derzeit mehr Kreditrisiko beimessen als den Swaps. Das ist ziemlich bizarr. Eins steht fest: Es stecken keine Fundamentaldaten dahinter. Nur technische Gründe führen im Sog der anhaltenden Krise zu dieser sonderbaren Situation. Swaps sind Vereinbarungen zwischen zwei Vertragsparteien über den künftigen Austausch von Cash Flows. Der Swap-Satz ist der Preis, zu dem die Banken untereinander feste in variable Zinszahlungen tauschen. Andererseits ist es so, dass die CDS-Risikoaufschläge für 5jährige Kontrakte auf Treasuries von 100 Basispunkten (Rekordhoch vom 9. März) auf 41 Basispunkte per 25. Mai 2009 gefallen sind. Demnach ist das Default-Risiko für US-Treasuries inzwischen erheblich abgenommen, obwohl der Swap-Markt dies nicht angemessen widerspiegelt. Während die Renditen der 10- (3,46%) und 30-jährigen Treasuries (4,34%) heute steigen, liegen sie laut Bloomberg nach wie vor unter dem Durchschnittswert von 6,49% der vergangenen 25 Jahre.

Die Banken sind für ihre Kreditvergabe grundsätzlich auf die Bereitstellung von Zentralbankgeld durch die Fed angewiesen. Die Fed hat zur Zeit die Kontrolle über die Geldbasis. Das ist entscheidend. Angesichts der historischen Daten gibt es eine positive Korrelation zwischen der Geldbasis und dem BIP-Wachstum. Die Auswirkung entfaltet sich jedoch innert 3 Jahren. In einem Zeitraum von 3 Jahren also führe ein Wachtum der monetären Basis um 1% zu einem BIP-Wachstum um 0,4%. Dieser Zusammenhang verschwinde jedoch in einer sehr langen Frist. Grund sei wahrscheinlich, dass das zunehmende Zentralbankgeld langfristig zu Inflation führe, so eine Studie. Da es aber in der Geschichte noch nie eine derart übermässige Ausweitung der monetären Basis gegeben hat, sind die Daten nicht gerade „schlüssig“, sondern stellen nur eine „grobe Anleitung“ dar. Es darf ferner nicht vergessen werden, dass die Schuldendynamik beim Staats ansteigt, wenn sie im privaten Sektor abnimmt. Es gibt also eine Korrelation zwischen Änderungen der Jahresraten der Kredite an den Staat und die Unternehmen.

Samstag, 30. Mai 2009

CDS für israelische Staatsanleihen fallen weiter

Die Risikoprämien der Credit Default Swaps (CDS) auf Israels Staatsanleihen fallen weiter. Die Risikoaufschläge für 5-jährige Kontrakte sind im Mai von 180 Basispunkten auf 140 Basispunkte gefallen. Das heisst, dass Investoren 1,40% der Summe, die sie absichern wollen, als Versicherungssumme zahlen müssen. Anleger haben also 140’000 Euro zu zahlen, um israelische Staatsanleihen im Wert von 10 Mio. Euro für fünf Jahre gegen den Ausfall zu versichern.


BoI Base Rate, Graph: Bloomberg.com

Die Geldmenge M1 (Bargeld und Sichtguthaben des Publikums bei Banken) ist in den vergangenen 12 Monaten um 59% gestiegen. M2 ist um 19% zugenommen. Der starke Anstieg der M1 ist zum Teil dadurch zustande gekommen, dass das Publikum aufgrund der zurückgehenden Zinsen das Geld von Termineinlagen ins Kontokorrentkonto umgeschichtet hat.

Das Haushaltsdefizit betrug in den ersten vier Monaten des Jahres 7,9 Mrd. Shekel. Im Vergleich: Ein Überschuss von 5,6 Mrd. Shekel in den ersten vier Monaten von 2008. Das von der Regierung verabschiedete Budgetdefizit beträgt 6% des BIP für 2009 und 5,5% für 2010. Abgesehen von automatischen Stabilisatoren bietet die Staatsverschuldung mit 80% der Regierung fiskalpolitisch noch Spielraum.

Die israelische Notenbank (BoI) hat am 25. Mai den Leitzins (base rate) unverändert bei 0,50% belassen, nachdem sie diesen seit Oktober um insgesamt um 375 Basispunkte gelockert hat. Die BoI rechnet mit einer Kontraktion der Wirtschaft um 1,5% in diesem Jahr.

Freitag, 29. Mai 2009

US-Wirtschaftswachstum: Minus 5,7% im ersten Quartal

Die US-Wirtschaftsleistung schrumpfte im ersten Quartal 2009 auf das Jahr hochgerechnet um 5,7%. Ursprünglich hatte das Handelsministerium ein Minus von 6,1% berechnet. Der private Verbrauch legte um 1,5% zu. Zuvor war die Behörde von 2,2% ausgegangen. Die Vorräte gingen um 2,8% zurück. In der ersten Einschätzung war ein Minus von 2,8% beziffert worden. Fazit: Die USA stecken tief in einer Rezession. Es ist mittlerweile das dritte Quartal mit einem Negativwachstum.



US Real GDP, Graph: Fed St.Louis

Nüchtern betrachtet deuten die Zahlen von heute eher auf „gelbe Unkräuter“ (eine Phrase von Nouriel Roubini) als auf „grüne Sprösslinge“ hin. Die aggressive Reaktion der Fed auf die Krise hat aber die Wirtschaft vor der Entgleisung bewahrt. Dennoch ist auf Jahre hinaus mit langsamerem Wachstum zu rechnen. Die grundlegende Restrukturierung des Finanzsystems bedeutet ein BIP unter Potenzialwachstum.

Türkei: Handelsbilanz-Zahlen April 2009

Nach Angaben des türkischen Statistik-Institutes sind die Ausfuhren im April um 33,3% zurückgegangen. Die Einfuhren sind um 43,4% gesunken. Das Handelsbilanzdefizit hat sich damit um 61% verringert. Den heute vorgelegten Daten zufolge hat sich das Defizit der Handelsbilanz zwischen Januar und April 2009 um 69,7% im Vergleich zur Vorjahresperiode (2008) zurückgebildet.

April 2009:
Ausfuhren: 7,57 Mrd. $ (-33,3%)
Einfuhren: 10,11 Mrd. $ (-43,4%)
Defizit: -2,54 Mrd. $ (-61%)
Export/Import: 74,9%


2008-2009 Jan.-April, Export & Import, Graph: Turkish Statistical Institute

Die türkischen Ausfuhren gehen hauptsächlich in die EU. Im April war Deutschland der Haupthandelspartner der Türkei mit einem Exportvolumen von 725 Mio. $. Gefolgt von Frankreich: 492 Mio. $. Dann Irak: 448 Mio. $ und Italien: 411 Mio. $.

Die Türkei hat im April am meisten aus Russland importiert: 1'216 Mio. $. Dann folgen Einfuhren aus Deutschland mit 970 Mio. $. Aus China: 942 Mio. $ und aus Italien: 610 Mio. $. Hauptkategorien für Importe sind Mineralöl-Produkte, Maschienerie, Boilers, Betriebs- und Geschäftsausstattung sowie Komponente usw.

Jan.- April 2009:
Ausfuhren: 32,07 Mrd. $ (-27,9%)
Einfuhren: 38,91 Mrd. $ (-42%)
Defizit: -6,83 Mrd. $ (-69,7%)
Export/Import: 66,4%

Politisch motivierte Inflationsangst

Derzeit herrschen in der Wirtschaft eindeutig deflationäre Tendenzen vor. An der Börse herrscht eine Stimmung, die vermuten lässt, als würde sich die Weltwirtschaft demnächst erholen. Anleger schichten das Geld von den Anleihemärkten in den Aktienmarkt um. Zugleich verbreiten sie die Erwartung, dass die amerikanische Notenbank die Schulden monetarisieren würde. Das hat zur Folge, dass die Renditen weiter steigen und die Zinskurve steiler wird. Im Euroland geht sogar die Angst vor Hyperinflation um, obwohl die Teuerungsrate in Deutschland auf den niedrigsten Stand seit 22 Jahren gefallen ist.

Macht es Sinn in diesem Marktumfeld Angst vor Inflation zu haben? Grundsätzlich nein, schreibt Paul Krugman heute in seiner Kolumne in The New York Times. Seiner Meinung nach sei die Furcht vor einer steigenden Inflationsrate zumindest teilweise eher politisch bedingt als ökonomisch. Erstens gibt es derzeit keinen Hinweis auf preistreibende Drücke. Der Konsumentenpreisindex liegt heute tiefer als vor einem Jahr. Die Lohnerhöhungen sind angesicht der steigenden Arbeitslosigkeit abgewürgt. Deflation ist also die eindeutige und präsente Gefahr, nicht Inflation. Warum gibt es aber Inflationsbesorgnisse, wenn die Preise nicht steigen? Weil die Fed Geld druckt und die Staatsverschuldung angeblich aus dem Ruder läuft. Die massiven Liquiditätsspritzen durch die Notenbanken sind aber nicht inflationär. Weil sie die enorme Nachfrage nach Liquidität decken. Wenn die Panik am Markt sich legt und die Überschussnachfrage nach Liquidität schrumpft, können die Zentralbanken die exzessive Liquidität wieder absaugen. In normalen Zeiten müsste man mit Inflation rechnen. Es herrschen aber gegenwärtig aussergewöhnliche Zeiten. Die Banken verleihen keinen Kredit. Sie horten das Geld, bzw. verschicken es zurück an die Zentralbank. Dürfte es aber später zu Inflation kommen? Auch auf diese Frage antwortet Krugman mit einem klaren Nein. Siehe den Fall Japan. Obwohl die Bank of Japan (BoJ) zwischen 1997 und 2003 Staatspapiere in grossem Masse am offenen Markt aufgekauft hat, ist die Teuerungsrate nicht gestiegen. Die USA hatten nachdem II. Weltkrieg einen Schuldenberg von 120% des BIP. Es kam anschliessend nicht zu Inflation. Krugman macht keinen Hehl daraus, dass er sich mit dem Argument anfreunden kann, dass eine höhere Inflation den Schuldendienst erleichtert. Die Idee sei aber in Japan nie vorangekommen. Es gäbe heute keine Anzeichen dafür, dass die US-Politiker sich der Idee annehmen würden.

Donnerstag, 28. Mai 2009

US-Notenbank vs. US-Anleihenmärkte

Die US-Notenbank wehrt sich bekanntlich mit allen in ihrer Macht stehenden Mitteln gegen die schwerste Rezession seit Jahrzehnten. Sie hat ihren Leitzins (FFR: Federal Funds Rate) auf 0,25% gesenkt und pumpt via „Credit-Easing“-Politik Liquidität in den Markt. Fed’s Ziel ist transparent: Sie will die Kapitalkosten für Unternehmen und private Haushalte senken, indem sie versucht, über ihr Aufkaufprogramm die Renditen am lange Ende des Anleihenmarkts v.a. für Unternehmen und Hypotheken zu drücken. Die T-Bills und –Notes haben darauf scharf reagiert. Die Rendite der 3-monatigen US-Treasuries ist sogar im Sog der Krise zeitweise bis unter Null Prozent gefallen. Die Transmission der niedrigen Renditen vom langen Ende der Treasurie-Zinskurve in den Bereich des Marktes für Unternehmens- und Hypothekenanleihen hat sich aber bislang als harzig erwiesen.


30 Year US Mortgage Rates, Graph: Bloomberg.com


Der Ausverkauf der US-Staatsanleihen hat sich auch heute fortgesetzt. Die Frage ist, wie die Situation zu bewerten ist. Ist es ein Anzeichen der Entspannung? Nehmen als die Bondhändler Gewinne mit, weil die Risikoaversion sich allmählich zurückbildet? Nach Einschätzung mancher Analysten handelt es sich dabei um eine „Normalisierung“ der Finanzierungsbedingungen. Oder ist es ein Anzeichen dafür, dass sich Anleger in Erwartung eines rapiden Inflationsanstiegs von den US-Treasuries abwenden? Wegen des Rekordangebots an Staatspapieren und der Angst vor steigenden Staatsverschuldung. Die Renditekurve ist inzwischen wesentlich steiler geworden. Die Renditedifferenz zwischen den 2- und 10-jährigen US-Treasuries ist in den letzten 12 Monaten von 1,45% auf 2,76% geklettert. Das ist ein Rekordwert. Die Renditekurve hat damit die steilste Form seit 1992 erreicht. Die zunehmende Differenz zwischen den Renditen am kurzen und langen Ende der Kurve stellt eine Entlastung (Fristentransformation) für die Banken dar, da das Geschäft einträglicher wird. Denn die Finanzinstitute leihen das Geld kurzfristig und verleihen es langfristig weiter.


10 Year US-Treasury Yield, Graph: Bloomberg.com

Der massive Anstieg der Kurve am langen Ende ist daher zum grössten Teil auf Convexity Hedging unter den Händlern zurückzuführen. Die zunehmenden Aktivitäten haben also mit dem Thema Duration der Anleihen (eine Sensitivitätskennzahl) zu tun. Bei der Konvexität handelt sich um die (Krümmungs-)Beziehung zwischen den Anleihenpreisen und –renditen. Je höher die Convexität ist, desto weniger sensitiv reagiert eine Anleihe (d.h. der Preis der Anleihe) auf Zinsveränderungen. Die Konvexität berücksichtigt m.a.W. die zweite Ableitung und bildet eine genauere Annäherung an die erwartete Zinsveränderung.

Die Spreads sind im Sektor für Unternehmensanleihen und mit Hypotheken besicherten Anleihen heftigeren Kursschwankungen ausgesetzt. Der amerikanische Markt für Corporate Bonds hat ein Volumen von 9'800 Mrd. $. Das ist 1 ½ mal grösser als der Marktwert für ausstehende US-Treasuries. Der amerikanische Markt für Hypothekendarlehen ist sogar noch grösser. Volumen: 14'700 Mrd. $. Davon sind 8'200 Mrd. $ verbrieft. Die Fed hat es nicht einfach. Die Rendite der 10-jährigen US-Staatsanleihen ist heute auf 3,70% gestiegen. Die festen Zinssätze für 30-jährige Hypotheken kletterten von 4,82% auf 4,91%.

Potenzialwachstum

Die US-Wirtschaft ist nicht mehr am Abgrund, sagte Präsident Barack Obama gestern. Etliche Analysten wollen Anzeichen einer Stabilisierung der Weltwirtschaft erkennen. Trotz der dramatischen Wachstumszahlen der vergangenen zwei Quartale werfen die Optimisten die Flinte nicht ins Korn. Ist aber das Schlimmste tatsächlich vorbei? Ist die konjunkturelle Talfahrt nun beendet? Welches Wachstum wird jetzt den Boomjahren 2002 bis 2007 folgen? Die aktuelle Krise markiert das Ende einer Ära der Kreditexpansion. Was wird jetzt die Realwirtschaft ankurbeln?


Actual and Potential Real GDP, Graph: Fed St. Louis, Monetary Trends June 2009

Die Kreditschöpfung ist zum Erliegen gekommen. Der Privatkonsum als stärkste Antriebskraft des weltweiten Wachstums fällt aus. Während des Booms stieg der Verbrauch in den USA über 70% des BIP. Nun könnte er im Gefolge der Krise bis auf 60% fallen, prognostiziert Kennenth Rogoff in FT Deutschland. Die Privathaushalte sind dramatisch überschuldet. Unternehmen sind hochverschuldet. Mehrere Finanzinstitute sind technisch insolvent. Es findet ein schmerzvoller Prozess des De-Leveraging (Schuldenabbau) in der Wirtschaft statt. Konsumenten tilgen Schulden. Banken sind mit Sanierung beschäftigt und bemühen sich um Refinanzierung. Das Potenzialwachstum, das in den USA in den letzten fünfzehn Jahren im Durchschnitt 3% betrug, dürfte daher laut Pimco nun unter 2% fallen. Das ist eine Wachstumsrate, die zuletzt in den 1930er Jahren beobachtet wurde.

Das Potenzialwachstum wird bestimmt durch (1) Arbeitsangebot, (2) Produktivität und (3) Kapitaleinsatz. Der potenzielle Output hängt von den Variablen der Angebotsseite ab. Der tatsächliche Output wird hauptsächlich von der Nachfrageseite bestimmt. Da zur Zeit aufgrund der anhaltenden Rezession die aggregierte Nachfrage brachliegt, ist der potenzielle Output höher. Das bedeutet wiederum, dass ein Teil der Produktivitätskapazität ungenutzt bleibt. Dieser Zustand wird durch hohe Arbeitslosigkeit reflektiert. Marktteilnehmer haben sich auf ein langsameres Wirtschaftswachstum auf Jahre hinaus gefasst zu machen. Die Jobmisere, die sich verschärft und ein schwächeres Wachstum werden noch Jahre auf der Konjunktur lasten.

Mittwoch, 27. Mai 2009

Deutsche Wirtschaft: Null Inflation

Die Inflationsrate ist in Deutschland auf null Prozent gesunken. Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes liegt die Teuerung damit auf dem niedrigsten Stand seit 22 Jahren. Die Preise verharren im Mai auf dem Niveau des Vormonats. In manchen Bundesländern ist die Inflation gegenüber dem Vorjahresmonat sogar zurückgegangen. Als Hauptgrund gilt der Preisrückgang bei Heizöl und Kraftstoffen.


Inflation in Euro-Zone, Graph: Bloomberg.com

In den USA, der Schweiz, Japan und China steht bereits ein Minuszeichen vor der Inflationsrate. Nun ist auch Deutschland mit der Deflation konfrontiert. Das reale BIP ist in Deutschland im ersten Quartal gegenüber dem Vorquartal um 3,8% gesunken. Auf ein Jahr hochgerechnet bedeutet das eine Rate von 14,4%. Unternehmensgewinne brechen ein. Bei einigen deutschen Konzernen ist der Cash Flow sogar negativ. Davon wird nun auch der Arbeitsmarkt dramatisch erfasst. Die Deflationsgefahr ist höher als die Wahrnehmung im Markt derzeit ahnen lässt.

Dienstag, 26. Mai 2009

S&P/Case-Shiller Home Price Index:
US-Häuserpreise im Stress

Die Preise für Immobilien in den USA sind im März so stark wie nie zuvor gefallen. Dem heute vorgelegten Pressebericht zufolge sackte der Standard & Poor’s Case/Shiller Index im ersten Quartal 2009 im Vergleich zum Vorquartal 2008 um 19,1% ab. Das ist der stärkste Index-Einbruch in der 21-jährigen Geschichte der Index-Serie. Alle vom Index erfassten 20 Ballungsräumen (Metro-Areas) berichten weiterhin monatliche und jährliche negative Preisveränderungen. Im Vergleich zum dem im II. Quartal 2006 erreichten Spitzenwert sind die Häuserpreise in den USA um sage und schreibe 32,2% zurückgegangen.


S&P/Case-Shiller Index, Graph: Standard & Poor’s

Per Ende März 2009 sind die amerikanischen Hauspreise im Durchschnitt auf dem gleichen Niveau wie im IV. Quartal 2002. Der S&P Index-Ausschuss sieht gestützt auf diese Daten keine Anzeichen einer Erholung der Hauspreise.

Die letzte grosse Immobilienkrise fand in den USA von 1925 bis 1933 statt. Die Immobilienpreise fielen laut Robert J. Shiller in diesem Zeitraum insgesamt um 30 Prozent und die Arbeitslosigkeit stieg zum Höhepunkt der „Grossen Depression“ auf 25%. Angesichts der steigenden Arbeitslosigkeit, des Rückgangs der Industrieproduktion, des abschwächenden Privatverbrauchs und der weiterhin fallenden Hauspreise ist derzeit schwer, am Konjunkturhorizont grüne Sprösslinge (green shoots) zu erkennen.

PS: Der S&P/Case-Shiller Index zählt zu den wichtigsten Indizes zur Messung der Preisentwicklung am US-Wohnimmobilienmarkt. Der Preisverfall am US-Immobilienmarkt gilt als Auslöser der Kreditmarktkrise.

Libor Lücke: (Libor Gap)

Der US-Dollar 3-Monats Libor ist zwar nach einem Rekordwert von 4,82% am 10. Oktober mittlerweile auf 0,66% gefallen, aber der Mangel an Vertrauen unter Banken hält nach wie vor an. Einem Bericht von Bloomberg zufolge hat sich die Libor-Lücke (Libor Gap) in den vergangenen Wochen deutlich ausgeweitet. Die Differenz zwischen dem Höchst- und Tiefstsatz, den die 16 Banken aneinander für Refinanzierungen von 3 Monaten zahlen, beläuft sich im Mai laut BBA auf 7,5 Basispunkte. Das ist ein erheblicher Anstieg vom Durchschnittswert im April, der 4,9 Basispunkte betrug. Die sog. Libor-Lücke belief sich in den vergangenen sechs Monaten vor der Lehman-Pleite auf 1,5 Basispunkte. Der Risikoaufschlag kletterte sogar am 14. Mai bis auf 9 Basispunkte. Das markiert den höchsten Wert seit dem 3. Dezember.


Libor USD 3M, Graph: Bloomberg.com

Die Streuung scheint aussergewöhnlich breit. Es deutet auf eine potenzielle Abzweigung zwischen den „Good Banks“ und „Bad Banks“ im Finanzsystem hin. Es gibt m.a.W. eine erhebliche Gabelung zwischen den „guten“ Banken, die es sich einfacher Geld beschaffen können, und den „schlechten“ Banken, die es schwer haben, sich dem Libor entsprechend günstig zu refinanzieren. Der Rückgang des Libor seit Jahresbeginn hat eher mit Kundeneinlagen, die in den vergangenen sechs Monaten um 400 Mrd. $ zugelegt haben, zu tun. Der kräftige Anstieg der Depositen hat dafür gesorgt, dass die Nachfrage nach Reinanzierung im Interbankenmarkt etwas zurückgegangen ist.

Der Libor gilt weltweit als Benchmark für Anlageprodukte im Wert von rund 360'000 Mrd. Dollar. Libor, London Interbank Offered Rate ist der Geldmarktzinssatz, zudem sich erstklassige Banken untereinander kurzfristige Einlagen ent- und/oder verleihen. Der Libor-Satz gehört wie TED-Spread und Libor-OIS-Spread zu den wichtigsten Krisenbarometern.

Deutschland: BIP sinkt um 3,8 Prozent

Das war das 4. Minus in Folge. Der dramatische Einbruch der Wirtschaftsleistung ist auf den Kollaps des Welthandels zurückzuführen. Damit erlebt Deutschland die tiefste Rezession seit je zuvor. Das Statistische Bundesamt bestätigte heute eine erste Prognose von Mitte Mai, dass das BIP im I. Quartal 2009 preis-, und saisonbereinigt um 3,8% gesunken ist. Verantwortlich dafür sind Exporte und Investitionen. Dabei sind die Ausfuhren um 9,7% zurückgegangen, während die Einfuhren um 5,4% gesunken sind. Deutsche Unternehmen haben in Maschinen, Geräte und Fahrzeuge 16,2% weniger investiert als im letzten Quartal 2008. Die Verbraucher gaben 0,5% mehr aus. Die Staatsausgaben legten um 0,3% zu. Eine Rückkehr zu Wachstum ist vor Jahresende nicht zu erwarten.

Deutschlands Exportgeschäft (50% Anteil am BIP) ist zum Erliegen gekommen. Das Konsumklima ist insbesondere in den USA schwer belastet. Der Zusammenbruch des Immobilienmarkts, die Kursabstürze den Börsen und die wachsende Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes lasten auf amerikanischen Haushalten. Bei Banken stockt die Kreditvergabe. Unternehmen investieren nicht, weil ihre Auftragsbücher leer sind. Obwohl die Depressionsgefahr gebannt scheint, ist die Rezession im U-Format noch in vollem Schwung. Ein Umdenken bei der deutschen Wirtschaftspolitik wird unumgänglich.

Montag, 25. Mai 2009

Israelische Zentralbank belässt Leitzins bei 0,50%

Die israelische Zentralbank (BoI) hat heute ihren Leitzins bei 0,50% unverändert belassen, um die Wirtschaft weiter zu stützen. Die BoI hatte seit Oktober ihren Leitzins um insgesamt 375 Basispunkte auf 0,50% gesenkt. Der Rückgang der Inflationsrate von 5,5%, dem Spitzenwert im Oktober verhilft der Zentralbank, ihren expansiven geldpolitischen Kurs beizubehalten.


BoI Interest Rate, Graph: Bloomberg.com

Solange die Inflation innerhalb des Zielbandes der Zentralbank verläuft, will BoI-Chef Stanley Fischer den lockeren Kurs der Geldpolitik fortsetzen. Der Konsumentenpreisindex (CPI), der im April annualisiert 3,1% verzeichnete, dürfte im Verlauf des Jahres weiter fallen. Israel’s Wirtschaft ist im ersten Quartal um 3,6% geschrumpft. Die BoI rechnet mit einer Kontraktion des BIP um 1,5% für 2009. Das wäre die schlechteste Performance seit 1948.


Israel CPI, Graph: Bloomberg.com

Die BoI begründete den heutigen Zinsentscheid folgendermassen: (1) Die Inflationserwartungen bewegen sich um den Mittelwert des Zielbereichs der BoI. (2) Die Daten deuten darauf hin, dass der negative Trend in wirtschaftlicher Aktivität sich gegen Ende des Jahres mässigen wird. Bisdahin werden die niedrigen Zinsen im Kontext mit den anderen Instrumenten der BoI die Wirtschaft weiter ankurbeln. (3) Zentralbanken rund um die Welt behalten Zinsen niedrig und fokussieren auf den Einsatz von zusätzlichen geldpolitischen Mitteln.

Die BoI will den Konjunkturverlauf sowohl in Israel als auch in der Welt weiterhin näher beobachten und alle verfügbaren Instrumente einsetzen, um ihre Zielsetzungen im Hinblick auf Preisstabilität, Beschäftigung und Wirtschaftswachstum zu erreichen.

Die Risikoprämien der Credit Default Swaps (CDS) auf Israels Staatsanleihen sind weiter gefallen. Die Risikoaufschläge für 5jährige CDS-Kontrakte sind von 180 Basispunkten auf 140 Basispunkte gesunken.

Die nächste Sitzung der BoI wird am 22. Juni stattfinden.

Interview : Ian Bremmer, President of Eurasia Group

Which specific political risks do you expect the prolonged financial crisis to trigger?

Before I get into specifics, I think it’s important to separate the idea of the “economic crisis” from the “financial crisis.” The economic crisis is global, because the global economy is in recession and because even China’s economy has slowed dramatically (at least temporarily) from its torrid pace of the last three decades. The financial crisis is NOT global. China’s expansion has lost some momentum because its exports to the EU, US, and Japan have taken a hit. But China’s banks have largely avoided exposure to the toxic assets that have spread throughout Western banks. The US and Europe have liquidity problems; China has plenty of cash on hand.


As for political risk, in today’s environment, there are three broad categories of fat tails—the low probability, high impact events that move markets much more often than we think. First, there are geopolitical risks, the traditional threats of political, economic, or military conflict.

Some are a direct result of greater volatility in particular countries and regions. Pakistan faced serious political, economic, and security problems long before the global recession made things worse. Now the intensifying fight between President Asif Ali Zardari and opposition leader Nawaz Sharif (and maybe Pakistan’s military) is threatening to come to a head. In fact, unpopular governments and growing security threats have pushed both Pakistan and Afghanistan into turmoil.

From Moscow’s aggressive approach toward some of its neighbors to the risk of conflict between Israel and Iran, traditional forms of political risk are on the rise this year. And though US public attention has largely shifted away from Iraq toward economic troubles at home, that country has unresolved problems that could still generate another spike in violence—particularly when the US increases the pace of troop withdrawals following Iraq’s parliamentary elections in December.

Second, there is the risk produced by a shift in economic power from capitals of finance (like New York, Shanghai, and Mumbai) toward capitals of political power (like Washington, Beijing, and Delhi), as tough economic conditions persuade political officials to assume responsibility for decisions normally made by market forces.

When Barack Obama became president, he warned that if lawmakers failed to quickly rescue the US economy, the country would face catastrophe. Whatever bankers and business decision-makers do, whatever plans the automakers draw up, however many hundreds of thousands of layoffs come from other sectors of the U.S. economy, it’s Washington, not New York, which will determine the country’s economic future for the next several years.

This is not just an American trend. Large-scale state spending meant to create jobs and jumpstart growth in both developed and developing states all over the world will ensure that domestic political factors drive markets on an enormous scale for the foreseeable future.

Third, the global recession will continue to trigger its own political instability, and the fallout from a range of second-order risks will sometimes overshadow the recession itself. In testimony before Congress earlier this year, US Director of National Intelligence Dennis Blair identified political instability generated by the financial crisis as the largest threat to U.S. national security in 2009. A sharp economic downturn in emerging markets with embattled political leaderships and relatively weak middle classes (like Argentina, Ukraine, Pakistan, Turkey and even some developed states) leave these countries especially vulnerable to political turmoil.

Do you take “market fundamentalism” for a political risk because its “invisible hand” didn’t protect unsolved investors and citizens from buying “snake oil” from selling-people on the financial and real estate markets?

I consider that to be a very significant problem, but it’s more a question of economic risk than of political risk—and solutions should probably come from economists and market strategists rather than political scientists.

The notion that banks could be self-regulated led to hyper-leverage and underappreciated risks—maximizing short-term profitability and compensation at the expense of longer-term productivity. As economist Joseph Stiglitz once said, “The reason that the invisible hand often seems invisible is that it is often not there.”

You claim in your book that it’s not easy, given the complexity of its causes (not quantifiable, not “mappable” etc.), to find hard data on political risk. What about the operational costs for risk management to incorporate the political risks into strategic investments?

If a company has robust risk management systems in place, it’s simply a matter of additional training, data collection and assessment, and communication mechanisms. Costs deserve consideration, certainly. Every risk assessment comes with a price tag. But there are clearly operational costs that come from not incorporating them too. My book, The Fat Tail: The Power of Political Knowledge for Strategic Investing, provides dozens of real-world examples of both the costs of failure to properly recognize, assess, and mitigate political risk—and the tremendous market opportunities that proper risk management practices can create.

Thank you very much.


Ian Bremmer is President of Eurasia Group and author of The J Curve. He is a regular contributor to the International Herald Tribune and Contributing Editor for the National Interest. The Fat Tail is his new best-selling book.

China kauft weiter US-Staatsanleihen

Die Rolle des US-Dollars als wichtigste Reservewährung der Welt wurde in den vergangenen Wochen im Sog der anhaltenden Finanzkrise verschiedentlich in Frage gestellt. Insbesondere hat sich China immer wieder besorgt um die Stabilität der US-Währung gezeigt. China, Brasilien und Russland wollen angeblich den Greenback als Leitwährung ablösen. Wie
Financial Times
heute berichtet, kauft Peking aber dennoch weiter US-Staatsanleihen, weil der Treasury-Markt als einziger liquide und gross genug sei, umfangreiche Käufe zu verkraften.

China habe allein im März seinen Bestand an US-Staatsanleihen um 23,7 Mrd.$ auf einen Rekordstand von 768 Mrd. $ gesteigert. Über die Zusammensetzung der chinesischen Devisenreserven herrscht ein Geheimnis. Schätzungen zufolge haben die US-Treasuries einen Anteil von bis zu 70% an dem rund 1'953 Mrd. $ umfassenden Volumen der gesamten Devisenreserven. Jährlich erhält Peking auf US-Staatspapiere (Treasuries and Agencies) laut Brat Setser rund 50 Mrd. $ an Zinsen.

Ist der Markt noch zu retten?

Buchbesprechung:

Peter Bofinger: „Ist der Markt noch zu retten?“ Warum wir jetzt einen starken Staat brauchen. Econ Verlag, Berlin. 2009.


Die anhaltende Wirtschaftskrise hat vor Augen geführt, dass das Finanzsystem nicht funktioniert hätte, wenn der Staat nicht massiv eingegriffen hätte. Der Markt braucht deshalb ein kraftvolles Gegengewicht durch den Staat, schreibt Peter Bofinger. Ansonsten bekommen in einem ungezügelten Markt selbstzerstörische Prozesse, die systemimmanent sind, die Oberhand. Das Finanzsystem ist derzeit de facto mehr oder weniger verstaatlicht. Der Autor lehrt Volkswirtschaftslehre in Würzburg und ist Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.


Aus aktuellem Anlass plädiert Bofinger für eine neue Balance von Markt und Staat. Dafür seien notwendig: (1) Eine hohe Transparenz über die Staatsausgaben, (2) eine stärker an der Leistungsfähigkeit orientierte Abgabenleistung und (3) ein rationaleres Verhältnis zur Staatsverschuldung. Im ersten Abschnitt des Buches geht der Autor auf die gegenwärtige Problematik ein, wie die Finanzmärkte gerettet werden können. Er vertritt hier die Meinung, dass die Weltwirtschaft eine neue internationale Währungsordnung benötigt. Es sei an der Zeit, ein Bretton Woods II zu schaffen. Um zu verhindern, dass der Protektionismus über die Hintertür der Wechselkursmanipulationen aufblüht, empfiehlt der Wirtschaftsprofessor „managed floating“ als Wechselkurststrategie. Mit den Annahmen der klassichen Lehre, dass die Marktteilnehmer sich extrem rational verhalten und perfekt informiert sind, hat Bofinger ferner nichts am Hut. Im zweiten Abschnitt geht es um die Systemkrise der sozialen Marktwirtschaft. Die aktuellen Zahlen belegen, dass Deutschland von der Finanzkrise deutlich stärker betroffen ist als anderswo, obwohl es im Immobilienmarkt keine Probleme gehabt hat. Verantwortlich dafür ist die deutsche Wirtschaftspolitik, die sich einseitig am Exportgeschäft orientiert. Bedauerlich ist, dass die Bundeskanzlerin die bisherige Ausrichtung verteidigt. Langfristig braucht die deutsche Wirtschaft ein neues Wachstumsmodell, das verstärkt auf die Binnennachfrage setzt, hält Bofinger fest. Die Exporterfolge wurden bisher teuer erkauft: Durch Lohndumping und Sozialabbau. Während die Ausfuhren in den vergangenen zehn Jahren preisbereinigt um 70% gestiegen sind, ist die Binnennachfrage kaum vom Fleck gekommen. In keinem anderen Land Europas sind die Nominallöhne während dieser Zeitperiode so wenig gestiegen wie in Deutschland. Im Jahr 2008 lagen die Reallöhne brutto wie netto rund 2% unter dem Niveau des Jahres 2000. Kein Wunder, dass in diesem Marktumfeld eine massive Entfremdung der Bürger gegenüber dem Staat zu beobachten ist. Deutschland bricht zwar im Aussenhandel neue Rekorde, zugleich schrumpft aber der Mittelstand und die Armutsquote steigt. Der Markt muss sich immer wieder aufs Neue dadurch legitimieren, dass er möglichst vielen Menschen Wohlstand, Sicherheit und die Perspektive einer besseren Zukunft bietet, schreibt Bofinger. Die anschaulichen Abbildungen sowie Tabellen sind sehr wertvoll und ergänzen das fachkundige Buch optimal. Autors Interesse für die Details ist ein Erkenntnisgewinn für den Leser. Peter Bofinger ist Europas Paul Krugman. Unbedingt lesen.

Sonntag, 24. Mai 2009

US-Anleihenmarkt zwischen Deflation und Inflationsangst

Die Fed hat nach ihrer Sitzung am 18. März mitgeteilt, dass sie unter den gegebenen Umständen alle verfügbaren Mittel einsetzen will, um die wirtschaftliche Erholung voranzutreiben und Preisstabilität zu gewährleisten. Zu diesem Zweck hat Fed-Chef Ben Bernanke beschlossen, am offenen Markt langlaufende Staatsanleihen im Volumen von bis zu 300 Mrd. $ (in den kommenden 6 Monaten) aufzukaufen. Seither hat die Fed rund 40% des festgelegten Betrags ausgegeben. Die Rendite der 10-jährigen Treasuries ist jedoch nach anfänglichem Rückgang inzwischen wieder gestiegen, und zwar um rund 90 Basispunkte. Hat die Fed-Politik versagt?


Curreny Held by Nonbank Public, Graph: Fed St. Louis, Monetary Trends, June 2009

Die Fed strebt eigentlich kein numerisches Ziel für die Renditen der Staatsanleihen an. Das Ziel ist, das Zinsniveau am Hypothekenmarkt zu drücken, um auf diese Weise die Kreditkosten für die Verbraucher zu senken. Das ist ihr bislang gelungen. Am vergangenen Freitag liess der feste Satz für 30-jährige Hypotheken um 4 Basispunkte auf 4,82 nach, obwohl der Renditeanstieg sich am Anleihenmarkt fortgesetzt hat.

Die Situation an den Bondmärkten ist derzeit in der Tat sehr ungemütlich. Während gegenwärtig deflationäre Kräfte in der depressiven Wirtschaft vorherrschen, sitzt den Anleihenmärkten die Angst im Nacken, die Skeptiker mutwillig verbreiten, weil das wachsende Überangebot an Staatspapieren und teure Konjukturprogramme langfristig zu Inflation führen werden. Die Inflations-Pessimisten behalten bisher die Oberhand. Die Anleihenmärkte schneiden seit Jahresbeginn negativ ab, obwohl die Fed seit dem 18. März am Anleihenmarkt für rund 123 Mrd. $ Staatspapiere aufgekauft hat. Dazu gesellt sich im Markt nun auch die Furcht vor dem Verlust der besten Kreditwürdigkeit der US-Treasuries. Die CDS-Prämien für amerikanische Staatsanleihen sind wieder im Steigen begriffen. Zur Zeit 40 Basispunkte.


Monetary Base Velocity Growth, Graph: Fed St. Louis, Monetary Trends, June 2009

Die geldpolitische Steuerung

Die US-Notenbank versucht mit ihrem alternativen geldpolitischen Kurs, durch die Ausweitung der monetären Basis die Banken zur Kreditvergabe zu animieren. Langfristig birgt der Anstieg der Geldbasis (money base) Inflationsgefahr in sich. Um das Ausmass, wie das Zentralbankgeld angeschwollen ist, hat sich aber heute die Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes in der Wirtschaft verringert. Das deutet auf keine Inflation hin. Die Banken sind für ihre Kreditvergabe grundsätzlich auf die Bereitstellung von Zentralbankgeld durch die Fed angewiesen. Die Fed hat zur Zeit die Kontrolle über die Geldbasis. Das ist entscheidend.


PCE Inflation, Graph: Fed St. Louis, Monetary Trends, June 2009

Samstag, 23. Mai 2009

USA: Staatsverschuldung und Haushaltsdefizit

Im Zuge der Warnung der Ratingagentur Standard & Poor’s, Grossbritanniens Top-Rating („AAA“) herabzustufen, geht jetzt im Markt die Angst um, dass weitere erstklassige Schuldner wie z.B. die USA gefährdet sind. Hier sind aktuelle Daten für die US-Wirtschaft:

Die USA sind mit heute mit 11,3 Billionen $ verschuldet. Das entspricht laut CBO (Congressional Budget Office) rund 51% des BIP. Im Vergleich: Deutschland: 60%, Japan: 100%. Der Anstieg der gesamten Staatsverschuldung ist hauptsächlich auf die teuren Rettungspakete für das Bankensystem und das enorme Konjunkturprogramm zurückzuführen.


Der Kongress hat die Höchstgrenze für die Staatsverschuldung auf 12,1 Billionen $ gesetzt. Gläubiger der USA sind in erster Linie ausländische Regierungen und Notenbanken, aber auch private Investoren. Kurzfristig helfen Defizite, Rezession zu beenden. Langfristig kommt es darauf an, wie die Regierungen das geliehene Geld ausgeben. Während der Amtszeit der Bush-Administration z.B. kam es zu einem explosiven Schuldenanstieg. Finanziert wurden damit die Steuersenkungen.

Das Haushaltsdefizit beträgt 1,84 Billionen $, d.h. rund 13% des BIP. Präsident Barack Obama will durch Ausgabenkürzungen und Steuererhöhung das Defizit bis zum letzten Jahr seiner vierjährigen Amtszeit auf 3,5% des BIP senken.

Die CDS-Risikoaufschläge für 5jährige Kontrakte auf Treasuries sind von 100 Basispunkten (Rekordhoch vom 9. März) auf 29 Basispunkte per 20. Mai 2009 gefallen.

Grossbritannien:
Die Senkung des Ausblicks in Bezug auf eine Bonitätsbewertung für Grossbritannien hat dazu geführt, dass die CDS-Prämien auf 80 Basispunkte geklettert sind. Die Risikoaufschläge der Credit Default Swaps (CDS) für 5-jährige britische Staatspapiere waren am 21. Januar auf einen Rekordwert von 148 Basispunkte gestiegen.

Ratingagenturen und die Kammer des Schreckens

Nachdem die Ratingagentur Standard & Poor’s eine Herabstufung der Bonitätsnote Grossbritanniens in Aussicht gestellt hat, drängt sich am Markt die Frage auf, ob auch die USA ihr Top-Rating „AAA“ verlieren und in das Dorf der Verdammten geschickt werden. Die Kurse der amerikanischen Staatsanleihen sind am Freitag unter Druck geraten. Die Frage lastet aber derzeit v.a. auf dem Dollar. Gegenüber dem Euro hat der Greenback deutlich abgewertet.

No New News

Welchen Informationsgehalt haben aber die Warnungen der Ratingagenturen vor einer Bonitätsherabstufung Grossbritanniens oder der USA? Gar keinen. Die Märkte reagierten zwar prompt, aber es kam zu keinem regelrechten Kursabsturz. Lediglich der Dollar bleibt unter Druck.

Die Ratingagenturen haben im Sog der Finanzkrise längst ihre Kreditwürdigkeit verloren. Sie haben sich dabei eine goldene Nase verdient, indem sie für toxische Finanzinnovationen wie am Fliessband Testate erteilt haben. Wer kann sich heute auf diese Bescheinigungen verlassen? Welcher Investor weiss heute, was hinter einem mit AAA-Rating benoteten giftigen Wertpapier tatsächlich steckt? Es steht fest, dass die Ratingagenturen an der Entstehung der exzessiven Kreditblase eine unrühmliche Rolle gespielt haben. Sie sind heute als einzige Schuldigen ungeschoren davon gekommen. Die Ratingagenturen unterliegen nämlich keiner Haftung. Sie dürfen gestützt auf das verfassungsrechtlich garantierte Recht auf Meinungsfreiheit ihre Meinung zu Finanzprodukten und Unternehmen äussern. Sie gelten wie ein „Finanzjournalist“. Die Anlageentscheidungen am Markt dürften daher heute davon kaum tangiert werden, zumal die US-Treasuries nach wie vor zu den sichersten und liquidesten Anleihen der Welt zählen. Ferner: Für Manager von passiv geleiteten Anlagestrategien spielt das Rating eh keine Rolle. Das Deflationsrisiko in der depressiven Wirtschaft ist derzeit viel wichtiger als das Rating-Thema.

Israelische Zentralbank kauft weiter US-Dollar

Die israelische Zentralbank (BoI) hat am Donnerstag mitgeteilt, dass sie täglich weiter US-Dollar am offenen Markt kaufen will. Täglich erwirbt die BoI von Montag bis Donnerstag jeweils 100 Mio. $. Freitags 50 Mio. $. Die israelischen Währungshüter hatten am 25. März 2009 das Ankaufprogramm angekündigt. Vor dem Hintergrund der globalen Wirtschaftssituation und im Kontext mit ihrem gesamten geldpolitischen Kurs will die BoI die Interventionen am Devisenmarkt fortsetzen, bis eine neue Mitteilung ihrerseits erfolgt.

Die Devisenreserven der BoI erreichten mittleweile einen Anteil von 27,5% am BIP. Das ist laut Bloomberg 1% mehr als der Durchschnitt in den OPEC-Ländern. Die BoI verfügt damit über genügend Reserven, um die kurzfristigen Schulden des Landes zu decken. Erstmals seit Januar zahlt man jetzt weniger als 4 Shekel für einen Dollar: 3,9930 Shekel.

Da die Zinsen bei nahe Null Prozent liegen, greift die BoI zu unkonventionellen Mitteln. Das BIP ist im I. Quartal annualisiert um 3,6% geschrumpft. Alle Indikatoren deuten derzeit laut BoI auf eine anhaltende Nachfrageschwäche sowohl im Inland als auch im Ausland. Die BoI rechnet mit einer Kontraktion der Wirtschaft um 1,5% für 2009.

Fremdwährungsreserven der Bank of Israel
(In Mio. $)
2008
Januar: 28’616
Februar: 28’485
März: 29’442
April: 29’382
2009
Januar: 41’756
Februar: 40’640
März: 44’155
April: 45’076

Freitag, 22. Mai 2009

Grossbritannien: Ratingagenturen drohen mit Bonitätskürzung

Grossbritannien (GB) ist das erste grosse Industrieland, dem im Sog der anhaltenden Weltwirtschaftskrise der Verlust der erstklassigen Bonitätsnote droht. Die Ratingagentur Standard & Poor’s kündigte gestern an, Kreditwürdigkeit Grossbritannien zu überprüfen. Grund: Staatsverschuldung steige auf 100% des BIP. Der mittelfristige Rating-Ausblick für GB wurde nun erstmals seit 1978 von „stabil“ auf „negativ“ heruntergestuft. Irland, Griechenland, Portugal und Spanien haben bereits im Verlauf der Finanzkrise ihr AAA-Rating verloren.

GB steckt in der schwersten Rezession seit Jahrzehnten. Das BIP schrumpte im ersten Quartal annualisiert um 1,9%. Laut dem britischen Schatzkanzler werden die Verbindlichkeiten der öffentlichen Hand in den kommenden 5 Jahren auf 1'400 Mrd. Pfund steigen.

Die Warnung der S&P hat die Märkte auf beiden Seiten des Atlantiks belastet. Die Reaktion fiel jedoch mild aus, da die News offenbar bereits antizipiert waren. Die entscheidende Frage ist aber, wie die Anlageentscheidungen davon betroffen werden? Bekanntlich gehören die US-Treasuries zu den sichersten und liquidesten Anleihen der Welt. Die Papiere haben ihre besondere Eigenschaft auch in der schwersten Krise seit der Grossen Depression 1929/30 bravourös bewahrt. Es gibt daher kaum Zweifel daran, dass die US-Staatsbonds ihren Stellenwert als Hort der Sicherheit in naher Zukunft nicht einbüssen werden.

Die ökonomischen Kosten der Finanzkrise sind im historischen Vergleich gewiss beispiellos hoch. Die bestbezahlten Leute des Finanzsystems waren nicht fähig und willig, mit Risiken verantwortungsvoll umzugehen, wie Martin Wolf heute in Financial Times festhält. Der Finanzsektor hat die Kosten,die durch toxic assets ausgelöst wurden, „geschickt“ externalisiert. Der Preis der Untätigkeit wäre aber auf der anderen Seite aus Sicht der Staaten viel höher gewesen. Die Ratingagenturen sind die einzigen Mitschuldigen an der Finanzkrise, die ungeschoren davon gekommen sind, wie Peter Bofinger in seinem neuen Buch („Ist der Markt noch zu retten?“, Econ Verlag) zu Recht ankreidet. Je mehr Testate sie für giftige Finanzinnovationen vergeben haben, desto mehr haben sie verdient. Das Problem einer verlässlichen Bonitätsbewertung ist heute noch immer nicht gelöst. Es steht auf alle Fälle fest, dass die Ratingagenturen ihre Kreditwürdigkeit verloren haben.

Donnerstag, 21. Mai 2009

US-Notenbank: Sitzungsprotokoll von Ende April

Die US-Notenbank (Fed) hat gestern das Sitzungsprotokoll von 28./29. April veröffentlicht. Es fällt auf: (1) Es wurde über ein Aufstocken des Programms zum Ankauf von Staats- und Unternehmensanleihen diskutiert, um die Erholung der Wirtschaft zu beschleunigen. Im März hatte Fed-Chef Ben Bernanke den Ankauf von Staatspapieren im Volumen von bis zu 300 Mrd. $ und zusätzlich Käufe anderer Wertpapiere von rund 1'000 Mrd. $ für die nächsten sechs Monate angekündigt. (2) Die Wachstumsprognose wurde nach unten revidiert. Neu: Eine Kontraktion der US-Wirtschaft um 1,3%-2% (2009). Bislang (Januar): Eine Kontraktion des BIP um 0,5%-1,3%. (3) Aus dem am Mittwoch veröffentlichten Protokoll der Zinssitzung von Ende April geht ferner hervor, dass die Arbeitslosigkeit Ende 2009 zwischen 9,2% und 9,6% liegen dürfte. Viel höher als die Prognose von Januar.


Dow Jones Index, 1 Day Range, Graph: finance.yahoo.com

Die Börsianer hatten von der Fed zuversichtliche Töne erwartet. Die anfänglichen Kursavancen drehten im Handel an den amerikanischen Aktienmärkten am Nachmittag ins Minus.

Die Währungshüter erklärten, dass sie Anzeichen für eine Verlangsamung des Abschwungs erkennen. Das bedeutet, dass die Depressionsgefahr vorerst gebannt worden zu sein scheint. Die Rezession hält aber noch an. Nun beginnt das Deflationsproblem. In den USA, Japan, der Schweiz und China steht ein Minuszeichen vor der Inflationsrate. Sinkende Preise führen zu einer signifikanten Zurückhaltung der Verbraucher für Ausgaben. Da die Konsumenten mit weiter sinkenden Preisen rechnen, schieben sie ihre Käufe auf. Das betrifft nicht nur die Käufe von Waren und Dienstleistungen, sondern auch von Immobilien und Aktien. Die Gefahr ist nicht zu übersehen, dass die Deflation sich selbst verstärkt (Deflationsspirale). Die Wirtschaft erlebt zur Zeit nicht nur das Phänomen des Spar-Paradoxon, sondern auch das der Debt-Deflation. Denn Deflation bedeutet, dass der Realwert der Schulden steigt. Das ist eine Situation, die gut für Gläubiger, aber schlecht für Schuldner ist. Das Wirtschaftswachstum war in den vergangenen zwanzig Jahren in einer exzessiver Art und Weise kreditfinanziert.

Fazit: Es ist ausserordentlich schwierig, in diesem Marktumfeld Anlageentscheidungen zu treffen. Jegliches Engagement an der Börse ist daher mit Vorsicht zu geniessen.

Mittwoch, 20. Mai 2009

Japan: Dramatischer BIP-Einbruch wegen Exportabhängigkeit

Die japanische Wirtschaftsleistung ist das zweite Quartal in Folge einen zweistelligen Rückgang erlitten. Das BIP ist zwischen Januar und März annualisiert um sage und schreibe 15,2% eingebrochen. Im Vergleich zum Vorquartal betrug das Minus 4%. Das Wirtschaftswachstum war im IV. Quartal 2008 um 14,4% nach unten gegangen. Grund: Drastischer Exporteinbruch. Die Ausfuhren sackten zum Vorquartal um 26%. Der private Verbrauch fiel um 1,1%.


US-Dollar/Yen Exchange Rate, Graph: Fed St. Louis

Japan und Deutschland gehören zu den zwei Ländern, wo die Wirtschaftsleistung wegen des Zusammenbruchs der globalen Nachfrage stärker eingebrochen ist als anderswo. Grund: Die hohe Exportabhängigkeit. Im Zuge der anhaltenden Wirtschaftskrise rückt nun die einseitige Exportorientierung Deutschlands immer mehr in den Mittelpunkt der öffentlichen Kritik. Peter Bofinger rechnet in seinem neuen Buch („Ist der Markt noch zu retten?“, Econ Verlag 2009) mit der deutschen Wirtschaftspolitik der vergangenen zehn Jahre ab. Der Wirtschaftssachverständige vertritt die Ansicht, dass „wir jetzt in der Krise weniger anfällig wären, wenn wir nicht so stark vom Export abhängig wären“. „Unser Geschäftsmodell war unbalanciert. Wir haben wahnsinnig viel exportiert, aber zu wenig konsumiert und investiert“, sagte Wirtschaftsprofessor kürzlich in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeine Zeitung. Die Exporterfolge wurden teuer erkauft, indem Pro-Kopf-Einkommen wo wenig gestiegen sind wie ausser in Japan nirgendwo in der Welt, sagt Adam Posen, einer der prominentesten Deutschlandexperten in den USA. Deutschland hat laut Posen zwischen 1997 und 2007 einen Pro-Kopf-Einkommenzuwachs von 0,91% erzielt. In den USA seien die Einkommen hingegen um 2,6% gestiegen. Das Exportmodell hat nicht funktioniert. Im langfristigen Jahresdurchschnitt gab es in Deutschland kaum Einkommenszuwächse, so Posen, wie FT Deutschland berichtet.

Dienstag, 19. Mai 2009

Aktuelle Geldmarktsätze: Ist Ende der Krise in Sicht?

Zunächst war’s die US-Notenbank, die vergangene Woche Hoffnungen auf ein Ende der Rezession geweckt hat. Heute meldeten sich mehrere US-Banken zu Wort, dass sie staatliche Hilfen aus dem TARP zurückzahlen wollen. Inzwischen mehren sich Anzeichen für eine graduelle Stabilisierung der Finanzmärkte. Die Finanzierungskosten nehmen im Geldmarkt ab. Der Libor fällt weiter.

3-Monats $ Libor: 0,75%, seit 35 Tagen an jedem Handelstag gefallen

TED-Spread: 0,57%, das niedrigste Niveau seit August 2007
(Jahreshoch: 4,64% im Okt. 2008),
Im lfr. Durchschnitt (5 J): 0,31%.

LIBOR-OIS-Spread: 0,55%, das tiefste Niveau seit Februar 2008.
(Jahreshoch: 3,640% im Okt. 2008),
Im lfr. Durchschnitt (5 J): 0,11%.

A2/P2-Spreads: 0,58%
Im Dezember 2008 lag der Risikoaufschlag noch über 5,0%.


Libor USD 3 M, Graph: Bloomberg.com

Das amerikanische Schatzamt, die Fed und die FDIC haben sich laut Bloomberg 12'800 Mrd. $ zum Ziel gesetzt, die schwerste Rezession seit den 1930er Jahren zu bekämpfen. Davon wurde bisher 4'100 Mrd. $ ausgegeben. Die US-Notenbank hat die Leitzinsen auf beinahe Null Prozent gesenkt. Für eine Entwarnung ist es aber noch zu früh. Die heute veröffentlichten Daten vom Immobilienmarkt deuten keineswegs auf ein Ende der Talfahrt hin. Die Baubeginne sind im April um 12,8% zurückgegangen. Das markiert das tiefste Niveau seit 50 Jahren. Auch die Zahl der Baubewilligungen sind auf ein Rekordtief gefallen. Noch kann also keine Rede von einer Trendwende sein. Das gewachsene Vertrauen am Aktienmarkt ist fundamental nicht gestützt.

Derivatemarkt: Giftige Finanzinnovationen

Ort: Derivatemarkt
Material: Toxic Assets
Anzahl Spieler: unbegrenzt
Fertigkeiten: heftiges Verlangen, emsiges Streben, Glaube an Selbstheilungskräfte des Marktes, Hüpfen, Twisten usw.

Der unregulierte Derivatemarkt ist angesichts der globalen Finanzkrise erstmals in der zweiten Jahreshälfte 2008 geschrumpft. Der Betrag der ausstehenden Kontrakte für Anleihen, Währungen, Aktien, Zinssätze und Rohstoffe ist laut Angaben der BIS (Bank for International Settlements; deutsch: Bank für Internationalen Zahlungsausgleich) um 13,4% auf 592'000 Mrd. $ gesunken. Auch der Betrag der Credit Default Swaps (CDS), die ausserbörslich gehandelt werden, fiel um 27% auf 41'900 Mrd. $ zurück.

Ein Grund für den Rückgang des Volumens sei gemäss BIS-Analysten das sog. Netting. Es handelt sich dabei um die Möglichkeit, Kontrakte mit positiven und negativen Werten bei einem eventuellen Zahlungsausfall („default“) einer Gegenpartei (Kontrahent) aufzurechnen. Bemerkenswert: Der BIS-Bericht geht davon aus, dass das Derivaterisiko für Banken trotz des abnehmenden Volumens steigt. Warren Buffet bezeichnete die Kreditderivate einst als „Massenvernichtungswaffen“ der Finanzmärkte. Wie anfällig der Markt für „Schocks“ ist, hat zuletzt der Kollaps von Lehman vor Augen geführt. Die US-Regierung arbeitet derzeit daran, den CDS-Markt streng zu regulieren. Es geht u.a. um Berichtspflichten und Transparenz. Geplant ist vorerst die Einrichtung einer zentralen Clearingstelle. Der Derivatehandel wird bislang per Telefon abgewickelt. Die Kreditfinanzierung fand bis zum Ausbruch der Krise zunehmend zwischen den Nicht-Bank-Institutionen statt. Im sog. Schatten-Banken-System, welches keiner Aufsicht und Regulierung unterliegt, wurden z.B. im II. Quartal 2007 Kredite im Volumen von 6'000 Mrd. $ vergeben. Das entspricht dem Kreditbetrag, der gewöhnlich im herkömmlichen Bankensystem gewährt wird. Das Geschehen im „Shadow-Banking-System" ist von spekulativ eingestellten Investoren (Schuldnern) gekennzeichnet, die auf anhaltende Preissteigerungen der Vermögenswerte setzen, die sie exzessiv mit Kredit („leverage“) gekauft haben.

Montag, 18. Mai 2009

Spar-Paradoxon

Die Nachfrage besteht aus vier Komponenten: (1) Privatverbrauch, (2) Investitionen, (3) Ausfuhren und (4) Staatsausgaben. Das Angebot hat zwei Elemente: (1) Inlandsproduktion und (2) Einfuhren. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten neigen Haushalte dazu, mehr zu sparen. Wenn aber alle Haushalte gleichzeitig sparen, d.h. ihre Ausgaben signifikant kürzen, vermindern sie die Absatzchancen der Unternehmen. Unternehmen investieren weniger, da ihr Gewinn zurückgeht. Es kommt folglich zu Entlassungen. Das Volkseinkommen sinkt. Mehr Ersparnis der privaten Haushalte führt nicht zu mehr Investitionen. Das nennt man Spar-Paradoxon („paradox of thrift“). Denn jede Ausgabe eines Einzelnen ist das Einkommen eines anderen.

Kollektives Sparen hat also verheerende Folgen für die Wirtschaft. Wenn private Haushalte, Unternehmen und Staat gleichzeitig sparen, dann wird es besonders problematisch. Während der „Grossen Depression“ 1929/30 hat Reichskanzler in Deutschland durch seine Konsolidierungspolitik den Zusammenbruch der Weimarer Republik ausgelöst. Damit war den Nationalsozialisten der Weg an die Macht geebnet. Der Staat ist also besser beraten, nicht der Versuchung zu unterliegen, in einer Rezessionsphase seinen Haushalt zu sanieren. Wenn heute die Depressionsphase in den USA inzwischen als gebannt betrachtet wird, ist es allein der expansiven Geld- und Fiskalpolitik zu verdanken. Das Wachstum kann also über die Nachfrage wieder in Gang gebracht werden. Wenn die Wirtschaft in einem Sparparadoxon steckt, kann der Staat durch Verschuldung die Nachfrage generieren. Nur so kann eine Wirtschaft während einer Rezession angekurbelt werden. Ansonsten würden die gesellschaftlichen Kosten der Untätigkeit viel höher ausfallen. Die Empirie zeigt ausserdem, dass mit einem hohen Wirtschaftswachstum ein niedriges Staatsdefizit einhergeht.

Israel: BIP schrumpft um 3,6% im ersten Quartal

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) Israels ist im ersten Quartal annualisiert um 3,6% geschrumpft. Die israelische Wirtschaft ist damit den zweiten Monat in Folge gesunken und erstmals seit acht Jahren in eine Rezession geraten. Das BIP war im IV. Quartal 2008 um 0,5% nach unten gegangen. Der Abschwung ist v.a. durch sinkende Ausfuhren (Minus 46%) und Investitionen (Minus 28%) gekennzeichnet. Die Bank of Israel (BoI) rechnet mit einem Rückgang des BIP um 1,5% für 2009.


Tel Aviv 25-Index, Graph: Bloomberg.com
A capitalization-weighted index of 25 stocks traded on the Tel Aviv Stock Exchange (TASE)

Die Exporte sind zwischen Januar und März annualisiert um 46% eingebrochen, nachdem diese im Vorquartal um 45% zurückgegangen sind. Auch Konsumausgaben sind stark reduziert worden: Minus 4,3% im I. Quartal 2009. Minus 3,1% im IV. Quartal 2008.

Die BoI hat am 17. Februar begonnen, im offenen Markt Staatsanleihen zu kaufen, um die Renditen am langen Ende zu drücken. Die Rendite der Benchmark-Anleihe (Mimshal Shiklit Bond) beträgt derzeit 4,78%. BoI-Chef Stanley Fischer hat die Leitzinsen seit Oktober um insgesamt 375 Basispunkte auf 0,5% gesenkt, um die Folgen der globalen Rezession abzufedern.

Sonntag, 17. Mai 2009

Deutsche Wirtschaft: Ein neues Wachstumsmodell notwendig?

Die deutsche Wirtschaft ist im ersten Quartal im Vergleich zum Vorquartal um 3,8% geschrumpft. Das grosse Minus ist auf gesunkene Ausfuhren und Investitionen zurückzuführen. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) war im Quartalsvergleich so stark zuletzt 1970 eingebrochen. Die Wirtschaftsleistung ist auf das Jahr hochgerechnet um 15,2% gesunken. Das BIP war im IV. Quartal um 2,2% und im III. Quartal um 0,5% nach unten gegangen. Die Bundesregierung hat ihre Wachstumsprognose für 2009 im April auf Minus 6% revidiert.


Germany Industrial Production, Graph: Fed St. Louis

Die Wirtschaft in der Euro-Zone hat zwischen Januar und März 2009 erheblich an Fahrt verloren. Das BIP sank um 2,5% im Vergleich zum Vorquartal. Die Frage ist nun, ob die Rezession mit dem Rekordeinbruch ihren Höhepunkt erreicht hat. Die deutsche Wirtschaft ist v.a. vom Einbruch des Welthandels stark betroffen. Das globale Handelsvolumen ist in drei Monaten nach dem Ausbruch der Krise um 18% zurückgegangen. Der Exportanteil am deutschen BIP beträgt rund 50%. Die deutsche Konsumnachfrage hat sich seit 2000 nicht mehr erhöht, während die Ausfuhren preisbereinigt gegenüber dem Jahr 2000 um mehr als 70% gestiegen sind, wie Peter Bofinger in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeine (faz.net) hervorhebt. Es ist ein offenes Geheimnis, dass das deutsche Geschäftsmodell bislang vom Exportgeschäft getragen wird, flankiert von Lohndumping und Sozialabbau. Es wird „zu viel“ exportiert, und „zu wenig“ konsumiert und investiert. Es kommt noch dazu, dass die EZB in ihrem theoretischen Wirtschaftsmodell den Finanzsektor aussen vor lässt. Wäre Deutschland nicht so stark vom Export abhängig, wäre sie heute weniger krisenanfällig.

Samstag, 16. Mai 2009

US-Inflationszahlen in April – Lasterhafte Deflationsbekämpfung

Verbraucherpreise (CPI): 0,0%, -0,7% y/y
Kern (core rate): +0,35%, +1,9% y/y

Die Konsumentepreise sind im April annualisiert um 0,7% gefallen. Das ist der grösste Preisrückgang sei 1955. Die Kernrate der Inflation (d.h. ohne Berücksichtigung der Energie- und Nahrungsmittelpreise) kletterte um 1,9%. Grund: Der exorbitante Preisanstieg für Tabakwaren um 9,3%. Die Tabakprodukte waren im März um 11% gestiegen. Rauchen als Deflationsbremser?


CPI (April), Graph: Fed St. Louis

Erzeugerpreise (PPI) : +0,3%, -3,7% y/y
Kern (core rate) : +0,1%, +3,4% y/y

Die Fed erwartet, dass die Inflation im Verlauf des Jahres angesichts der schwachen Kapazitätsnutzung (im Hinblick auf die Industrieproduktion und den Arbeitsmarkt) « gezügelt » bleiben wird.

Freitag, 15. Mai 2009

Risikoaufschläge am Geldmarkt verengen sich

Die Kreditbeschaffungskosten fallen weiter. Der Libor-Satz für 3-Monate ist heute um 2 Basispunkte auf 0,83% gesunken. Das entspricht dem grössten Rückgang seit vier Monaten. Der TED-Spread, der als verlässlicher Indikator für das Risikomass am Interbankenmarkt gilt, wo sich Geschäftsbanken kurzfristig Geld ent- oder verleihen, fiel heute auf 67 Basispunkte zurück. Das ist (die Differenz zwischen dem 3-Monats-Libor und der Rendite der 3-Monats-US-Schatzwechsel) das tiefste Niveau seit August 2007.


TED-Spread, Graph: bloomberg.com

Auch der Libor-OIS-Spread, der Aufschlag für besicherte Kredite unter Banken fiel heute. Der als das Stressausmass am Geldmarkt im Hinblick auf die kurzfristige Liquidität geltende Spread verbuchte heute mit 63 Basispunkten das niedrigste Niveau seit Ende März 2008. Im Zuge der Zuspitzung der Kreditmarktkrise war der Libor-OIS-Spread, der die Differenz zwischen dem 3-Monats-Libor und dem OIS-Satz reflektiert, am 10. Oktober 2008 auf einen Spitzenwert von 364 Basispunkte geklettert.

Fazit: Die Entspannung am Geldmarkt ist unverkennbar. Dennoch liegen die Aufschläge weit entfernt von der Normalisierung. Der TED-Spread beträgt im langfristigen Durchschnitt 0,31%. Der Libor-OIS-Spread beläuft sich im langfristigen Durchschnitt auf 0,11%.

Exkurs
LIBOR (London Interbank Offered Rate) gilt weltweit als Benchmark für Anlageprodukte im Volumen von 360'000 Mrd. Dollar. Der Libor-Satz ist global der wichtigste Geldmarktsatz, wonach sich jeder Zinsswap, jede Anleihenemission richtet.

Overnight Index Swap (OIS) ist das Ausmass für die erwartete Fed Funds Rate am Ende der Fälligkeit der entsprechenden Derivate (z.B. des Swaps). OIS ist also der Zinssatz für ein Derivat auf den Tagesgeldsatz.

Overnight Indexed Swaps Rate gilt als der Satz für die over-the-counter gehandelte Derivative, wo eine Partei sich einverstanden erklärt, einen festen Satz für den weiteren Verlauf des Swaps zu zahlen und im Gegenzug einen variablen Zinssatz (floating rate) kriegt.

Der Referenzzins für OIS:
Für Euro: EONIA.
Für US-Dollar: The Fed Funds Effective Rate
Für Pound (£): SONIA

In einem solchen Vertrag stimmen 2 Parteien darin überein, dass die eine der anderen einen Zinssatz zahlt, welcher der Differenz zwischen dem OIS-Satz und dem geometrischen Mittelwert der FFR über die Laufzeit des Derivate-Vertrages entspricht.

Renminbi: Weltreservewährung?

China hat in den vergangenen sechs Monaten mit einer Reihe von Ländern, u.a. Argentinien, Indonesien, Südkorea, Malaysia und Weissrussland Devisentauschgeschäfte („currency swaps“) im Volumen von rund 95 Mrd. $ vereinbart. Ziel ist, das Bankensystem des jeweiligen Landes mit Renminbi zu versorgen. Peking will auf diese Weise die Finanzierung von Ausfuhr- und Einfuhr-Geschäften erleichtern. Zugleich versucht die Volksrepublik, den Einfluss des US-Dollars auf den Welthandel zu verringern. Chinas Zentralbankchef fordert selbstbewusst die Ablösung des Greenback als Leitwährung durch den Renmibi. Dollar’s Status als Weltreservewährung Nummer 1 wird nicht über Nacht verschwinden, aber wir können es nicht mehr für „garantiert“ halten, schreibt Nouriel Roubini in einem Beitrag für die New York Times. Der US-Dollar werde früher oder später von anderen Währungen herausgefordert, sehr wahrscheinlich von Renminbi, hält Wirtschaftsprofessor von der NYU fest.


Die US-Wirtschaft sei angesichts des hohen Haushalts- und Handelsbilanzdefizits auf das Wohlwollen der ausländischen Gläubiger angewiesen. Diese werden aber nun im Sog der anhaltenden Finanz- und Wirtschaftskrise allmählich beunruhigt, bei internationalen Finanzgeschäften von einer einzigen Währung abhängig zu sein. Der Renminbi sei heute weit entfernt davon, den Status als Weltreservewährung zu erlangen. China müsse vorerst dafür sorgen, dass die Währung vollkommen konvertibel wird und alle Restriktionen für Kapitaltransaktionen aufgehoben werden. Ausserdem müssen Finanzreformen fortgesetzt werden. Der chinesishe Anleihenmarkt muss liquider werden. Es werde laut Roubini noch eine lange Zeit in Anspruch nehmen, bis Renminbi Weltreservewährung wird, aber es könnte passieren. Die chinesische Währung muss zunächst die Funktionen als Zahlungsmittel, Wertaufbewahrungsmittel und Recheneinheit erfüllen.

USD/CNY: 6,8260
CNY/USD: 0,1465.

USA: Arbeitsmarkt

Die Arbeitsmarktdaten liefern es schwarz auf weiss, wie dramatisch die Wirtschaft eingebrochen ist. Die Zahl der Erstanträge auf Leistungen der amerikanischen Arbeitslosenversicherung stieg um 32'000 auf 673'000. Volkswirte hatten mit einer Zunahme um 10'000 gerechnet. Eine Wende am Arbeitsmarkt und ein Ende der Rezession lassen noch auf sich warten. Dass die gegenwärtige Wirtschaftskrise nicht noch heftiger ausgefallen ist, ist allein der expansiven Geld- und Fiskalpolitik zu verdanken.


Employment, Graph: Fed St. Louis, National Economic Trends, May 2009

Hohe Abschreibungen auf faule Kredite und Schrottpapiere werden noch lange auf Realwirtschaft lasten. Von einer Fehlallokation des Kapitals zu reden, wäre hierbei eine komplette Untertreibung. Eine Unsumme von Kapital wurde in toxischen Finanzinnovationen einfach vernichtet. Nach Ende der schweren Rezession ist mit einer langen Phase eines relativ niedrigen Wachstums zu rechnen.


Change in Nonfarm Payrolls, Graph: Fed St. Louis

Donnerstag, 14. Mai 2009

Türkische Zentralbank senkt ihren Leitzins auf 9,25 Prozent

Die türkische Zentralbank (CBT) hat heute ihre Leitzinsen weiter gesenkt. Der Tagesgeldeinlagensatz (overnight borrowing rate) wurde um 50 Basispunkte von 9,75% auf 9,25% zurückgeschraubt. Die CBT hat auch den Tagesgeldausleihsatz (overnight lending rate) von 12,25% auf 11,75% reduziert. Damit haben die türkischen Währungshüter die Leitzinsen in den vergangenen sieben Monaten um insgesamt 750 Basispunkte gesenkt.


CBT O/N Borrowing Rate, Graph:Turkish Treasury

Der geldpolitische Ausschuss der türkischen Zentralbank begründete den heutigen Zinsentscheid mit dem Hinweis auf die weltweit anhaltenden Spannungen an den Kreditmärkten, obwohl die aktuellen Wirtschaftsdaten eine partielle Erholung der Konsumnachfrage im Inland erkennen lassen, heisst es in der Pressemitteilung. Es gebe jedoch global keine erkennbaren Anzeichen einer Wiederbelebung der Wirtschaft. Die Auslandnachfrage sei schleppend und laste weiterhin auf Binnenkonjunktur. In diesem Umfeld werde das Aufrappeln der Konjunktur und eine Verbesserung der Beschäftigungslage noch auf sich warten lassen. Der Preisdruck sei aber nach wie vor abwärtsgerichtet. Der Teuerungsrückgang werde daher anhalten.





Tagesgeld (overnight)in %
Einlagensatz9,25%
Ausleihsatz11,75%


US-Dollar/TRY: 1,5653
Euro/TRY: 2,1319
CHF/TRY: 1,42254.

Zuerst Stresstest – Dann Realitätscheck

Nachdem die Finanzmärkte sich in den vergangenen zwei Monaten etwas erholt haben, herrschte an der Börse sofort eine „Friede-Freude-Eierkuchen Stimmung“. Es ist schnell in Vergessenheit geraten, dass die finanzielle Dimension der gegenwärtigen Krise, wie die Schweizerische Nationalbank (SNB) zurecht betont, einzig mit dem Börsencrash von 1929 vergleichbar ist. Die Weltwirtschaft erlebt derzeit in der Tat die grösste Finanzkrise seit den 1930er Jahren. Die Depressionsgefahr erscheint inzwischen gebannt. Dank expansiver Geld- und Fiskalpolitik. Aber auch der Einlegerschutz hat dabei eine wichtige Rolle gespielt. Dennoch herrscht Ungewissheit über das Ausmass der wirtschaftlichen Erholung. Das ist eine grosse Herausforderung, nicht nur für die Zentralbanken, sondern auch die Regierungen.

Es wäre in diesem Marktumfeld fahrlässig, einfach locker dazu überzugehen, sich wieder grossspurig in den Aktienmärkten zu engagieren, als wäre unterdessen nichts geschehen. Ohne Stabilisierung des Bankensystems ist eine nachhaltige Erholung der Börse nicht denkbar. Langfristig muss das „too big to fail“-Problem gelöst werden. Grossbanken dürfen nicht mehr in der Lage sein, die Stabilität des ganzen Systems aufs Spiel zu setzen. Deshalb bedarf es einer umfassender Regulierung. Nicht mehr oder weniger, sondern einer intelligenten, zeitgemässen Regulierung.

Mittwoch, 13. Mai 2009

China in Deflation

Die Verbraucherpreise (CPI) sind in China im April den dritten Monat in Folge gefallen. Die Preise sind in der drittgrössten Volkswirtschaft der Welt annualisiert um 1,5% zurückgegangen, nachdem Rückgang um 1,2% im März. Die Behörden bangen, dass die fallenden Preise Unternehmen und Verbraucher animieren, wieder Geld auszugeben. Der chinesischen Zentralbank steht aber jetzt mehr Spielraum zur Verfügung, den lockeren Kurs der Geldpolitik fortzusetzen. Die PBOC hat im vergangenen Jahr ihre Leitzinsen fünfmal gesenkt. Noch im April 2008 belief sich die Inflation auf 8,5%, nachdem zuletzt v.a. die Preise fürs Schweinefleisch durch die Decke geschossen waren.


China CPI, Graph: bloomberg.com

Der Erzeugerpreisindex (PPI) ist im vergangenen Monat um 6,6% gefallen, während die Einkaufspreise für Rohstoffe um 9,6% auf Jahresbasis eingebrochen sind. Die Frage ist nun, ob China in eine Deflationsspirale gerät? Das starke Kreditwachstum im ersten Quartal und der Verlauf der Renditen am Anleihenmarkt deuten darauf hin, dass die Marktteilnehmer einen optimistischen Ausblick für die Wirtschaft hegen. Die Rendite der 10-jährigen chinesischen Staatsanleihen ist in den vergangenen drei Wochen um 32 Basispunkte auf 2,89% zurückgegangen. Eine Fortsetzung der Zinssenkung durch die Zentralbank dürfte deflationären Tendenzen entgegenwirken.

Renditeanstieg: Ein Buch mit sieben Siegeln?

Die Staatsanleihen haben in den vergangenen eineinhalb Monaten kräftig an Wert verloren. Während die einen Marktteilnehmer den Renditeanstieg als Anzeichen für einen konjunkturellen Wendepunkt betrachten, sehen die anderen Marktteilnehmer darin den wachsenden Bedarf der Fed, das laufende Aufkaufprogramm aufzustocken. Bekanntlich hatte die Fed am 18. März angekündigt, für rund 300 Mrd. $ langlaufende Treasuries am offenen Markt innert 6 Monaten zu erwerben. Davon wurden bisher rund 101 Mrd. $ eingesetzt. Die Rendite der 10-jährigen amerikanischen Staatsanleihen ist dennoch in dieser Zeit von 2,46% auf 3,175% gestiegen. Nun hat sich die Fed zu Wort gemeldet. Sie strebe kein bestimmtes Renditeniveau für US-Staatsanleihen an, hiess es. Das Ziel sei, die Kreditvergabe am Markt zu stimulieren.


10-Year US-Treasury Rate, Graph: Fed St. Louis

Ein anhaltender Renditeanstieg wäre aber nicht willkommen, da die Realzinsen auf diese Weise zunehmen würden. Denn die Inflation ist bekanntlich rückgängig. Die Teuerungsrate dürfte sogar im Verlauf des Jahres weiter nachgeben. Höhere Realzinsen würden Unternehmen von Investitionen zurückhalten. Ferner hat sich der Renditeabstand zwischen 2- und 10-jährigen Staatsanleihen etwas ausgeweitet. Das heisst, dass die Zinsstrukturkurve steiler geworden ist. Das bedeutet eine Entlastung für die Banken (Stichwort: Fristentransformation). Angesichts der hartnäckigen rezessiven und deflationären Tendenzen ist nicht mit weiteren signifikanten Kursverlusten der langlaufenden Anleihen zu rechnen.

Dienstag, 12. Mai 2009

Anleihenmarkt: Recession Blues

Die Staatspapiere stehen seit März mächtig unter Verkaufsdruck, obwohl die US-Regierung ein Aufkaufprogramm von 300 Mrd. $ aufgelegt und die Fed bereits ca. 100 Mrd. $ eingesetzt hat. Die US-Treasuries haben seit Jahresbeginn Investoren eine Rendite von Minus 3,4% gebracht. Die German Bonds: Minus 0,7%. Die japanischen Staatsanleihen: Minus 1,1%. Im vergangenen Jahr hatten die Anleihen die Aktien in Sachen Performance deutlich übertroffen. Die Anleihen waren v.a. gestützt worden, (1) durch die massive geldpolitische Lockerung der Zentralbanken. Sinkende Zinsen haben nämlich steigende Anleihenpreise zur Folge, (2) die wachsende Angst vor Deflation und (3) eine allgemeine Flucht in die Sicherheit angesicht des sich verschärfenden Abschwungs. Allein im November 2008 hatten die Treasuries Anlegern eine Rendite von 5,07% beschert. Nun scheint sich das Blatt zu wenden.


10 y Treasury yield, Graph: finance.yahoo.com

Die G20 Länder müssen Kapital am Anleihenmarkt aufnehmen, um diverse Konjunkturstützungspakete und Bankenrettungspläne zu finanzieren. Angesichts der steigenden Staatsdefizite (in den USA 8% des BIP und im Euroraum 5,5% des BIP) stellt sich jetzt die Frage der Belastbarkeit der Anleihenmärkte. Je mehr der Staat Kredite aufnimmt, desto höher müssten die Zinsen steigen, erwarten Marktteilnehmer. Viele Analysten schätzen den Bedarf auf 10'000 Mrd. $. Kenneth Rogoff hingegen geht von Kosten in Höhe von mind. 15'000 Mrd. $ aus. Im schlimmsten Fall rechnet der Professor für Wirtschaftswissenschaften von der Harvard University sogar mit 33'000 Mrd. $. Es gibt aber keine historische Evidenz dafür, dass ein steigendes Angebot die Anleihenkurse belastet.

Was hat aber bisher zum Renditeanstieg beigetragen? (I) Das wachsende Angebot an Anleihen zur Finanzierung der Finanzhilfen an die maroden Banken, (II) zunehmende der Inflationssorgen, und (III) die abnehmende Risikoaversion, d.h. aufkeimende Hoffnungen auf einen konjunkturellen Wendepunkt, obwohl die Anzahl von Unternehmenspleiten ansteigt, und das erste Quartal von massiven Umsatzeinbussen der Unternehmen gekennzeichnet war. Die Renditekurve ist folglich steiler geworden.

Was für die Anleihen spricht:

 Risikoaversion, d.h. der hohe Bedarf nach Sicherheit.
 Schuldenabbau: Banken, Unternehmen und Haushalte sind nach wie vor mitten im De-Leveraging-Prozess.
 Deflationäre Tendenzen: Inflation ist zumindest für 2009 kein Thema.

Was gegen die Anleihen spricht:

 Mangelnde Nachfrage: zu hohes Angebot.
 Verschlechterung der fiskalpolitischen Lage: zunehmende Sorgen um die Zahlungsfähigkeit der Staaten.
 Anstieg der Risikofreude: Wenn sich die Angst vor Depression legt, und Anleger dazu übergehen, Aktienanteile im Portfolio aufzustocken.

Fazit: Entscheidend ist die Gesamtverschuldung einer Volkswirtschaft. Eine signifikant kräftige Kreditnachfrage der öffentlichen Hand geht i.d.R. mit einem dynamischen Schuldenabbau der Unternehmen und einer steigenden Sparneigung privaten Haushalte einher. Die gegenwärtig anhaltende Tendenz, die Kreditqualität der Investitionen im Portfolio möglichst hochzuhalten, kann sich im Verlauf des Jahres 2009 weiterhin stützend für die Anleihenmärkte erweisen.